Die Alterssicherung in Deutschland ruht auf drei Säulen: Neben den öffentlich-rechtlichen Pflichtsystemen, vor allem der gesetzlichen Rente, und der privaten Vorsorge hat die betriebliche Altersversorgung einen hohen Stellenwert. Nur das Zusammenspiel dieser drei Säulen kann vielen Erwerbstätigen ein auskömmliches Einkommen im Alter sichern, so der Grundgedanke.

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Das Problem: Die betriebliche Altersversorgung ist längst nicht so verbreitet, wie es aus Sicht der Politik notwendig wäre. Laut einer aktuellen Auswertung der Deutschen Clearing-Stelle (DCS), die viele Altersvorsorgeverträge verwaltet, sind Betriebsrenten vor allem bei der jüngeren Generation Mangelware. Nur 3,3 Prozent der Frauen und 5,4 Prozent der Männer im Alter von 18 bis 29 Jahren haben demnach einen Vertrag zur betrieblichen Altersvorsorge. In der mittleren Altersgruppe der 30- bis 42-Jährigen sieht es nicht viel besser aus. Hier sorgt nicht einmal jede zehnte Frau (9,4 Prozent) und nicht einmal jeder vierte Mann (23,8 Prozent) mit einem bAV-Vertrag vor.

Hier sieht die Politik weiteren Handlungsbedarf - und will auch aktiv werden. Das berichtet Rolf Schmachtenberg, Staatssekretär im SPD-geführten Bundesarbeitsministerium. Wie der 64-Jährige auf einer Handelsblatt-Tagung erläuterte, plant die Bundesregierung ein „Betriebsrentenstärkungsgesetz 24“, das bislang nur als unveröffentlichter Referentenentwurf vorliegt. Der Name des Gesetzes kommt nicht von ungefähr: 24 Punkte sind angedacht, um die Betriebsrente attraktiver zu machen. Über die Pläne berichten aktuell der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) und das Fachportal „Versicherungsmonitor“.

Tarifpartnermodell soll geöffnet werden

Ein Kernpunkt der geplanten Reform ist es, das sogenannte Tarifpartnermodell zu fördern. Auch als „Nahles-Rente“ bekannt, sieht das Modell vor, dass Arbeitgeber enthaftet werden und nicht mehr für die Höhe der Betriebsrente einstehen zu müssen. Im Gegenteil: Garantien sind in diesem Modell sogar verboten. Im Gegenzug sollen die Beschäftigten davon profitieren, dass ein höherer Anteil der Beiträge in Aktien, Fonds und andere kapitalmarktnahe Geldanlagen gesteckt werden darf. Das verspricht höhere Renditen, als wenn der Großteil des Geldes -wie bisher- in festverzinsliche Papiere fließt. Auch haben die Arbeitnehmer mehr Mitspracherechte, wie die Gelder angelegt werden.

Die Begeisterung für dieses Modell hält sich aber bisher arg in Grenzen. Bedingung ist, dass sich die Vertreter von Arbeitgebern und Arbeitnehmern - eben die Tarifpartner - auf einen Vertrag einigen. Im Oktober schmetterte die mächtige IG Metall das Sozialpartnermodell ab und beschloss auf ihrem Gewerkschaftstag, dass sie keine Verhandlungen über die „Nahles-Rente“ eingehen will. 2,2 Millionen Arbeiter und Angestellte in der Metall- und Elektroindustrie können folglich einen solchen Vertrag nicht abschließen. Branchenbeobachter sahen darin schon den Todesstoß für diese Vorsorgeform. Wie Schmachtenberg nun berichtet, hält die Bundesregierung aber an der „Nahles-Rente“ fest.

Dafür will die Bundesregierung nun die Rahmenbedingungen verbessern - und das Tarifpartnermodell mehr Beschäftigten zugänglich machen. So soll das Tarifpartnermodell nun auch für nicht tarifgebundene Unternehmen und Freiberufler geöffnet werden. Wie dies konkret ausgestaltet wird, ist bisher offen. „Bei der Öffnung des Modells für nicht tarifgebundene Unternehmen sind wir noch auf der Suche nach einer Regelung“, zitiert der Versicherungsmonitor den Staatssekretär.

