Die Versicherungsvermittlung in Deutschland erlebt eine tiefgreifende Transformation. Sie ist geprägt durch Konsolidierung, Kostensparprogramme der Versicherer – die oft mit reduzierter Vertriebsunterstützung für kleinere und mittlere Makler einhergehen – sowie regulatorische Herausforderungen. Gleichzeitig wächst das Engagement von Private-Equity-Gesellschaften in der Branche.

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Während die Gesamtzahl der Versicherungsvermittler seit 2011 um über 30 Prozent zurückging, zeigt das Marktsegment der unabhängigen Makler noch eine gewisse Resilienz. Großbritannien dient hierbei als historischer Referenzmarkt: Dort halbierte sich die Zahl der Makler in zwei Jahrzehnten, während sich die Provisionseinnahmen der Top-50-Unternehmen um 70 Prozent erhöhten. Dieser Artikel analysiert die strukturellen Treiber, operativen Synergiemodelle und zukünftigen Entwicklungsachsen dieses fundamentalen Marktwandels im Bereich der Versicherungsmakler.

Demografischer, technologischer und regulatorischer Druck als Konsolidierungskatalysator

Die Gruppe der unabhängigen Versicherungsmakler zeigt eine bemerkenswerte Stabilität. Aktuell sind rund 46.600 Makler registriert, was im Vergleich zu den Vorjahren eine leichte Zunahme darstellt. Von den insgesamt 16.573 Versicherungsmakler-Firmen befinden sich etwa 50 Prozent in Nordrhein-Westfalen, Bayern und Baden-Württemberg.

Dr. Patrick Dahmen ist Geschäftsführer der Valytics GmbH, einer auf die Versicherungswirtschaft spezialisierten Unternehmensberatung. Dahmen verfügt über langjährige Erfahrung in der Versicherungswirtschaft – unter anderem als Vorstand bei Axa und bei der HDI.@Valytics

Eine Analyse der Unternehmensgrößen zeigt, dass 95,7 Prozent der Maklerfirmen Kleinstunternehmen mit einer Bilanzsumme von unter 2 Millionen Euro sind. Diese stehen oft vor Herausforderungen wie fehlender Nachfolgeplanung, der Umsetzung regulatorischer Vorgaben und weitreichenden digitalen Umstellungen. Etwa 3,5 Prozent (ca. 587 Firmen) gehören zum Segment der kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), während nur 0,8 Prozent (ca. 122 Firmen) als Großunternehmen mit einer Bilanzsumme von über 43 Mio. Euro eingestuft werden können. Besonders das KMU-Segment ist für Maklerkonsolidierer attraktiv, da Großunternehmen häufig bereits übernommen wurden oder aktuell nicht zum Verkauf stehen.

Axel Kirchhoff ist Experte für regulatorische Fragestellungen und deren maßgeschneiderte Umsetzung bei Valytics.@Valytics

Ein zentrales Thema für alle Makler bleibt die Nachfolgeplanung. Studien prognostizieren, dass bis 2030 rund 40 Prozent der derzeit aktiven Makler in den Ruhestand gehen. Der damit verbundene demografische Druck, verstärkt durch regulatorische und digitale Herausforderungen sowie die nachlassende vertriebliche Unterstützung der Versicherer, beschleunigt die Konsolidierung durch Übernahmen und Fusionen – oft mit der Aussicht auf attraktive finanzielle Kompensationen.

Lernerfahrungen aus Großbritannien

Ein Blick nach Großbritannien offenbart klare Parallelen zur Entwicklung des deutschen Marktes. In den letzten 20 Jahren hat sich – nicht zuletzt durch das Provisionsverbot – die Zahl der lizenzierten Vermittler (sogenannte authorised UK insurance distribution entities) dort mehr als halbiert, während das Segment der Assekuradeure (MGAs) gewachsen ist. Private-Equity-Firmen spielen eine zentrale Rolle bei dieser Konsolidierung, indem sie gezielt Maklerhäuser und Assekuradeure übernehmen – und dabei konsequent das Prinzip „buy low, sell high“ verfolgen.

