Gerne werden die Nachhaltigkeitsabsichten ins Feld geführt und auf den Wandel bei den Kapitalanlagen bis 2050 hingewiesen. Bei genauerer Betrachtung fehlen dem kritischen Betrachter allerdings häufig die Worte. Ein Versicherer bekennt sich auf seiner Homepage zur nachhaltigen Kapitalanlage und stellt diese in den Fokus der Weiterentwicklung. Wenn man weiterliest, findet man die wenig konkrete Aussage: „[…] Darüber hinaus reduzieren wir Investitionen in Unternehmen, die einen Umsatzanteil von mehr als 20 Prozent in Kernkraft oder fossilen Brennstoffe haben sowie Bohrungen in der Arktis oder Erforschungen dafür betreiben.“ Das ist alles? Wo ist hier der Fokus? Diese Ankündigung ist schon erfüllt, wenn das Unternehmen auch nur eine einzige Aktie von BP verkauft.

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Beim Investmentfonds „UniNachhaltig Aktien Deutschland“ dürfte man nicht überraschend vermuten, dass es sich hier um einen Fonds handelt, der nachhaltig investiert. In den Fondsbeschreibungen findet sich folgende Passage: „Werden mit diesem Finanzprodukt nachhaltige Investitionen angestrebt?“ Die Antwort: „NEIN. Es werden damit ökologische/soziale Merkmale beworben, obwohl keine nachhaltigen Investitionen angestrebt werden…“. Wie bitte?! Das kann doch nicht deren Ernst sein.

Im „Allianz Global Sustainability Fonds“, der ebenfalls Nachhaltigkeit und Interesse am Fortbestand unserer Art suggeriert, finde ich unter den Top-Ten-Aktien des Fondsbestandes unter anderem Shell. Ein Unternehmen der Mineralölindustrie, die seit Jahrzehnten durch eigene Studien von den Folgen des Verbrennens fossiler Energieträger weiß und bis heute versucht, diese Konsequenzen zu verniedlichen, Politiker bestochen hat, um den Klimawandel zu leugnen und ganz sicher bis zum letzten Tropfen Öl alles aus der Erde fördern wird, was sich irgendwie zu Geld machen lässt.

Da können die Fondsmanager noch so viel davon reden, dass man die großen Industrien bei der ökologischen Transformation begleiten muss. Es bleibt schlicht und ergreifend eine massive Irreführung der Anleger und moralisch höchst bedenklich.

Vorstände und Entscheider unserer Branche müssen in Sachen Klimawandel etwas tun, das nicht dem üblichen Handeln ihrer Gattung entspricht. Sie müssen Entscheidungen treffen, die eine Zeitspanne über ihre Verantwortungsperiode hinaus betreffen. Leider hat das keinen Einfluss auf die Boni Zahlungen des Vorjahres. Hier geht es um mehr. Es reicht nicht aus, einen ESG-Beauftragten zu beschäftigen, der mit blumigen Worten die halbseidenen Absichten der Unternehmen im ökologischen Glanz erstrahlen lässt. Wir brauchen mutige Charaktere, die voran gehen und endlich die Lenkungswirkung des Kapitals der deutschen Versicherer verantwortungsvoll im Sinne der kommenden Generationen in die Hände nehmen. Wer in Coca Cola, den größten Plastikmüll-Produzenten der Erde, investiert, darf sich nicht über die Verunreinigung von Meeren und Stränden beklagen. Wem Absichtserklärungen von Weltkonzernen wie Microsoft ausreichen, die demnächst eventuell die historisch getätigten Kohlenstoff-Emissionen des Unternehmens kompensieren wollen und mit einer Pole Position im Portfolio belohnt, hat die Chance auf eine durchgreifende Change Mentalität verpasst. Unternehmen wie Die Bayerische mit der Tochtergesellschaft Pangaea Life zeigen, dass es geht. Anlegerinteressen, Rendite und Verantwortung passen zusammen. Dazu Vorstände, die nicht nur vorlesen, sondern auch vorleben.

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Im letzten Jahr war ich Gast auf einer Veranstaltung, auf der ein Vorstandsmitglied eines Branchenriesen mitteilte: „Eine 3-4 Grad wärmere Erde ist nicht versicherbar“. Wenn uns der Aufruf zehntausender Wissenschaftler und Klimaforscher, die Ende 2019 vor den dramatischen Folgen zögerlichen Handelns in Sachen Klimaschutz gewarnt und zu sofortigem Handeln aufgefordert haben, noch nicht ausreicht, um konsequent und ernsthaft zu agieren, dann sollte es zumindest der egoistische Überlebenswille der Versicherungsbranche sein. Nehmt die Krise als solche an und handelt konsequent. Wenn der Mensch im Mittelpunkt des Handelns steht, wie es beinahe jedes Unternehmen der Assekuranz von sich behauptet, dann gehört dazu auch, diese mit allen der Branche zur Verfügung stehenden Maßnahmen und Mitteln vor den Auswirkungen jahrzehntelanger Ignoranz und wachstumsgetriebenen Investitionen auf Kosten der Umwelt und des Klimas zu schützen. Unsere Branche, die hundert Jahre an der Ausbeutung des Planeten verdient und die Folgen verdrängt hat, muss sich entscheiden, ob sie sich auf Nachhaltigkeitskongressen der Branche gegenseitig für das grüne Marketing feiern oder endlich konsequent handeln möchte. Dazu gehört dann am Ende auch, dass Vorstände den Jet stehen lassen, sich über das schlechte W-Lan in der Bahn beklagen und trotzdem einsteigen.

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