Versicherungsbote: Batteriespeicher werden derzeit in rasantem Tempo geplant und gebaut. Welche besonderen Herausforderungen bringt dieser Boom aus Versicherungssicht mit sich?

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Stephan Schmitz: Tatsächlich herrscht derzeit eine gewisse Goldgräber-Stimmung. Anzahl und Kapazität der in Deutschland installierten Speicher sind im letzten Jahr um 50 Prozent gewachsen, wir sprechen von ca. 600.000 neuen Batteriespeichern. Besonders schnell wächst derzeit der Markt für Großspeicher mit einer Leistung größer einem Megawatt. Allerdings gibt es aufgrund der neuen Technologie viele neue Marktteilnehmer in den Bereichen Planung, Produktion und Servicedienstleistungen, mit denen wir als Versicherer bislang wenig Erfahrung haben.

Eins darf man nicht vergessen: Es handelt sich bei den komplexen Speichersystemen um eine relativ neue Technologie, sowohl für uns als auch für die Systemlieferanten. Die neue Technologie besteht im Wesentlichen aus elektrotechnischen und digitalen Komponenten – und ist damit risikotechnisch nur schwer von außen zu bewerten („Black Box“).

Stephan Schmitz ist Leiter Produktmanagement Technische Versicherungen bei BarmeniaGothaer.Stephan Schmitz@BarmeniaGothaer

Wissenschaftler der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) Berlin berichten in der „Stromspeicher-Inspektion 2025“ von rekordverdächtigen Wirkungsgraden bei Lade- und Entladebetrieb (98,2 Prozent) und dem Einsatz von Multi-Level-Technologien – es tut sich also in der Weiterentwicklung viel. Versicherer müssen auf Ballhöhe der technischen Entwicklung bleiben, da sie verstehen müssen, was sie versichern. Unsere Underwriter machen hier einen hervorragenden Job. Wichtig ist mir noch der Hinweis, dass es in meinen folgenden Ausführungen in erster Linie um Großspeicher geht – nicht um häusliche Speicher, etwa im Zusammenhang mit einer Photovoltaikanlage auf dem Einfamilienhaus.

Welche wirtschaftliche Bedeutung haben Batterie Energiespeichersysteme (BESS) für die Energiewende und wie wirkt sich dies auf die Risikobewertung und Versicherbarkeit solcher Anlagen aus?

In Europa werden zurzeit Großspeicherprojekte mit einer Leistung von bis zu 250 MW realisiert. Übliche Projektgrößen bewegen sich im Leistungsrahmen von 10-50 MW. Speicher dieser Größenordnung sind für die Gewährleistung der Netzstabilität bereits heute wichtig und zukünftig mit größter Wahrscheinlichkeit alternativlos.

Durch den immer größer werdenden Anteil an erneuerbaren Energien im deutschen Strommix verringert sich der klimaschädliche Ausstoß von CO2. Allerdings bringt diese Art der Stromerzeugung ein hohes Maß an Volatilität mit sich. Strombedarf und Stromerzeugung liegen an vielen Tagen im Jahr weit auseinander. Als Puffer für diese Divergenz sind BESS die Garanten für eine dauerhafte Versorgung mit Strom aus erneuerbaren Quellen.

Welche spezifischen Gefahren bestehen beim Betrieb von Batteriespeichern – insbesondere im Hinblick auf Brandrisiken, thermisches Durchgehen (Thermal Runaway) oder Umweltschäden?

Neben den üblichen Gefahren, denen im Freien befindliche Anlagen ausgesetzt sind – wie Überschwemmung oder Sturm –, ist das „Maximalschadenereignis“ für den Versicherer ein Brand, ausgehend vom Batteriespeicher. Brände können entstehen durch den sog. Thermal Runaway (thermisches Durchgehen), aber beispielsweise auch durch fehlerhafte Leistungselektronik (Wechselrichter / Transformatoren).

Das thermische Durchgehen führt zu einem Anstieg der Temperaturen, ausgelöst durch eine Kettenreaktion im Inneren der Batterie. Infolgedessen platzt die Zelle; es entströmen brennbare Gase. Treffen diese dann auf eine Zündquelle (wie heiße Oberflächen), entzünden sich die Gase. Das Risiko des thermischen Durchgehen ist bei voll geladenen Batterien am höchsten, da mehr Venting-Gase freigesetzt werden und die maximale Wärmefreisetzungsrate gegeben ist.

