Versicherungsbote: Betriebliche Vorsorgeprodukte sind beratungsintensiv und oft erklärungsbedürftig. Wie können Makler diese Produkte erfolgreich an Unternehmen verkaufen, die sich bislang wenig mit betrieblicher Vorsorge beschäftigt haben?

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Oliver Schwab: Um Interesse für betriebliche Vorsorge zu wecken, sollten Vermittler verdeutlichen, dass es weniger um ein einzelnes Produkt, sondern um ein Gesamtkonzept geht. Gute Vorbereitung ist hier der entscheidende Erfolgsfaktor. Denn ein passendes Konzept kann nur anbieten, wer die Bedürfnisse und Spezifika des Firmenkunden auch wirklich gut kennt und verstanden hat. Letztlich gilt es, den Nutzen aufzuzeigen und hierbei entsprechenden Fokus auf die für das jeweilige Unternehmen wichtigsten Aspekte zu legen.

Vermittler sollten erklären und verdeutlichen, dass betriebliche Vorsorge Fehlzeiten und somit auch Produktionsausfälle vermeiden kann; ein Punkt, der für nahezu jede Firma wichtig ist. Im Falle von Unternehmen mit erhöhter Fluktuation wäre es ein geeigneter Ansatz, aufzuzeigen, dass sich durch betriebliche Vorsorge die Zufriedenheit der Mitarbeitenden steigern lässt. Oder wenn auf der Karriereseite auffällig viele Stellen ausgeschrieben sind, ist der Einstieg über die Steigerung der Arbeitgeberattraktivität der richtige Ansatz. Kurzum: Je besser ich vorbereitet bin, je genauer ich weiß, welcher Bedarf besteht, desto eher kann ich die Tür öffnen.

Viele Unternehmen zögern bei der Einführung betrieblicher Vorsorgelösungen, weil sie hohe Kosten oder bürokratischen Aufwand fürchten. Wie können Makler hier gezielt Bedenken abbauen und den Mehrwert für Arbeitgeber klar herausstellen?

Sie sollten von Beginn an verdeutlichen: Die Unternehmen sind mit der Administration nicht allein, es gilt, die Unterstützungsprozesse im Hintergrund aufzuzeigen und den Prozess transparent darzustellen. Ebenso sollten sie offensiv kommunizieren, dass die Kundenbeziehung und der Austausch nicht mit dem Vertragsabschluss enden, sondern dann erst richtig beginnen. Idealerweise geben Vermittler dann noch Referenzen von anderen Firmenkunden mit in den Austausch, sodass ihre Gesprächspartner ein Gefühl für die tatsächlichen Aufwände von „ihresgleichen“ erhalten. Was die Kosten betrifft: Diese sind gar nicht so hoch, denn clevere betriebliche Vorsorgelösungen kosten kein Geld – sie sparen es vielmehr. Dies sollten die Vermittler dann möglichst mit entsprechenden konkreten Praxisbeispielen untermauern.

Ein weiterer Punkt, der in der Aufwand-Nutzen-Argumentation eine sehr große Rolle spielt: Mit dem richtigen Angebot können über betriebliche Vorsorge regulatorisch geforderte ESG-Kriterien abgedeckt werden. Das spüren wir bei der SDK beispielsweise deutlich, wenn wir anführen, dass mit unseren von CONCERN ausgezeichneten betrieblichen Vorsorgelösungen die Vorgaben in Sachen ESG-Berichterstattung direkt als erfüllt abgehakt werden können.

Welche Rolle spielt die betriebliche Vorsorge im Kontext des Fachkräftemangels? Und wie können Makler dieses Argument in ihren Beratungen nutzen?

Wir haben inzwischen einen – je nach Branche sogar extrem hart umkämpften – Arbeitnehmermarkt. Da gilt es, dass Arbeitgeber sich präsentieren und entsprechend positionieren. Vor diesem Hintergrund spielt betriebliche Vorsorge eine sehr große Rolle. Ob ein Arbeitgeber sich um die Verbesserung bzw. den Erhalt der Lebensqualität seiner Mitarbeitenden kümmert oder nicht, macht heutzutage einen großen Unterschied. Gesundheit als wichtigster Faktor im Leben rückt zunehmend ins Bewusstsein der Menschen. Arbeitnehmer legen daher immer mehr Wert darauf, dass der Arbeitgeber in dieser Hinsicht etwas für sie tut.

