Wie viel gemeinsames Engagement gegen Klimasünder erlaubt das Wettbewerbsrecht? Diese Frage stellt sich angesichts eines aktuellen Falles. Demnach hat die Munich Re, einer der weltweit größten Rückversicherer, ihre Mitgliedschaft in der sogenannten Net-Zero Insurance Alliance (NZIA) beendet. In dieser von den Vereinten Nationen ins Leben gerufenen Gruppe haben sich 29 Erst- und Rückversicherer zusammengeschlossen, um ihre Versicherungsportfolios bis 2050 auf Netto-Null-Treibhausgasemissionen auszurichten. Dazu werden Zwischenziele definiert und die Versicherer berichten jährlich, welche Maßnahmen sie umgesetzt haben.

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Verhindert Wettbewerbsrecht das Erreichen von Klimazielen?

Ausgetreten ist die Munich Re aber nicht etwa, weil sie die Klimaziele nicht teilt. Vielmehr sind kartellrechtliche Bedenken der Auslöser, wie der Versicherer in einem Pressetext schreibt. „Die Möglichkeiten, im kollektiven Schulterschluss der Versicherungsindustrie weltweit Dekarbonisierungsziele zu verfolgen, ohne materielle Kartellrechtsrisiken einzugehen, sind nach unserer Einschätzung so begrenzt, dass es wirksamer ist, unsere Klimaambition zur Reduktion der globalen Erderwärmung selbstständig als Unternehmen weiterzuverfolgen“, sagt Joachim Wenning, CEO der Munich Re.

Die Munich Re reagiere mit ihrem Austritt möglicherweise auf einen Hinweis der britischen Wettbewerbsaufsicht CMA, berichtet das „Handelsblatt“. Demnach habe sich die NZIA bereits 2021 an die Behörde gewandt, weil sie ein Spannungsverhältnis zwischen Nachhaltigkeits-Initiativen und Wettbewerbsrecht ausgemacht habe. Die Initiative beantragte Ausnahmegenehmigungen, die - so legt es der aktuelle Vorgang nahe - nicht erteilt wurden.

Rückversicherer beklagen steigende Schadenkosten

Die Rückversicherer machen selbst immer wieder darauf aufmerksam, dass sie die negativen Folgen des Klimawandels direkt zu spüren bekommen. Der Grund: Extremwetterereignisse würden verstärkt auftreten und die Schadenkosten in die Höhe treiben.

Entsprechend warnt auch Munich Re auf der hauseigenen Webseite davor, die Risiken des Klimawandels zu unterschätzen. "Das Jahr 2020 war das zweitwärmste bisher und setzte eine Serie fort: Die 19 Jahre seit 2002 zählen zu den 20 wärmsten Jahren seit Beginn der Aufzeichnungen“, heißt es dort. Der weltweit tätige Rückversicherer zählt mögliche Folgen auf: vermehrte Dürren in Teilen der Welt, das verstärkte Auftreten von Waldbränden, Monsune, schwere Gewitter und Tornados.

Doch Gegenwind gibt es auch auf dem Heimatmarkt: zum Beispiel von den eigenen Versicherungsnehmern. Der Gesamtverband der versicherungsnehmenden Wirtschaft (GVNW) beklagte vor zwei Jahren, dass die Versicherer zu schnell und zu aktivistisch agierten: und nahm dabei auch die Net-Zero Owner Alliance ins Visier. Die Unternehmen müssen fürchten, für bestimmte klimaschädliche Technologien keinen Versicherungsschutz mehr zu finden. Auch als Investor haben die Versicherer Einfluss.

Die Versicherer machen keinen Hehl daraus, dass sie mit ihrer Zeichnungs- und Anlagestrategie auch Druck auf die Unternehmen ausüben, nachhaltiger zu werden. "Wir wollen die Transformation zu einer CO2-armen Wirtschaft mit unserer Anlagepolitik aktiv vorantreiben", sagte Andreas Lindner, Chefanleger der Allianz Leben, ebenfalls 2021. Folglich haben sich der NZIA fast alle bedeutenden Marktakteure der Versicherungsbranche angeschlossen. Die Allianz ist zum Beispiel dabei, die französische Axa, die italienische Generali und die Swiss Re. Für die Net-Zero Insurance Alliance bedeutet der Austritt der Munich Re einen herben Rückschlag.

Die Munich Re will trotz ihres Austritts aus der Allianz an ihren Klimazielen festhalten. Laut Pressetext des Versicherers sind folgende Schritte geplant:

  • In der Kapitalanlage finanzierte Treibhausgasemissionen werden in einem ersten Schritt bis Ende 2025 um 29 Prozent reduziert, ehe sie bis zum Jahr 2050 auf Netto-Null sinken.
  • Im Bereich Öl- und Gasförderung sowie -exploration (Erstversicherung sowie direktes und fakultatives Rückversicherungsgeschäft) senkt Munich Re ihre klimarelevanten zurechenbaren Treibhausgas-Emissionen bis 2050 auf Netto-Null. Im ersten Schritt strebt Munich Re bis 2025 eine Reduzierung dieser Emissionen um fünf Prozent an. Von April 2023 an werden keine neu erschlossenen Öl- und Gasfelder mehr versichert, ebensowenig der Ferntransport und die Aufbereitung von Öl (Midstream). Die Exponierung bei thermischer Kohle im direkten und fakultativen Versicherungsgeschäft wird gruppenweit in einem ersten Schritt um 35 Prozent bis zum Jahr 2025 reduziert, ehe sie bis zum Jahr 2040 auf null sinken soll. Seit 2018 versichert Munich Re keine neuen Kohlekraftwerke/-minen und seit 2019 keine Ölsand-Anlagen mehr.
  • Im eigenen Betrieb ist Munich Re nach eigenen Angaben seit 2015 klimaneutral und hat die CO2-Emissionen pro Mitarbeiter seit 2009 bereits um 44 Prozent gesenkt. Die verbliebenen CO2-Emissionen sollen um weitere zwölf Prozent je Mitarbeiter bis zum Jahr 2025 sinken. Bis Jahr 2030 sollen die CO2-Emissionen des eigenen Betriebs auf Netto-Null reduziert sein.

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