Betriebliche Altersversorgung: Reformen bei Garantien, Kapitalanlage und Rentenstart nötig
Die betriebliche Altersversorgung (bAV) in Deutschland steht unter Druck – und das nicht erst seit gestern. Niedrigzinsen, regulatorische Bremsen und überholte Vorgaben gefährden das Versorgungsniveau und die Attraktivität der Modelle. Es ist höchste Zeit für Reformen, findet Stefan Oecking, Vorstandsvorsitzender des IVS – Institut der Versicherungsmathematischen Sachverständigen für Altersversorgung e.V.

Mit den Koalitionsverhandlungen und der Bildung einer neuen Regierung kann es nicht oft genug betont werden. Die bAV und die private Altersvorsorge werden mit dem demografischen Wandel immer relevanter, um die gesetzliche Rente zu unterstützen – und es gibt einige Reformen, die schleunigst angegangen werden sollten, damit diese Unterstützung optimal ausgestaltet werden kann. Besonders drei Reformvorhaben möchte ich an dieser Stelle noch einmal etwas genauer ins Auge fassen:
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Erstens: Die Beitragszusage mit Mindestleistung (BZML) verlangt den Kapitalerhalt der eingezahlten Beiträge – eine Forderung, die unter aktuellen Marktbedingungen kaum noch tragfähig ist. Besonders problematisch ist dabei, dass sich der Beitragserhalt sowohl auf Spar- als auch auf Kostenbeiträge bezieht, die Finanzierung muss aber allein aus den Kapitalerträgen der Sparbeiträge erfolgen. Mit einem zulässigen Höchstrechnungszins von 1 Prozent p. a., dessen Beibehaltung die Deutsche Aktuarvereinigung e.V. (DAV) auch für 2026 empfohlen hat, ist das rechnerisch kaum noch möglich. In der Folge bieten externe Versorgungsträger die BZML praktisch nicht mehr an. DAV-Untersuchungen zeigen, dass eine Garantieleistung nahe bei 100 Prozent der eingezahlten Beiträge sehr sichere und dadurch niedrig verzinsliche Anlagen erzwingt, die einen Werterhalt angesichts der aktuellen und erwarteten Inflation faktisch ausschließen. Eine Absenkung des Garantieniveaus auf bis zu 60 Prozent verbunden mit einer chancenreicheren Kapitalanlage kann deutlich bessere Ergebnisse liefern – bei ausgewogenem Risiko. Eine gesetzliche Öffnung in diese Richtung ist überfällig.
Zweitens: Pensionskassen müssen gestärkt statt ausgebremst werden. Ihre Aufgabe ist es, aus den Beiträgen der Versicherten möglichst viel Leistung für eben jene zu generieren. Das funktioniert nur mit einer Kapitalanlage, die langfristig auch einen Ertrag bringen kann, der die Inflation schlägt. Heute fehlt dafür oft der Spielraum, weil Eigenmittel nicht als Risikopuffer anerkannt werden. Diese Praxis widerspricht dem ökonomischen Zweck des Eigenkapitals und verhindert renditestärkere Anlagen. Eigenmittel sollten daher als Risikopuffer anerkannt werden, um renditestärkere Kapitalanlagen zu ermöglichen. Auch das gemilderte Niederstwertprinzip für Vermögensgegenstände des Sicherungsvermögens muss so konkretisiert werden, dass temporäre Marktschwankungen künftig nicht mehr zu erzwungenen unnötigen Umschichtungen führen, die ebenfalls Rendite kosten. Wir brauchen ein moderneres, prinzipienorientiertes Aufsichtsrecht, das die Langfristigkeit der bAV ernst nimmt.
Drittens: Höhere Startrenten steigern die Attraktivität der Versorgung – gerade bei jungen Rentnerinnen und Rentnern. In der versicherungsförmigen bAV verhindert § 16 BetrAVG bislang flexible Modelle zur Auszahlung von Überschüssen. Die Vorschrift sollte daher ergänzt werden: Überschüsse sollten schon ab Rentenbeginn in Form variabler Zusatzrenten eingesetzt werden dürfen. Damit ließe sich der Renteneinstieg deutlich aufwerten – ohne dass die weiterhin garantierte Mindestrente je unterschritten würde. Dieses Modell ist außerhalb der versicherungsförmigen bAV längst erprobt.
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Die Stärkung der bAV braucht Mut zu Veränderung. Wer will, dass mehr Beschäftigte vom kollektiven Potenzial der bAV profitieren, muss Spielräume schaffen – bei Garantien, Kapitalanlage und Rentengestaltung.