Punkten können hier insbesondere jene Firmen – und damit auch Makler –, die ihren Mitarbeitenden ein Konzept bieten, das über die reine Kostenerstattung hinausgeht und weitere Bereiche umfasst, wie z. B. Unterstützung bei der Kinderbetreuung, Facharztterminservice oder Pflege-Assistance. Übrigens sind dies alles Dinge, die nicht nur den Arbeitnehmern einen direkten Mehrwert bringen, sondern auch den Arbeitgebern, indem sie Fehlzeiten reduzieren.

Die Marktdurchdringung von Betrieblichen Vorsorgeprodukten in den neuen Bundesländern und bei kleinen und mittelständischen Unternehmen ist überschaubar. Wie können Vermittler das Potential heben; oder ist das eher ein politisches Thema?

Im Grunde ist beides richtig. Dass Gesundheitsthemen im Rahmen der Sachbezugsgrenze in Konkurrenz mit z. B. Tankgutscheinen stehen, kann man hinterfragen. Angesichts der Demografie ist es sicherlich geboten, die betriebliche Vorsorge noch stärker zu fördern – und auch seitens der Politik eine tiefere Marktdurchdringung zu unterstützen. Das ist aber kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Vielmehr gilt es, mit den gegebenen Rahmenbedingungen zu arbeiten.

Wir stellen fest: Unternehmen orientieren sich nicht mehr nur an der Sachbezugsgrenze, sondern erkennen zunehmend die Wichtigkeit, etwas zu tun – ggf. auch über den Betrag von 50 Euro pro Person hinaus. Das gilt grundsätzlich, aber auch und besonders für kleine und mittelständische Unternehmen. Denn gerade hier sind Entscheidungswege kurz, insbesondere dann, wenn der Nutzen entsprechend klar ist.

Und gerade für kleinere Unternehmen sowie für Unternehmen in wirtschaftlich eher schwächeren Regionen bietet eine passgenaue Lösung in der betrieblichen Vorsorge die Chance, sich von anderen, ggf. auch deutlich größeren Unternehmen, abzuheben. Zumal es in den neuen Bundesländern noch wichtiger ist, die Mitarbeiterzufriedenheit im Blick zu haben, um Arbeitskräfte zu halten oder anzuziehen.

Die Vielfalt an betrieblichen Vorsorgeprodukten ist für Unternehmen oft schwer zu durchblicken. Wie können Makler die passende Lösung für ihre Kunden finden?

Der Makler sollte zunächst das konkrete Bedürfnis des jeweiligen Kunden identifizieren und sich dann nach einer passenden Lösung am Markt umsehen. Ideal sind in der Regel Bausteinkonzepte, da sie individuelle Lösungen ermöglichen – mit diesen haben wir bei der SDK sehr gute Erfahrungen gemacht und positive Rückmeldungen von Kunden erhalten. Für die Anbieterauswahl gibt es zahlreiche Unterstützungsangebote, zum Teil auch Plattformen. Übrigens bieten wir seitens der SDK eine komplett neutrale, nicht gebrandete Unterlage mit Checklisten und einem Beratungsleitfaden an.

Welche Ansätze empfehlen Sie, um Arbeitnehmer für betriebliche Vorsorge zu sensibilisieren und ihre Beteiligung zu erhöhen?