Bei der Risikoanalyse beschäftigen wir uns mit drei möglichen Brandquellen:

  1. Batterien
  2. elektrische Komponenten in räumlicher Nähe (z.B. im Container): 
Wechselrichter, Klimaanlagen, Batterie-Managementsystem, Leistungselektronik
  3. Brandquelle außerhalb BESS

Besonders ist, dass eine gewisse Brandgeneigtheit besteht, die dadurch verstärkt wird, dass auf engem Raum viele brennbare Werte stehen. Ein Übergreifen des Feuers von einem Batteriecontainer auf den nächsten muss unbedingt verhindert werden. Weiterhin sind manche Komponenten – insbesondere hinsichtlich eines Betriebsunterbrechungsschadens – bei Ausfall besonders schadentreibend (z.B. Trafos oder Umspannstationen).

Wir unterstellen, dass in einem Brandszenario ohne Eingriff von außen große Anlagenteile geschädigt werden. Im Fall einer Container-Anordnung ist mindestens vom Totalverlust eines Containers auszugehen, wahrscheinlicher ist ein weiterer Überschlag des Feuers auf benachbarte Batteriecontainer oder Wechselrichter bzw. Transformatorbauteile. Hitzestrahlung und Rauch können – bei zu geringer räumlicher Trennung – weitere erhebliche Schäden anrichten.

Daher steht BESS leider auch immer synonym für ein besonders hohes Sach- und Betriebsunterbrechungspotenzial im Schadenfall. Darüber hinaus gehen nicht unerhebliche Haftpflichtrisiken von BESS aus. Im Brandfall sieht sich die Feuerwehr Bränden mit extremer Temperaturentwicklung sowie toxischen Gasen und Rauch ausgesetzt. Aufgrund der Bauart der Batterien besteht zudem stets ein Explosionsrisiko. Es ist also von einer immensen Bedrohung für Personen und angrenzende Gebäude auszugehen. Erschwerend kommt dazu, dass kontaminiertes Löschwasser Erdreich und Umwelt bedroht und schlimmstenfalls zur totalen Betriebsunterbrechung der Anlage für einen sehr langen Zeitraum führen kann.

Welche technischen Schutzmaßnahmen oder Sicherheitsvorkehrungen erwarten Versicherer von den Betreibern, um die Eintrittswahrscheinlichkeit und Höhe von Schäden zu minimieren?
Wie wird die Höchst-Schadensumme für Batteriespeicher ermittelt und welche Faktoren beeinflussen diese am stärksten?

Das absolute Verhindern von Bränden ist bislang nicht möglich. Jedoch kann durch intelligentes Design eine Brandausbreitung und somit auch der Sach- und BU-Schaden deutlich verringert werden.

Wichtig ist insbesondere ein möglichst großer Abstand zwischen den BESS-Containern untereinander sowie zu den Nebengewerken. Eine Versicherung von großen BESS-Anlagen innerhalb geschlossener Räume und Bauwerke muss kritisch betrachtet werden – und kann nur dann erfolgen, wenn es dementsprechende Brandabschnitts- bzw. Komplextrennungen gibt.

Bei abwehrendem Brandschutz – wie bei automatischen Löschsystemen – muss man die Besonderheiten der Batterien berücksichtigen. Besonders effektiv wirkt eine Sprinklerung mit Wasser (Hochdruck-Wassernebel), Stickstoff oder Aerosolen – in dieser Reihenfolge.

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Eine frühzeitige Alarmierung der Feuerwehr ist von besonderer Bedeutung. Rauchansaugsysteme und Punktmelder haben sich hier bewährt. Weiterhin wichtig ist das Batteriemanagementsystem: Es gibt Auskunft über Zustand und Betrieb der einzelnen Komponenten, indem es die wesentlichen Betriebsdaten der Batterie überwacht. Wir empfehlen die Implementierung eines weiteren externen Batterieüberwachungssystems, da hiermit KI-gesteuert bereits im Frühstadium Abweichungen und Anomalien detektiert werden können.

„Brände können mit unerwartet hoher Heftigkeit und Temperaturentwicklung verlaufen“

Welche Herausforderungen ergeben sich bei der Bewertung von Risiken in der Projektphase, wenn oft noch keine langfristigen Betriebsdaten vorliegen?

