Stockpicking, also das gezielte Investieren in einzelne, börsennotierte Unternehmen, ist der Prozess der Auswahl einzelner Aktien zum Investieren basierend auf verschiedenen Kriterien wie fundamentalen Analysen, technischen Analysen, Markttrends und anderen Faktoren. Es handelt sich um einen wichtigen Aspekt des aktiven Investierens, bei dem Anleger versuchen, den breiteren Markt durch die Auswahl von Aktien zu übertreffen, von denen sie glauben, dass sie sich über einen bestimmten Zeitraum gut entwickeln werden.

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Harald Sporleder ist Chief Investment Officer der Fondsboutique Lingohr & Partner Asset Management

Zum erfolgreichen Stockpicking gehört zunächst die Fundamentalanalyse. Hierbei werden die Finanzdaten eines Unternehmens wie Gewinn, Umsatz, Cashflow, Verschuldung und andere wichtige Kennzahlen analysiert, um seine allgemeine Gesundheit und sein Wachstumspotenzial zu bewerten. Ebenso wichtig ist die technische Analyse. Dieser Ansatz beinhaltet die Untersuchung historischer Preis- und Handelsvolumendaten, um Muster, Trends und potenzielle Ein- und Ausstiegspunkte für Aktien zu identifizieren. Auch die Überwachung von Markttrends, Anlegerstimmung und makroökonomischen Faktoren kann Anlegern helfen, Marktbewegungen vorherzusagen und entsprechend Aktien auszuwählen.

Value-Investoren suchen aktiv nach unterbewerteten Aktien

Besonders im Value Investing ist das Stockpicking ein wichtiger Vorgang. Das Value Investing versteht die Aktie in ihrer ursprünglichsten Funktion als verbrieften Anteil an einem Unternehmen, an dessen Kapital und Wachstum man langfristig teilhaben kann. Es geht nicht um das Verständnis als kurzzeitiges Spekulationsobjekt. Value Investing ist somit eine Anlagestrategie, bei der Aktien ausgewählt werden, die unter ihrem inneren Wert oder Buchwert gehandelt werden. Value-Investoren suchen aktiv nach Aktien, von denen sie glauben, dass der Aktienmarkt sie unterbewertet, und verwenden Finanzanalysen, folgen nicht der Herde und sind langfristige in Qualitätsunternehmen investiert.

Kern eines wertorientierten und systematischen Investmentansatzes ist ein individueller Aktienauswahlprozess, der quantitatives Aktienscreening mit fundamentaler Beurteilung aller Kaufkandidaten durch einen Portfoliomanager kombiniert. Im Mittelpunkt stehen die Identifikation und Auswahl unterbewerteter Aktien, die den Check durch vier verschiedene Segmente-/Sektor-Modelle bestehen müssen. Die Portfoliomanager leuchten den toten Winkel aus, den alle quantitativen Modelle zwangsläufig besitzen. Bei den Faktormodellen stehen in erster Linie die Cashflows der Unternehmen im Fokus und zusätzliche relevante Kennziffern wie KGV, Dividendenrendite, Umsatz- und Ertragsmomentum sowie Verschuldungsgrad. Wesentlicher Bestandteil ist eine breite Diversifizierung und Gleichgewichtung der ausgewählten Einzeltitel, um Klumpenrisiken zu vermeiden.

Margin of Safety als wichtiger Grundsatz

Die gründliche Fundamentalanalyse, um den inneren Wert eines Unternehmens zu bestimmen, unterstützt den langfristigen Ansatz der Value-Investoren. Sie sind bereit, geduldig zu sein und auf eine Wertsteigerung im Laufe der Zeit zu warten, wenn der Markt den wahren Wert des Unternehmens erkennt. Damit stellen sie auch eine Unabhängigkeit vom Marktgeschehen her. Value-Investoren sind weniger von kurzfristigen Marktschwankungen beeinflusst. Sie setzen darauf, dass der Markt langfristig den wahren Wert eines Unternehmens erkennen wird, unabhängig von vorübergehenden Stimmungsschwankungen.

Ein wichtiger Grundsatz des Value Investing ist daher auch die Schaffung einer Sicherheitsmarge, der sogenannten Margin of Safety. Die Margin of Safety bildet den Unterschied zwischen dem Preis eines Vermögenswertes und seinem inneren Wert ab. Das bedeutet, dass ein Investor eine Aktie zu einem Preis kaufen sollte, der deutlich unter dem berechneten inneren Wert liegt. Diese Marge bietet einen Puffer gegen unvorhergesehene Ereignisse oder Unsicherheiten.

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Konsequentes Stockpicking eröffnet unerwartete Renditepotenziale

Ein Beispiel für Value-Stockpicking sind bestimmte europäische Banken. Generell konnte sich der europäische Bankensektor bisher nicht richtig von der Krise der US-amerikanischen Banken erholen, obwohl in Europa die Qualität der Titel und auch die Regulierung auf einem viel höheren Niveau angesiedelt ist. Ausnahmen bestätigen diese Regel. Ein Titel wie die Unicredit hat sich seit Jahresanfang schrittweise an das Performance-Level US-amerikanischer Technologiewerte angenähert. Die italienische Großbank und Holding von Finanzdienstleistungsunternehmen steht seit Jahresanfang mit rund 60 Prozent im Plus und auf Sicht der vergangenen zwölf Monate mit beeindruckenden 117 Prozent. Das ist ein positiver Ausreißer in einem Sektor, der sich in Europa nicht behaupten konnte – und die Auswahl eines solchen Titels belegt die Bedeutung systematischen Stockpickings in einem volatilen und dynamischen Umfeld.

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