„Die regelmäßige Arbeit im Homeoffice ist für etwa 25 Prozent der Beschäftigten und 69 Prozent der Unternehmen zur neuen Normalität geworden“, sagt ifo-Forscher Simon Krause. Er ist Co-Autor einer Studie, die das ifo Institut gemeinsam mit dem Immobilienberater Colliers für die Großstädte Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt am Main, Stuttgart und Düsseldorf durchführte. „Viele Firmen setzen auf feste Präsenztage für die persönliche Zusammenarbeit und Homeoffice an den übrigen Tagen. Dieser Arbeitsform gehört die Zukunft, weil sie bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern gleichermaßen eine hohe Akzeptanz erfährt und die notwendige Produktivität ermöglicht“, sagt Krause.

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Doch nicht überall können sich Unternehmen und Mitarbeiter problemlos auf Lösungen verständigen. So beispielsweise in München bei Allianz Re, der Rückversicherungstochter des Allianz-Konzerns. Dort schwelt seit über einem Jahr ein Konflikt zwischen Betriebsrat und Arbeitgeber über die Frage, wer wann wie oft ins Büro zurückkehren muss. Mehrfach musste sich das Arbeitsgericht München mit diesen Fragen beschäftigen (Versicherungsbote berichtete); zuletzt betonte das Landesarbeitsgericht München im Sommer 2023, dass nicht das ‚Ob‘ mobiler Arbeit, sondern nur das ‚Wie‘ der Mitbestimmung des Betriebsrats unterliegt (Az: 8 TaBVGa 6/23).

Zurecht sah sich also der Betriebsrat der Allianz Re übergangen, als die Mitarbeiter nach den ausgelaufenen Corona-Regelungen an einem Tag pro Woche ins Büro zurückbeordert wurden, ohne die bestehende Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2016 mit dem Betriebsrat anzupassen. Die Betriebsvereinbarung aus 2016 sieht vor, dass mobiles Arbeiten in Abstimmung zwischen dem Mitarbeitendem und Vorgesetztem vereinbart wird und der deutlich überwiegende Teil der Arbeitszeit am regelmäßigen Arbeitsplatz geleistet wird. Eine Abweichung davon hätte mit dem Betriebsrat abgestimmt werden müssen, so das Landesarbeitsgericht München.

Ruhe kehrte dennoch nicht in Schwabing ein. So verfasste der Betriebsrat der Allianz Re ein Schreiben (liegt Versicherungsbote vor), das auf laufende Verfahren vor dem Arbeitsgericht München hinweist. In dem Schreiben wird auch Dr. Markus Adams, Betriebsratsvorsitzender der Allianz Re, zitiert: „Die Allianz bietet aktuell ihren Chefs Home Office an. Ich lehne es ab, dass nur Chefs im Home Office bleiben dürfen, während die Tarifangestellten ins Büro gerufen werden. Diese Zwei-Klassengesellschaft lehne ich entschieden ab. Das ist ein Rückfall in die Vergangenheit. Es geht darum, die Willkür in der Allianz zu verhindern, dass z.B. eine Kollegin auf dem Weg zum Kindergarten plötzlich ins Büro befohlen wird. Ich möchte klare und transparente Regeln für alle.“

Den Willen zu solchen klaren und transparenten Home-Office-Regeln betont auch Allianz Re gegenüber Versicherungsbote. Aktuell gilt für die Rückversicherungseinheit der Allianz in Folge des Gerichtsverfahrens die Betriebsvereinbarung aus dem Jahr 2016. Diese sieht vor, dass in Absprache mit der/dem Vorgesetzten der überwiegende Teil der Arbeit aus dem Büro verrichtet wird. „Ziel der Geschäftsführung ist es jedoch, eine Vereinbarung analog der Allianz-Gesellschaften in Deutschland zu finden, die angemessene Flexibilität bietet“, so Allianz Re gegenüber Versicherungsbote. „Verhandlungen zu einer entsprechenden, neuen Betriebsvereinbarung für die Allianz Re führten bisher zu keinem Ergebnis, da wir Forderungen nach 100 % garantiertem Homeoffice als unrealistisch ablehnen. Auch unsere Führungskräfte sind im Büro präsent.“ Konkret bedeutet das: Die Regelung, die für die etwa 20.000 Mitarbeitenden im Verbund der Allianz-Gesellschaften in Deutschland gilt, soll auch für die ca. 120 Mitarbeiter der Allianz Re gelten. Und diese Betriebsvereinbarung sieht vier gemeinsame Präsenztage pro Monat vor. „Weitere Anlässe für Präsenz definiert jedes Team eigenverantwortlich für sich selbst wie beispielsweise die Einarbeitung neuer Kolleg*innen“, so Allianz Re auf Anfrage von Versicherungsbote. Zudem verweist der Versicherer darauf, dass eine Umfrage unter Mitarbeitenden zeigte, dass 90 Prozent mit den Regelungen zum flexiblen Arbeiten zufrieden sind.

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In drei Wochen, am 25. April, wird der Streit zwischen Betriebsrat und Allianz vor dem Arbeitsgericht München (Az: 12 BV 101/23 AG München) fortgesetzt. Es geht um das Hauptsacheverfahren zum Mobilen Arbeiten und ob der Arbeitgeber ohne Einverständnis des Betriebsrates das „Wie“ in der bestehenden Betriebsvereinbarung aus 2016 einfach zu Gunsten der Mitarbeiter abändern kann.

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