Zwar ist es auch heute schon möglich, dass nicht tarifgebundene Unternehmen einem bestehenden Tarifvertrag beitreten, wenn dieser für ihre Branche existiert und sich Arbeitgeberverbände und Gewerkschaften darauf geeinigt haben. Stellt sich aber - wie im Fall der IG Metall - eine große und einflussreiche Gewerkschaft quer, schaut eine ganze Branche in die Röhre. Man darf gespannt sein, welche Lösungen präsentiert werden, damit sich die Unternehmen über das „Nein“ einer Gewerkschaft hinwegsetzen können. Ob das dazu beiträgt, das Tarifpartner-Modell attraktiver zu machen? Die Gewerkschaften stören sich vor allem daran, dass künftig nicht mehr garantiert wird, wie hoch eine Betriebsrente ausfallen wird: und damit die Arbeitnehmer nicht wissen, mit welcher Zusatzrente sie rechnen können.

Aus Sicht von Staatssekretär Schmachtenberg stehen die Perspektiven für das Tarifpartner-Modell aber nicht schlecht. Der Grund: Aktuell gibt es, fünf Jahre nach Einführung, erste funktionierende Modelle in der Praxis. „Der Knoten ist jetzt durchgeschnitten“, zitiert ihn „Versicherungsmonitor“. Konkret bietet die Chemie- und Bergbaubranche sowie das Unternehmen Uniper eine „Nahles-Rente“ an.

Auch eine Betriebsrenten-Pflicht ist denkbar

Laut GDV sind weitere Maßnahmen geplant, um Betriebsrenten attraktiver zu machen. Zwar lehne es Staatssekretär Schmachtenberg ab, von einer „großen Reform“ zu sprechen, er sehe vielmehr eine Verbesserung der Rahmenbedingungen. Dennoch seien zahlreiche Maßnahmen geplant: immerhin, wie bereits geschrieben, 24 an der Zahl.

Hierzu zähle beispielsweise der Wegfall von Hinzuverdienstgrenzen und der Anspruch auf einen bAV-Bezug auch bei Erhalt nur einer gesetzlichen Teilrente. Nach § 6 Betriebsrentengesetz (BetrAVG) hat ein Arbeitnehmer nur dann Anspruch auf eine Betriebsrente, wenn er die Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung als Vollrente in Anspruch nimmt. Beim Überschreiten der Hinzuverdienstgrenzen wird er aber zum Teilrentner und kann im schlimmsten Fall in dieser Zeit den Anspruch auf Betriebsrente verlieren - abgesehen von weiteren rechtlichen Problemen. Je nach Satzung des Trägers kann es zu Kürzungen oder sogar zum Ruhen der Betriebsrente kommen, wie die Deutsche Rentenversicherung (DRV) informiert. Hier sollen folglich Hürden abgebaut werden, die einen flexiblen Übergang vom Berufsleben in den Ruhestand auch mit Blick auf die Betriebsrente behindern.

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Und wenn die geplanten Maßnahmen nicht greifen? Schließlich zielte auch das Betriebsrentenstärkungsgesetz von 2018 darauf, den Betriebsrenten zum Durchbruch zu verhelfen - ohne den gewünschten Erfolg. Sollte sich auch mit den nächsten Verbesserungen die bAV nicht wie erhofft durchsetzen, steht langfristig auch eine betriebliche Vorsorgepflicht im Raum, berichtet der GDV. Laut Staatssekretär Schmachtenberg sei das eine „Gedankenfigur“, die das Bundesarbeitsministerium nicht ausschließe. Denn das langfristige Ziel der Politik sei nicht weniger als eine vollständige Marktdurchdringung. „Wir halten eine flächendeckende bAV für notwendig“, wird Schmachtenberg zitiert.

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