Mit dem Vorschlag, PFAS-Schäden grundsätzlich auszuschließen, gießt der GDV Öl ins Feuer der Debatte um die Ewigkeitschemikalien. Auch wenn die Deckung einzelner, individuell vereinbarter PFAS-Risiken vorgesehen ist, bedeutet die Klausel erstmal den Totalausschluss. Dieser ist nicht nur unverhältnismäßig – er gefährdet auch Vertrauen, Risikodialog und die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Industrie und Versicherungswirtschaft.

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Jörg Bechert, Leiter Haftpflicht D/A bei Willis, einem Geschäftsbereich von WTW.WTWDer richtige Umgang mit PFAS-Risiken ist ein sensibles Thema – ob die EU ihr geplantes Verbot umsetzen wird und welche Folgen das für die Risikoabsicherung hätte, ist noch immer nicht geklärt. Einen gewagten Schritt ist nun der Gesamtverband der Versicherer (GDV) gegangen, indem er eine Ausschlussklausel für die Musterbedingungen veröffentlicht hat. Diese Klausel schließt sämtliche Schäden aus, die mittelbar oder unmittelbar auf PFAS zurückzuführen sind. Zwar sollen Anbieter durch individuelle Vereinbarungen mit den Kunden festlegen, welche Risiken sie zu welchen Konditionen bereit sind zu tragen, doch das Grundprinzip lautet: Ausschluss zuerst, Absicherung später.

Argumente für den Ausschluss nachvollziehbar – aber ungerechtfertigt

Versicherer und GDV begründen diesen Schritt mit dem schwer kalkulierbaren Schadenpotenzial. In den USA führten PFAS-Verunreinigungen bereits zu milliardenschweren Vergleichen von Chemiekonzernen. Verantwortlich waren PFAS-haltige Additive in Feuerlöschschäumen. Die Angst vor ähnlichen Szenarien in Europa ist groß. Ignoriert wird jedoch, dass die Industrie bereits dabei ist, Feuerlöschschäume auszutauschen. Die realisierten Risiken bleiben versichert und die Risikoverbesserung wird mit einem Ausschluss bestraft.

Neben der Gefahr für die Umwelt ist auch die gesundheitsschädigende Wirkung für den Menschen ein häufiges Argument, häufig fällt der Vergleich zu Asbest. Doch diese Analogie hinkt: PFAS bestehen aus mehr als 12.000 Stoffgruppen, von denen bislang nur ein Bruchteil als umwelt- und gesundheitsgefährdend gelten. Selbst die Wissenschaft mag sich dazu noch nicht eindeutig festlegen. Anders als bei Asbest gibt es auch keine PFAS-typische Erkrankung, so dass die Kausalität zur Kontamination schwer zu greifen ist.

Der GDV-Ausschluss schert nun alle Chemikalien über einen Kamm. Selbst PFAS in gebundener Form – etwa als Teflonbeschichtung in der Pfanne – sind vom Ausschluss betroffen, obwohl hier keinerlei Risiko für die Versicherungswirtschaft besteht. Mit dem Ausschluss wird den Kunden auch die Verteidigungsoption durch die Haftpflichtversicherung bei unberechtigten Ansprüchen genommen.

Die Klausel soll darüber hinaus ein Anreiz für Unternehmen sein, sich mit ihren Risiken intensiver auseinanderzusetzen und die Suche nach Substituten fördern. Das Problem: Nicht alle PFAS-Chemikalien lassen sich ersetzen. Wer bestimmte Stoffe also weiterhin nutzen will, muss das Schadenrisiko der Nutzung allein tragen.

Vom Partner zum Gatekeeper?

Die Versicherungswirtschaft macht sich mit diesem Vorgehen zum Gatekeeper. Unternehmen, die mit PFAS arbeiten – etwa in der Medizintechnik, der Halbleiterfertigung oder im Bereich der erneuerbaren Energien – stehen plötzlich vor einem Dilemma: Sie sind auf PFAS angewiesen, erhalten aber keinen standardisierten Versicherungsschutz mehr. Die Industrie wird dadurch zum Bittsteller.

Und nicht nur das: Die Beweislast im Schadenfall verschiebt sich zugunsten der Versicherer. Tritt ein Versicherungsfall auf, muss der Versicherungsnehmer nachweisen, dass dieser im versicherten Zeitraum eingetreten ist und nicht während einer Phase, in der der neue Ausschluss schon galt. Bei langlebigen Chemikalien, deren Effekte sich erst Jahrzehnte später zeigen könnten, ist das ein kaum zu bewältigendes Unterfangen.

Versicherungsschutz soll natürlich nicht die Folgen fahrlässiger oder unsachgemäßer Nutzung abdecken. Doch gerade für Unternehmen, die bereits heute in sichere Verfahren und strenge Kontrollmechanismen investieren, muss ein differenzierter Umgang mit PFAS-Risiken möglich sein.

Der pauschale Ausschluss verkennt, dass nicht jeder Einsatz von PFAS ein Risiko darstellt – und nicht jedes Risiko einen Ausschluss rechtfertigt. Branchenspezifisches Vorgehen für Industrien mit hoher Exponierung gegenüber PFAS-Risiken ist hingegen sinnvoll und bereits seit Jahren gängige Praxis.

Wir brauchen Verantwortung und Differenzierung

Der Vorschlag des GDV signalisiert zwar die Bereitschaft, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen. Er ist jedoch zu undifferenziert und verschiebt die Verantwortung auf die Unternehmen. Das gefährdet die notwendige Vertrauensbasis zwischen der Industrieversicherung und ihren Kunden. Zumal die wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen ohnehin schon für Verunsicherung sorgen. Vielmehr braucht es also eine partnerschaftliche Zusammenarbeit und die Rückendeckung der Versicherer! Nur so lassen sich tragbare Absicherungskonzepte erarbeiten, in denen der Ausschluss nur das letzte Mittel sein sollte.