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Dabei bedeutet „buy low“ nicht zwangsläufig einen niedrigen Kaufpreis, sondern eine attraktive Bewertung im Verhältnis zum erwarteten Gewinnpotenzial. Dass sich dies für viele Verkäufer finanziell lohnt, zeigt sich an den Bewertungsmultiplikatoren: Bei kleineren Transaktionen bis 5 Mio. GBP lagen sie bei etwa dem Neunfachen des EBITDA (das heißt, der Kaufpreis entsprach dem Neunfachen des um Zinsen, Steuern und Abschreibungen bereinigten Jahresergebnisses). Bei größeren Transaktionen über 100 Mio. GBP erreichten die Multiples sogar Werte von bis zu 12 oder 13 des EBITDA.

Konsolidierungstrends in Deutschland

In Deutschland zeigt sich ein ähnliches Muster. Aktuell liegt der Schwerpunkt auf Industrie- und Gewerbemaklern, da deren Bestandsprovisionen gut prognostizierbar sind. Ein prominentes Beispiel ist die GGW-Gruppe, die aktuell einen Courtage-Umsatz von rund 500 Mio. Euro erwartet und damit zu den Top-3-Maklerhäusern zählt. Finanziert durch HG Capital und Permira setzt GGW auf Expansion sowie auf Incentive-Programme für Makler und Mitarbeiter. Dieser umfassende Gleichklang der Interessen aller Beteiligten ist der zentrale Hebel für den Erfolg und die beeindruckende Wertsteigerung der GGW-Gruppe.

Aber auch andere Private-Equity- und Private-Debt-Häuser interessieren sich für dieses Marktsegment. Das britische Private-Equity-Haus Anacap Financial Partners ist Anfang 2021 bei der inhabergeführten MRH Trowe eingestiegen. Bain Capital gründete zusammen mit Canada Life sowie JDC mit der Summitas-Gruppe eine Konsolidierungsplattform für Versicherungsmakler. Die Finanzierung erfolgt zunehmend stärker über Fremdkapital, wie beispielsweise durch die Macquarie Group, einen australischen Finanzinvestor, der die Finanzierung der Maklerplattform Attikon übernahm.

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Das Interesse von Finanzinvestoren bleibt hoch, da der deutsche Markt im Vergleich zu anderen Ländern noch stark fragmentiert ist. Dies führt zu einem intensiven Wettbewerb unter den Investoren, was für die Makler vorteilhaft ist. Um erfolgreich zu sein, müssen Investoren attraktive Gesamtpakete anbieten: Neben einem guten Kaufpreis spielen zudem die Aussichten auf zukünftige Wertsteigerungen und konkrete Vorteile für das laufende Geschäft eine wichtige Rolle. Zusätzlich spielt die Geschwindigkeit bei Verhandlungen eine entscheidende Rolle: Die entscheidenden Eckpunkte der Transaktion werden oftmals innerhalb eines Tages ausgehandelt und „per Handschlag“ vereinbart. Wer hier schnell ist, hat die Nase vorn.

Wertsteigerungshebel und Herausforderungen in Deutschland

Die Wertperspektive für die Konsolidierung ist im deutschen Markt ebenfalls deutlich erkennbar. Nach unseren Erfahrungen werden Bewertungsmultiples durchschnittlich mit dem 10-Fachen des EBITDA angesetzt – abhängig von der Portfoliogröße und dem jeweiligen Investor teilweise aber auch mit dem 14- bis 16-Fachen des EBITDA. Der Grund für diese Bewertungsbandbreite liegt darin, dass Maklerkonsolidierer bereits zum Zeitpunkt der Übernahme von einem sofortigen Wertzuwachs des akquirierten Maklers profitieren. Durch den Erwerb weiterer Makler steigt die Marktmacht, was eine Durchsetzung höherer Courtage-Sätze in der Sachversicherung bei den Versicherern ermöglicht. Zudem eröffnet sich ein besserer Zugang zu Fachexperten, beispielsweise in der Risikobewertung oder in der Schadenabwicklung, was mittelfristig zu zusätzlichen und erhöhten Courtagen führt.