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Auch hier gilt: die Bedürfnisse müssen identifiziert werden; man sollte wissen, was der Kunde will und braucht. Wer strukturiert und gezielt fragt, bekommt auch zielführende Antworten. Auch dabei hilft ein Beratungsleitfaden. Letztlich kann ich aus Erfahrung sagen: Es gibt im Grunde kein Unternehmen, das gar keinen Bedarf hat. Siehe ESG-Gesetzgebung: Das ist relativ neu und für alle eine große Herausforderung. Vorsorgekonzepte zahlen auf die ESG-Kriterien ein – entsprechend groß ist die Aufmerksamkeit. Im Idealfall beinhalten diese Konzepte, wie unser SDK-Ansatz, ein Wirksamkeitsrating zur Nachhaltigkeit. Mit diesem Ansatz können Unternehmen gleich vier Zertifikate für die Nachhaltigkeitsberichterstattung auf einmal abdecken.

„Gerade kleinere Betriebe sind sehr aufgeschlossen und entscheidungsfreudig“

Wie wichtig ist die digitale Unterstützung im Vertrieb betrieblicher Vorsorge? Und wo sehen Sie Potenziale, um den Verkaufsprozess zu optimieren?

Digitale Unterstützung ist sehr wichtig und ein entscheidender Faktor. Von der Anmeldung der Mitarbeitenden bis zur Leistungsabwicklung braucht es digitale Lösungen und Self Services. Nichtsdestotrotz halten wir bei der SDK es für sehr wichtig, auch persönliche und analoge Unterstützung anzubieten – und tun dies deshalb in Form unseres Firmenkompetenz Centers und durch unsere Maklerbetreuer vor Ort. Denn unserer Erfahrung nach ist der persönliche Austausch nicht durch digitale Tools zu ersetzen – sie können ihn lediglich unterstützen, vereinfachen und ergänzen.

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Spöttisch heißt es, für den Vertrieb von betrieblicher Vorsorge braucht es einen Versicherungsvermittler, einen Steuerberater und einen Anwalt. Wie können Makler sicherstellen, dass sie rechtlich auf der sicheren Seite sind und gleichzeitig den Unternehmen alle wichtigen Informationen verständlich vermitteln?

Die gute Vorbereitung ist entscheidend. Und natürlich sollte man sich entsprechend in dem Bereich aus- und weiterbilden. Bei der SDK bieten wir hierzu IHK-Zertifizierungslehrgänge zum betrieblichen Vorsorgeberater an und ergänzen dies durch die genannten Unterstützungsleistungen im Hintergrund. Leider gibt es immer noch viele Vermittler, die bei der Einführung der bKV nicht auf die Notwendigkeit einer Versorgungsverordnung bzw. Betriebsvereinbarung hinweisen. Das erachte ich als kritisch – und rate dringend, diesen Aspekt nicht außer Acht zu lassen. Selbstverständlich unterstützt die SDK auch an dieser Stelle entsprechend über unser Netzwerk.

Wir empfehlen durchaus, im Angebots- und Abschlussprozess darauf hinzuweisen, dass die Beratung eben nicht mit einer Steuerberatung gleichzusetzen ist und der Steuerberater ggf. einzubinden ist. Denn es ist schließlich besser, den Steuerberater gleich hinzuzuziehen, als hinterher Probleme zu bekommen bzw. das Angebot in Schall und Rauch aufgehen zu sehen.

Übrigens sind Steuerberater hervorragende Multiplikatoren. Wenn man sie für betriebliche Vorsorge begeistern kann, können sie das an ihre anderen Kunden weitertragen. Der Steuerberater ist für uns Versicherer bzw. für die Vermittler also ein Freund, kein Feind.

Gerade kleinere Betriebe haben oft knappe Budgets für Zusatzleistungen. Welche konkreten Argumente können Makler nutzen, um auch KMU von den Vorteilen betrieblicher Vorsorgelösungen zu überzeugen?

Diese Erfahrung machen wir nicht. Gerade kleinere Betriebe sind sehr aufgeschlossen und entscheidungsfreudig – und in Relation zur Mitarbeitendenzahl auch durchaus bereit, höhere Beträge für betriebliche Vorsorge aufzuwenden. Denn insbesondere kleine Unternehmen tun sich im Wettbewerb schwer, Fachkräfte allein über die Gehälter zu halten oder anzuziehen. Das gilt besonders für Wirtschaftsregionen wie die Region Stuttgart – dem Umfeld unserer Hauptverwaltung der SDK –, wo Unternehmen wie Daimler, Porsche und Bosch ansässig sind.