Spannend sind die Lebenszyklus-Modelle. Hier ist bereits bei Projektierung auf die entsprechenden Schutzbedürfnisse zu achten.

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Der erste Lebenszyklus einer Batterie – auch „First Life“ genannt – endet, sobald die Batteriekapazität nutzungsbedingt auf ca. 80 Prozent (in seltenen Fällen auf bis zu 70 Prozent) gesunken ist. Sie ist für den laufenden Betrieb auszutauschen.

Aufgrund der durch die E-Fahrzeuge massenhaft vorhandenen „alten“ Batterien entstehen Projekte, die diesen gebrauchten Batterien ein zweites Leben schenken: „Second-Life“-Parks. Hier kommen Batterien zum Einsatz, die zwar eine verringerte Kapazität mitbringen, aber in der Parkanordnung dennoch sinnvoll eingesetzt werden können.

Hinsichtlich der Brandgefährdung von Second-Life-Batterien spricht für diese Anordnung, dass ein Ladegrad von 100 Prozent nicht mehr erreicht werden kann. Dadurch ist das Risiko eines thermischen Durchgehens geringer als bei First-Life-Batterien. Allerdings besteht die Möglichkeit, dass die Batteriezellen bereits einem gewissen Verschleiß unterliegen oder schlimmstenfalls unentdeckte Beschädigungen aufweisen. Dieser mögliche Sicherheitsnachteil relativiert den Vorteil des begrenzten Ladegrads. Allenfalls kann man annehmen, dass diese Batterien mit weniger heftigem Verlauf abbrennen.

Es handelt sich hierbei um eine noch junge Entwicklung. Viele Versicherer stehen der Second-Life-Technologie abwartend gegenüber, da für eine fundierte Risikobewertung bislang zu wenig Erfahrungswerte vorliegen.

Inwiefern ist es sinnvoll, Versicherer bereits in der frühen Projektphase einzubinden? Und welche Vorteile ergeben sich daraus für Betreiber und Versicherer gleichermaßen?

Ausgangspunkt der Sicherheitsüberlegungen sollte die Erkenntnis sein, dass Brände mit unerwartet hoher Heftigkeit und Temperaturentwicklung verlaufen können. Organisatorischer, baulicher und abwehrender Brandschutz müssen darauf abgestimmt werden.

Eine Brandbekämpfung ist nur möglich, wenn ein Brand im sehr frühen Stadium erkannt und eingedämmt wird. Beim Design der Anlage können diese Erfordernisse berücksichtigt werden. Versuche, nach Errichtung des Batterieparks nachträglich Schutzverbesserungen herbeizuführen, sind weniger effektiv und kostenintensiver.

Der Betreiber hat ein Interesse an einem störungsfreien Betrieb. Versicherer können ihn dabei unterstützen, indem sie auf ausreichende Abstände zwischen den Batterien und anderen technischen Komponenten hinwirken. Weiterhin können Versicherer Empfehlungen zur Ausführung der Branderkennungs- und Brandlöschsysteme geben. Natürlich ist jedes Projekt Zwängen unterworfen (z. B. begrenzter Raum), jedoch geht es darum, Großschäden zu vermeiden. Häufig müssen wir unseren Versicherungsnehmern die unbequeme Botschaft vermitteln, dass dies in der Bauphase nur durch zusätzliche Kosten zu realisieren ist.

Fakt ist: Ohne anlagentechnischen Brandschutz ist eine Brandeindämmung kaum möglich. Ausschließlich baulicher und/oder organisatorischer Brandschutz stößt hier glasklar an seine Grenzen. Mit unserer Expertise und Erfahrung arbeiten wir gemeinsam daran, die Versicherbarkeit von Batterieparks zu ermöglichen, indem wir auf das sicherheitstechnische Design einwirken. Trotzdem gilt immer: Schäden gänzlich zu vermeiden ist unmöglich – das Risiko von Großschäden lässt sich jedoch minimieren.

Wie lässt sich die Versicherungssumme für Betriebsunterbrechungen bei Batteriespeichern sinnvoll bemessen, wenn sich die Wirtschaftlichkeit aus sehr volatilen Strompreisen ergibt?

Ein tatsächlich spannendes Thema, denn die Ermittlung der Betriebsunterbrechungssumme ist keine leichte Aufgabe. Das Erlösmodell von Batteriespeichern basiert auf der Teilnahme am Regelenergiemarkt sowie am Börsenstrommarkt (Modell: Strom kaufen und speichern, wenn der Preis niedrig ist; verkaufen bzw. „ausspeichern“ bei hohen Strompreisen). Beide Vergütungsmodelle sind volatil – und a priori lassen sich die Erlöse nur schwer abschätzen.