Hierbei ist zu berücksichtigen, dass gerade kleinere und mittlere Maklerhäuser immer weniger vertriebliche Unterstützung durch die Versicherer erhalten. Stattdessen konzentrieren sich diese – auch bedingt durch den Kostendruck – zunehmend auf größere Maklerhäuser oder ausgewählte Maklerverbindungen.

Eine zentrale Herausforderung besteht darin, die unternehmerische Orientierung der Maklerhäuser auch nach der Übernahme aufrechtzuerhalten. GGW adressiert dies durch Beteiligungsmöglichkeiten für Makler an der GGW Holding, um ihnen eine Teilhabe an der zukünftigen Wertsteigerung des Gesamtunternehmens zu ermöglichen. Spätestens mit dem Verkauf der Beteiligung durch die Private-Equity-Häuser können sie erneut profitieren.

Gerade dieser Umstand wird von Kritikern des Modells immer wieder angeführt: Auch wenn der Makler an der Obergesellschaft beteiligt ist, könnte er sein unternehmerisches Engagement im Vergleich zur Phase vollständiger unternehmerischer Eigenverantwortung verringern – beispielsweise in der Absicherung der Unternehmensnachfolge. Maklerkonsolidierer sind sich dieser Risiken bewusst und legen daher großen Wert darauf, die Autonomie und kulturelle Identität der einzelnen Makler zu bewahren. Perspektivisch werden zudem weitere finanzielle Incentives in Aussicht gestellt.

Kostensynergien im Back-Office

Ein weiterer Werthebel liegt in der Konsolidierung der IT-Systeme und Back-Office-Prozesse. Synergien entstehen insbesondere dann, wenn alle akquirierten Makler auf einheitliche Systeme, Prozesse und Back-Office-Strukturen umgestellt werden. Ein solches einheitliches Operating Model trägt zudem dazu bei, die Compliance mit regulatorischen Vorgaben effizient abzusichern.

Im Fokus steht die Harmonisierung der Aufbau- und Ablauforganisation sowie die damit verbundene Vereinheitlichung der Maklersoftware – eine zentrale Priorität. Dabei hat es sich bewährt, etablierte Prozesse aus bestehenden Maklerhäusern zu übernehmen und anzupassen, anstatt komplett neue Strukturen zu entwickeln. Ziel ist eine reibungslose Harmonisierung, die weder die Produktivität noch die Kundenzufriedenheit beeinträchtigt.

Flankiert wird diese Standardisierung durch die Einführung einer gemeinsamen Maklersoftware, die als Zielsystem für das übergreifende Betriebsmodell dient. Unternehmen wie MRH Trowe, die Global-Gruppe oder die Helmsauer-Gruppe setzen diesen Ansatz konsequent um.

Allerdings birgt dieser Konsolidierungsprozess auch Herausforderungen und Risiken. Je stärker ein übernommener Makler das Gefühl hat, in größere Strukturen eingegliedert zu werden, desto höher ist die Gefahr, dass er sich nicht mehr als Unternehmer, sondern eher als Angestellter wahrnimmt. GGW geht daher bewusst zurückhaltend mit der Realisierung von Kostensynergien um und legt den Fokus verstärkt auf Wachstumssynergien.

Trotz dieser Strategie ist es gelungen, dass sich seit Beginn 2025 vier prominente Hamburger Industrieversicherungsmakler unter der Marke GGW zu einem Unternehmen zusammengeschlossen haben – ein bemerkenswerter Schritt in der aktuellen Marktentwicklung.

