In dem verhandelten Rechtsstreit hatte ein ehemaliger Vorarbeiter in einem technischen Labor geklagt, der aufgrund einer koronaren Herzerkrankung nicht mehr in der Lage war, seinen Beruf in Wechselschicht auszuüben. Er hatte unter anderem bereits einen Herzinfarkt erlitten. Ein ärztlicher Gutachter hatte bestätigt, dass bei Wiederaufnahme seiner bisherigen Tätigkeit ein erneuter Herzinfarkt drohe und die Erkrankung zudem rasch fortschreiten könne. Der Mann war über einen „Kollektivversicherungsvertrag“ versichert, den der Arbeitgeber unterhielt - und der ihm eine monatliche Rente von 1.200 Euro gewähren sollte.

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Doch der Berufsunfähigkeitsversicherer wollte nicht zahlen. Im November 2019 wurde dem Mann, der seit Sommer 2018 aus dem Berufsleben ausgeschieden war, mitgeteilt, dass kein Anspruch auf eine BU-Rente bestehe. Dabei berief sich der Versicherer auf die „Aufnahme einer konkreten Verweisungstätigkeit“ des Mannes bei seinem Arbeitgeber, die einige Monate zuvor erfolgt sei. Der Hintergrund: Mit einer konkreten Verweisung kann der Versicherer die Zahlung der BU-Rente verweigern oder einstellen, wenn die versicherte Person freiwillig eine neue Tätigkeit aufgenommen hat, die mit dem bisherigen Beruf vergleichbar ist. Eine Begründung, warum die neue Tätigkeit mit der alten vergleichbar sein soll, blieb der Versicherer jedoch schuldig.

Neuer Beruf bedeutet nicht die gleiche soziale Wertschätzung

Der frühere Vorarbeiter klagte gegen den Versicherer: mit Erfolg. Zum einen habe der Mann seinem Versicherer bereits erfolgreich nachweisen können, dass die Fortsetzung der früheren Tätigkeit als Vorarbeiter in Wechselschicht für ihn unzumutbar sei. Zum anderen aber habe der Versicherer keinen Nachweis erbringen können, weshalb er meine, den Versicherungsnehmer auf diesen anderen Beruf verweisen zu können. Denn dazu gehöre auch, dass der Versicherer die nach seiner Sicht vergleichbare Wertschätzung zumindest ansatzweise begründe, so hob der 5. Zivilsenat des Saarländischen Oberlandesgerichtes hervor.

Das Gericht betonte, dass die frühere Tätigkeit des Klägers als Vorarbeiter mit Führungsaufgaben verbunden gewesen sei: zum Beispiel dem Einweisen von Fachkräften, der Überwachung von deren Arbeiten und der Durchführung der Qualitätskontrolle. Diesen Status habe er bei seiner neuen Tätigkeit nicht, da er nun nur noch Aufträge erfasse, prüfe und an Vorarbeiter weiterreiche, ohne hierbei Führungsbefugnisse zu haben. Von einer vergleichbaren sozialen Wertschätzung könne daher keine Rede sein, denn diese muss auch frühere Führungsaufgaben berücksichtigen.

Dabei gaben die Richter dem Versicherer auch einen Rüffel mit. "Insbesondere die Behauptung, die Tätigkeit wahre den wirtschaftlichen und sozialen Status des Klägers, schwebt ohne jede nähere Erläuterung anhand von konkreten Umständen frei im Raum; die Motivation der Beklagten wird dadurch nicht nachprüfbar erläutert. Das genügt nicht, um in formal ordnungsgemäßer Hinsicht die Leistungen – auch im Rechtsstreit – einzustellen", mahnte das OLG. Der Versicherer habe folglich keinen Nachweis erbringen können, dass die neue Tätigkeit des Mannes seiner bisherigen Lebensstellung in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht entspreche, "weil davon ausgegangen werden muss, dass jedenfalls die soziale Wertschätzung der neuen Tätigkeit unter dem Niveau des bislang ausgeübten Berufes liegt".

Nach einem dreijährigen Rechtsstreit wurde der Versicherer nun verpflichtet, die Berufsunfähigkeitsrente und die außergerichtlichen Anwaltskosten des Mannes inklusive Zinsen zu übernehmen. Der Streitwert wurde auf 81.339,- Euro festgesetzt, eine Revision nicht zugelassen.

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