Der Bundesrat hat sich vor wenigen Wochen einstimmig für eine Pflichtversicherung gegen Elementarschäden ausgesprochen. Das überrascht nicht. Schließlich sind die Katastrophen der Vergangenheit auch für die Länder immer teurer geworden. Mit ihrem Vorstoß schieben die Länderchefs aber vor allem den schwarzen Peter weiter. Und am Ende zahlen die Endverbraucherinnen und -verbraucher.

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Martin Gräfer ist Mitglied des Vorstandes der Versicherungsgruppe die Bayerische und Vorstandsvorsitzender der BA die Bayerische Allgemeine AG, die Komposit-Gesellschaft der Gruppe.Versicherungsgruppe die Bayerische

Pflichtversicherung für Elementarschäden. Dieses Damoklesschwert schwebt seit langem über der gesamten Branche. Nach der Katastrophe im Ahrtal wurde der Ruf laut. Lange wurde diskutiert. Nun hat der Bundesrat vor wenigen Wochen ein deutliches Zeichen gesetzt. Einstimmig votierte die Länderkammer für die Einführung der Pflichtversicherung. Und setzt damit die Bundesregierung unter Zeitdruck, das Thema schneller voranzutreiben.

Der Vorstoß des Bundesrates kommt nicht unerwartet. Schließlich sind die Flutkatastrophen für die Länder immer teurer geworden. 30 Milliarden Euro - so hoch ist der Hilfsfonds, den die Länder für das Hochwasser 2021 aufgelegt haben. Mitfinanziert durch Bundes- und EU-Mittel. Von denen aber auch ein Teil zurückgezahlt werden muss.

Die Länder sind immer weniger bereit, für die Hochwasserschäden aufzukommen. Bayern zum Beispiel verschärft die Regeln seiner Hochwasserhilfe. Künftig wird niemand mehr entschädigt, der einen Hochwasserschaden erleidet und sich hätte versichern können.

Was wir jetzt erleben, ist der Beginn einer Diskussion, die noch kommende Generationen beschäftigen wird: Wer kommt für die Folgen eines sich stark verändernden Klimas auf?

Die Pflichtversicherung ist eine Nebelkerze – doch wie lange brennt sie?

Nun soll also die Versicherungspflicht das Problem lösen. Und das möglichst schnell. Die Nebelkerze ist gezündet. Immerhin ist es mit dieser Initiative gelungen, den Fokus klar auf den Bereich der Pflichtversicherung zu lenken. Ein umfassender Versicherungsschutz allein wird jedoch die großen Herausforderungen des Hochwasserschutzes nicht lösen können. Häufig werden Maßnahmen der Hochwasservorsorge vernachlässigt. Also die Perspektive, wie kann ich Hochwasser möglichst effektiv verhindern.

Das ist meines Erachtens eine kurzsichtige Politik. Statt im Vorfeld darüber zu streiten, wer die zukünftigen Kosten zu tragen hat, sollte der erste und entscheidende Ansatz sein, diese Kosten gar nicht erst entstehen zu lassen. Und die Bürgerinnen und Bürger durch wirksame Maßnahmen zu schützen.

Spätestens bei der nächsten Flut, wenn wir merken, dass viele Frühwarnsysteme noch fehlen. Deiche und Schutzwände fehlen. Renaturierungen ausbleiben, werden wir feststellen, dass der Ruf nach mehr Versicherungsschutz eine Kerze war, die uns geblendet hat. Und die wirklichen Maßnahmen vergessen ließ.

Versicherungsschutz ist in vielen Risikogebieten nicht das drängendste Problem. Nehmen wir Baden-Württemberg, einen der großen Initiatoren des Vorhabens: Über 90 Prozent der Immobilienbesitzer:innen im Ländle sind bereits gegen Elementarschäden versichert - freiwillig.

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Und auch in Ländern mit einer niedrigeren Quote ist mit einem Anstieg zu rechnen. Bei den meisten Versicherern – so auch bei der Bayerischen – sind Elementarschäden bereits in die Wohngebäudeversicherung integriert. Aus der Beratung wissen wir auch: Die Menschen sind in den letzten Jahren vorsichtiger geworden – sie fragen Produkte in diesem Bereich aktiv nach.