Wachstumssynergien und zukünftige Entwicklungen

Wachstumssynergien zeigen sich in verschiedenen Formen. Einerseits profitieren Gewerbemakler von den Spezialisierungen innerhalb ihrer jeweiligen Gruppen. So kann jeder Makler beispielsweise das Cyber-Versicherungskompetenz-Zentrum nutzen oder auf die Spezialexpertise innerhalb der Gruppe zurückgreifen – etwa im Bereich Brandschutz.

Darüber hinaus entstehen Synergien zwischen dem Firmengeschäft, der Sachversicherung und der betrieblichen Altersvorsorge. Sachversicherungsmakler können zunehmend auch im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge bei ihren Kunden aktiv werden. Dafür sind jedoch zusätzliche Fähigkeiten, Prozesse, digitale Portale und eine Erweiterung der Produktpartner erforderlich.

Es überrascht daher nicht, dass MRH Trowe den auf Altersvorsorge spezialisierten Anbieter Lurse erworben hat, um nach eigenen Angaben unter die Top 3 der Benefits-&-Pensions-Broker in Deutschland aufzusteigen. Ähnliche Überlegungen standen hinter den Übernahmen der pension solutions Group und KlinikRente durch die Ecclesia-Gruppe sowie hinter dem Erwerb von BVUK durch die Summitas-Gruppe.

Während die bisherigen Konsolidierungsaktivitäten vor allem auf Gewerbe- und Industriemakler mit Fokus auf die Sachversicherung ausgerichtet waren, rücken nun zunehmend Makler mit Privatkunden-Schwerpunkt in den Fokus. Diese haben bisher aus Sicht von Industriemaklern nicht die gleiche Bedeutung und Wertschätzung erfahren.

Ein Beispiel für diese Entwicklung ist Ascendia, das Anfang 2025 gegründet und von HG Capital finanziert wurde. Ascendia bietet Versicherungsmaklern, Vertrieben und Verbünden mit Fokus auf Privatkunden und Kleingewerbe eine moderne Plattform. Als erstes Ankerunternehmen wurde in diesem Zusammenhang PMA übernommen. Das erklärte Ziel: der führende Privatkundenmakler in Deutschland zu werden. Vorbild hierfür ist das ebenfalls von HG Capital finanzierte britische Maklerhaus A-Plan, ein Marktführer im Bereich Privatkunden- und Kleingewerbeversicherung.

Ein weiterer Investitionsschwerpunkt der Private-Equity-Firmen liegt auf Maklerpools – Plattformen für selbstständige Makler, die insbesondere im Privatkundengeschäft eine wachsende Rolle spielen. Prominente Beispiele sind der Erwerb von Fonds Finanz durch HG Capital oder blau direkt durch Warburg Pincus. Auch GGW hat das Pool-Geschäft unter dem Namen Wecoya gebündelt und hierfür eine bekannte Branchenpersönlichkeit gewinnen können.

Ein Blick auf die Investitionsstrategie der Private-Equity-Unternehmen zeigt interessante Perspektiven für die Zukunft. HG Capital hält mittlerweile Beteiligungen an den führenden Akteuren in gleich drei Segmenten:

  • dem Maklerpool Fonds Finanz,
  • dem Maklerkonsolidierer GGW
  • sowie dem Privatkundenmakler Ascendia.

Dies eröffnet Potenzial für zukünftige Synergien und eine signifikante Marktpräsenz, insbesondere wenn eine Expansion ins europäische Ausland ins Auge gefasst wird.

Fazit

Angetrieben durch Private-Equity-Investoren wird die Konsolidierung im Maklerbereich weiter voranschreiten. Neue Maklerhäuser und Plattformen mit klaren Wachstums- und Wertsteigerungsperspektiven entstehen. Die Branche steht vor einer spannenden Zukunft – geprägt von Innovation, Synergien und tiefgreifenden strukturellen Veränderungen.

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Hintergrund: Der Gastbeitrag ist zuerst in der Ausgabe 01/2025 des Fachmagazins Versicherungsbote erschienen. Das Magazin kann auf der Versicherungsbote- Webseite kostenfrei abonniert werden.

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