Im Vorfeld ist deshalb zwischen Betreiber und Versicherer nach individueller Diskussion ein jährlicher Durchschnittserlös zu vereinbaren. Ein entsprechendes Gespräch sollte jährlich stattfinden, um auf Basis der Vergangenheitsbewertung die Grundlage für das kommende Jahr zu schaffen.

Wir stellen fest, dass häufig ein signifikanter Unterschied zwischen der Umsatzerwartung des Kunden und der tatsächlichen Vergütung durch den Markt besteht. Mancher Betreiber vermittelt seinen Investoren hier ein zu rosiges Bild vom Return on Investment.

Es gilt, einen für Versicherer und Versicherungsnehmer akzeptablen Eurowert je Megawattstunde zu vereinbaren. Denn: Basis der Entschädigung sind die in der Fachwelt veröffentlichten („announced“) Preise – und nicht die von Projektplanern im Vorfeld versprochenen.

Wie wird im Schadenfall ermittelt, welche finanziellen Einbußen durch eine Betriebsunterbrechung entstehen, wenn sich der Wert gespeicherter Energie laufend ändert?

Richtig: Aufgrund der Volatilität des Marktes ist die genaue Höhe der Betriebsunterbrechungssumme nicht exakt ermittelbar.

Als Versicherer verfahren wir so, dass wir auf Grundlage der veröffentlichten spezifischen Einspeisevergütungen im Vorfeld mit dem Versicherungsnehmer eine Vereinbarung zur Entschädigung treffen und so die zu erwartenden Umsatzerlöse quantifizieren. Bereits hier zeigt sich oftmals eine große Diskrepanz zwischen der optimistischen – teils unrealistischen – Erwartungshaltung des Versicherungsnehmers und den realistischen Marktbedingungen.

Vielleicht sollten wir an dieser Stelle zunächst klären, wie die tatsächliche Einspeisevergütung im Regelbetrieb funktioniert: Der Versicherungsnehmer veräußert die im Batteriespeicher befindliche Energie zum Beispiel am Regelenergiemarkt, an Großhandelsmärkten oder über den Börsenhandel.

Nimmt ein Batteriespeicher am Markt für Regelenergie teil, bietet er seine Systemdienstleistung dem Netzbetreiber an. Dieser profitiert davon, dass die Netzfrequenz stabilisiert wird, indem Einspeisung und Verbrauch von Strom mit wenig Vorlaufzeit ausbalanciert werden. Die entsprechenden Vergütungssätze werden transparent und rückwirkend veröffentlicht.

Anders sieht es aus, wenn der Strom – aus finanzieller Sicht deutlich spekulativer – am Spotmarkt der Strombörse veräußert wird. So kann man – KI-gestützt oder mit „glücklichem Händchen“ – Preisschwankungen zu seinem Vorteil nutzen: günstigen Strom speichern und bei höheren Stromkursen einspeisen („Arbitragegeschäft“). Um solche Geschäfte zu realisieren, müssen Stromspeicher sehr kurzfristig reagieren – insbesondere, wenn sie für den Handel auf Intraday-Märkten genutzt werden. Diese sprungartige Ladung bzw. Entladung führt jedoch zu vorschnellem Altern der Batterien.

Wie beim Aktienhandel ist man hinterher klüger: Den idealen Zeitpunkt zum Laden und Einspeisen kann man in der Retrospektive leicht festlegen. Doch nach einem Schaden und der Nichtteilnahme am Spotmarkt kann der Versicherungsnehmer unmöglich angeben, zu welchem Zeitpunkt er tatsächlich ge- oder verkauft hätte. Somit bleibt als Entschädigungsmodell die vorher festgelegte Vergütung die einzige für beide Seiten faire Lösung. Die auf Euro/MWh hochgerechnete Jahresentschädigung wird pro Ausfalltag mit 1/360 des Jahreswertes bewertet.

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Hintergrund: Das Interview ist zuerst in der Ausgabe 01/2025 des Fachmagazins Versicherungsbote erschienen; die Fragen stellte Björn Bergfeld. Das Magazin kann auf der Versicherungsbote- Webseite kostenfrei abonniert werden.

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