Versicherungsbote: Die Beiträge für Wohngebäudeversicherungen sind in den letzten Jahren stark gestiegen. Parallel wurden auch Bestände bereinigt. Welche Hauptfaktoren treiben die Kosten in die Höhe und wie können Versicherer gegensteuern?

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Dr. Florian Sallmann: Neben der Zunahme von Extremwettereignissen spielt hier ganz entscheidend die Alterung der Gebäudesubstanz eine Rolle. Nehmen Sie doch als Beispiel ein Mehrfamilienhaus aus den 70ern des vorigen Jahrhunderts. Jede einzelne Wohneinheit gehört einem anderen Eigentümer; grundlegende und damit teure Sanierungen werden nur schwerlich oder auch mal gar nicht von der Eigentümerversammlung abgenickt. Kein Wunder, dass das Rohleitungssystem marode ist und dass es immer wieder zu Wasserrohrbrüchen kommt – deren Reparaturen dann von der Wohngebäudeversicherung getragen werden. Nach und nach zieht sich diese Reparaturwelle durch das gesamte Objekt – bis, etwas überspitzt ausgedrückt, fast das gesamte Rohrleitungssystem des Hauses saniert ist. Auf Kosten des Versicherers, versteht sich. Dass dies so nie gedacht war und auch nicht Zweck einer Wohngebäudeversicherung sein sollte, ist keine Frage. Die Praxis lehrt uns jedoch das Gegenteil.

Dr. Florian Sallmann ist Vorstandsvorsitzender der InterRisk.Florian Sallmann@InterRisk

Um auf den zweiten Punkt Ihrer Frage einzugehen: Wir als Versicherer können die Beiträge stärker an das individuelle Risiko des jeweiligen Objekts anpassen. Dazu gehören unter anderem auch die Berücksichtigung von Faktoren wie Alter und Zustand des Gebäudes. Und wie bei allen anderen Sparten gilt auch für die Wohngebäudeversicherung, dass wir mittels Optimierung interner Prozesse die Verwaltungskosten senken müssen. Diese Einsparungen können dann an die Versicherten in Form von niedrigeren Beiträgen weitergegeben werden.

Viele Kunden wissen nicht, dass ihre Versicherungssumme durch steigende Baukosten nicht mehr ausreicht. Wie groß ist das Problem der Unterversicherung aktuell, und wie kann man es verhindern?

Bei unseren Wohngebäudekonzepten handelt es sich ausnahmslos um Wohnflächentarife. Wurden uns beim Abschluss des Vertrages korrekte Flächenangaben mitgeteilt, so besteht keine Gefahr einer Unterversicherung.

Wie gehen Versicherer mit steigenden Sanierungskosten nach einem Schaden um? Gibt es Strategien, um Kunden vor unerwarteten finanziellen Belastungen zu schützen?

Inflationsbedingt steigende Materialpreise, Terminschwierigkeiten sowie steigende Lohnkosten durch den Fachkräftemangel im Handwerk machen die Planbarkeit von Reparaturarbeiten zunehmend anspruchsvoller. Wir arbeiten unter anderem mit Sachverständigenbüros und Sanierungsdienstleistern zusammen, um die Schadenabwicklung und Kosten zu steuern. Gerade Materialpreise und Arbeitskosten können binnen eines kurzen Zeitraums starken Schwankungen unterliegen, Reparaturangebote haben oftmals nur kurze Bindungsfristen. Hier unterstützen uns ganz aktiv Dienstleister mit Alternativangeboten und handeln in einem ganz klar abgestimmten Kompetenzrahmen. Freigaben können so zeitnah erfolgen, um die kalkulierten Kosten zu sichern.

Welche Rolle spielen digitale Tools und smarte Gebäudeüberwachung in der Risikobewertung?

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Hier sind im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung unserer Branche zukunftsweisende Technologien definitiv auf dem Vormarsch. Denkbar sind hier auch Kooperationen über den Tellerrand unserer Branche hinaus, beispielsweise durch Wassersensoren namhafter Sanitärausstatter. Auch wir befinden uns hier in richtungsweisenden Gesprächen – und wollen möglichst zeitnah innovative Lösungen zur Marktreife bringen.

„Die Natur wird unberechenbarer“

Starkregen, Überschwemmungen und Stürme nehmen durch den Klimawandel zu. Dennoch sind nur etwa 50 Prozent der Wohngebäude in Deutschland gegen Elementarschäden versichert. Wie können Vermittler Kunden für das Risiko sensibilisieren und Einwände wie „Das passiert mir nicht“ entkräften?