In solchen Gebieten müssen kleinere oder mittelgroße Unternehmen Maßnahmen finden, anhand derer sie ihren Mitarbeitenden spür- und erlebbar Wertschätzung entgegenbringen – und von denen sie idealerweise auch in Sachen Produktivität profitieren. Da gibt es also durchaus gute Argumente für betriebliche Vorsorge.

Welche Rolle spielen Steuerberater und Personalverantwortliche in der Beratung und Umsetzung betrieblicher Vorsorgelösungen? Wie können Makler hier strategische Kooperationen eingehen, um den Vertriebserfolg zu steigern?

Realistisch betrachtet, sind diese zwei Gruppen sicherlich mit die Hauptbedenkenträger. Deshalb ist genau das der Königsweg: Skeptiker zu Promotoren zu machen. Wer das schafft, ist auch erfolgreich in der betrieblichen Vorsorge bei KMU. Dies gelingt, indem man Netzwerke bildet, in den regelmäßigen Dialog mit diesen Personengruppen geht und sie besser kennen sowie verstehen lernt. Dafür lassen sich Plattformen für den Austausch zwischen Personalern nutzen – etwa im Rahmen von Personalmessen oder ähnlichen Veranstaltungen. Und wie bei nahezu allen Vertriebsthemen gilt es, aktives Empfehlungsmarketing mit Bestandskunden zu betreiben, denn der Nutzen der betrieblichen Vorsorge lässt sich nach wie vor am besten über Referenzen vermitteln.

Welche Trends sehen Sie für die kommenden Jahre? Und worauf sollten sich Makler schon heute einstellen, um wettbewerbsfähig zu bleiben?

Das Wachstum in der bKV ist ungebrochen – und hier liegt nach wie vor ein riesiges Potenzial. Entscheidend wird sein, sich mit klugen, passgenauen Konzepten und erfahrungsbasierten Weiterentwicklungen am Markt zu behaupten. Wir stellen fest: Der Markt der Unternehmen, die einfach „irgendwas“ machen wollen, wird kleiner. Denn wir befinden uns in einer Zeit, in der noch viel stärker auf die Relation von Aufwand und Nutzen geachtet wird als früher. Deshalb steigt die Zahl der Firmen, die für ihr eigenes Unternehmen zielgerichtete, erfolgreiche Lösungen suchen. Und genau deshalb wiederhole ich mich hier gerne: Konzept schlägt Produkt.

Der Begriff der betrieblichen Vorsorge umfasst sowohl die bKV als auch die bAV. Mit Blick auf die Zukunft sehen wir uns angesichts des möglichen Zusammenschlusses mit der Stuttgarter in einer sehr guten Position, da dies die Möglichkeit böte, Vorsorgelösungen zu entwickeln, die beide Bereiche abdecken, sowie clevere Produkte zu schaffen, die beides kombinieren und alles aus einer Hand bieten. Und solche Konzepte aus einer Hand werden in Zukunft auch seitens der Kunden sicherlich zunehmend nachgefragt.

Ein wichtiger Punkt ist zudem die Zukunft der Pflege. Was hier angesichts der demografischen Entwicklung auf uns zukommt, wird gesamtgesellschaftlich ohne den Einbezug betrieblicher Vorsorge nicht zu bewältigen sein. Hier bleibt es allerdings abzuwarten, ob die Politik der betrieblichen Pflegevorsorge endlich einen höheren Stellenwert einräumt. Grundsätzlich sehen wir aber in allen Bereichen der betrieblichen Vorsorge große Chancen für die Zukunft.

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Hintergrund: Das Interview ist zuerst in der Ausgabe 01/2025 des Fachmagazins Versicherungsbote erschienen; die Fragen stellte Björn Bergfeld. Das Magazin kann auf der Versicherungsbote- Webseite kostenfrei abonniert werden.

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