Je mehr wir die Realität ignorieren, desto teurer wird sie

Bund und Länder müssen alles tun, um die Kommunen bei einem wirksamen Hochwasserschutz zu unterstützen. Dazu gehört zum einen die finanzielle Unterstützung. Viele Kommunen sehen sich in jüngster Zeit mit stetig steigenden Kosten in ihren Gemeinden und Städten konfrontiert. Als Beispiele seien hier nur die Integration von Flüchtlingen oder die jüngste Tarifrunde im öffentlichen Dienst genannt. Solche Kostenstellen gibt es viele. Da droht die Hochwasservorsorge wieder einmal ins Hintertreffen zu geraten.

Beispiele dafür, wie stark die Kommunen belastet sind, gibt es zahlreiche: Die Stadt Filderstadt muss für den Bau ihrer Schutzmauer nun rund 75.000 Euro mehr aufbringen als ursprünglich veranschlagt. Eine hohe Belastung für die kleine Stadt bei Stuttgart. Eine Soforthilfe von Land oder Bund wäre hier gut angelegtes Geld. Denn im Katastrophenfall könnte sich die vergleichsweise geringe Investition schnell bezahlt machen. Und viele Menschen schützen.

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Denn eines ist sicher: Die nächsten Überflutungen werden kommen, da sind sich die Expert:innen einig. Wenn wir jetzt Zeit mit der Vorsorge verlieren, werden sich die Schäden weiter vervielfachen. Das werden langfristig auch die Menschen zu spüren bekommen, die bereits gegen Elementarschäden versichert sind. Wenn die Prävention ausbleibt und die Schäden dadurch größer werden, müssen viele Menschen damit rechnen, dass die Policen teurer werden und damit die Kosten dauerhaft steigen.

Viele politische Umstände ungeklärt

Mit drei Landtagswahlen in diesem Jahr und drei weiteren im Jahr 2024 steht die Politik unter Druck. Dennoch ist das Thema Pflichtversicherung zu komplex, um es auf Wahlplakaten an den Straßenrand zu heften.

Zum Beispiel, wie eine solche Versicherung europarechtlich zu behandeln wäre. Wenn beispielsweise eine hohe Selbstbeteiligung verlangt würde, könnte die Unzufriedenheit mit dieser Art von Versicherung steigen.

Ich plädiere sehr dafür, die Einführung einer solchen Versicherung zu überdenken. Oder zumindest gut mit allen Beteiligten abzustimmen. Auch das vom GdV vorgeschlagene Konzept zum Opt-Out-Verfahren bedarf einer genauen gesetzlichen Abstimmung.

Das Thema ist zu ernst und betrifft zu viele Einzelschicksale, als dass es sich für einen Schnellschuss der Politik eignen würde. Wichtig wäre - gerade auch bei der Opt-Out-Option - eine umfassende Aufklärung. Den Menschen deutlich zu machen, welche Möglichkeiten und Vorteile sie mit einem umfassenden Versicherungsschutz haben.

Prävention Hochwasserschutz: Jeder hat einen Job und muss diesen erledigen

Beim Hochwasserschutz sind alle gefordert. Die Politik muss die Rahmenbedingungen schaffen, damit wir die Auswirkungen solcher Katastrophen zumindest begrenzen können. Die Menschen müssen sich individuell um ihren Schutz und den Schutz ihres Eigentums kümmern. Wir Versicherer sind gefordert, ihnen den bestmöglichen Schutz zu bieten und die Menschen richtig zu informieren.

Wichtig ist, dass wir uns dieser Aufgabe stellen. Dass wir keine Nebelkerzen werfen. Dass wir den Menschen keine falschen Versprechungen machen und sagen, mit der Pflichtversicherung ist alles gut. Das mag wie eine Phrase klingen: Der Klimawandel stellt uns alle vor große Herausforderungen. Und zwar langfristig. Es ist an der Zeit, dass wir sie gemeinsam strategisch angehen.

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