Was uns zunächst einmal im Tagesgeschäft auffällt: Nach einem fatalen Wetterereignis steigen die Abschlusszahlen in Sachen Elementarschäden – diese Progression ebbt jedoch recht schnell wieder ab. Hier gilt es, das Thema im Bewusstsein der Menschen dauerhaft zu verankern. Neben dem von Ihnen erwähnten Einwand „Das passiert mir nicht“ sehen wir einen weiteren ganz erheblichen Punkt: Unwissenheit. Viele Menschen wissen schlichtweg nicht, dass ihre Wohngebäudepolice keine Elementarschäden abdeckt. Hier ist kontinuierliche Aufklärungsarbeit der entscheidende Schlüssel – nicht nur, um ein neues Bewusstsein für Versicherungslücken zu schaffen, sondern auch für den Umgang mit den veränderten klimatischen Bedingungen und den damit verbundenen Risiken.

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Nur, weil der an die Siedlung angrenzende Bach „ja noch nie über die Ufer getreten ist“, muss das nicht so bleiben. Starkregen-Ereignisse nehmen zu, die Natur wird unberechenbarer. Berechenbar hingegen ist der Schutz durch eine Wohngebäudeversicherung, die auch Elementarschäden mit abdeckt – das sollte ganz ohne Panikmache, lediglich untermauert durch Fakten, in den Köpfen der Menschen ankommen. Gesamtgesellschaftlich gesehen könnte der Staat eine Förderung durch Zuschüsse bei Abschluss einer Elementarversicherung gewähren; und er könnte dann diese Möglichkeit auch gezielt bewerben.

Es gibt immer wieder politische Diskussionen über eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden. Wäre das der richtige Weg?

Das ist eine komplexe Frage – hier ist eine wirklich sorgfältige Prüfung und Abwägung aller Aspekte unbedingt notwendig. Wir vertreten den Standpunkt, dass eine Pflichtversicherung nicht das einzige Instrument zur Lösung der Problematik darstellen kann. Eine starke Priorität sollte zum Beispiel die konsequente Anpassung an die Folgen des Klimawandels genießen, Stichwort klimaangepasstes Bauen und Sanieren. Längst nicht ausgeschöpft sind zudem die Möglichkeiten, potenzielle klimabedingte Gefährdungen bereits im Rahmen von Baugenehmigungen umfassender zu beurteilen – einschließlich einer konsequenteren Prüfung und Einschränkung von Bauten in Überschwemmungsgebieten bis hin zu einem vollständigen Baustopp.

Im Schadenfall erwarten Kunden schnelle Hilfe – doch lange Bearbeitungszeiten sind ein großes Problem. Welche Möglichkeiten haben Vermittler, um Kunden während der Schadenabwicklung bestmöglich zu unterstützen?

Vermittler spielen eine wichtige Rolle in der Schadenabwicklung. Sie sind das Bindeglied zwischen Kunden und Versicherern. Im besten Fall funktioniert das vertrauensvolle Zusammenspiel zwischen Vermittler und Versicherer reibungslos und sorgt für ein positives Kundenerlebnis – ja, für eine hohe Kundenzufriedenheit. Vermittler können hier proaktiv unterstützen, sei es durch praktische Hilfe bei der Schadenmeldung, bei Verhandlungen von Entschädigungen oder durch das Anfordern aller wesentlichen Informationen und Dokumente. Denn in der Wohngebäudeversicherung gilt, genau wie in anderen Sparten: Alle relevanten Informationen sollten vollständig und korrekt vorliegen – dann kann die Bearbeitung zügig und lösungsorientiert erfolgen.

Wie sieht die Zukunft der Wohngebäudeversicherung aus?

Prävention ist hier sicherlich ein wichtiges Stichwort. Durch die Echtzeitüberwachung von Gebäuden können Schäden frühzeitig erkannt und behoben werden – noch bevor sie sich ausweiten. Dies reduziert nicht nur die Schadenhöhe, sondern kann auch die Versicherungsprämien langfristig senken. Präventive Maßnahmen – wie beispielsweise der Einbau von Hochwasserschutzsystemen – können durch Versicherer mit Prämienrabatten gefördert werden. Wichtig ist aus unserer Sicht auch, schnell auf gesetzliche Neuerungen zu reagieren – so wie es uns bereits bei der Mitversicherung von Wärmepumpen gelungen ist.

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Hintergrund: Das Interview ist zuerst in der Ausgabe 01/2025 des Fachmagazins Versicherungsbote erschienen; die Fragen stellte Björn Bergfeld. Das Magazin kann auf der Versicherungsbote- Webseite kostenfrei abonniert werden.

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