„Erst in der zweiten Hälfte der 2020er-Jahre wird der Satz leicht ansteigen“, sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) vor wenigen Tagen im Interview mit dem ‚RedaktionsNetzwerk Deutschland‘ (Versicherungsbote berichtete). Auch danach solle ein „zu starker Anstieg“ vermieden werden. Ganz ähnlich äußerte sich nun die Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung, Gundula Roßbach, ebenfalls im RND-Interview. Sie rechne damit, dass die Rentenbeiträge in der mittelfristigen Perspektive bei unter 20 Prozent liegen werden. Doch gleich im Folgesatz machte Roßbach deutlich, an welcher Stellschraube die Politik ansetzen könnte: „Die weitere Entwicklung des Beitragssatzes wird aber vor allem auch davon abhängen, ob und in welcher Höhe die Bundesregierung das Rentenniveau für die Zeit nach 2025 festlegt – also, wie das Verhältnis zwischen der Standardrente und dem Durchschnittseinkommen sein wird.“

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Um den Beitragssatz nach 2030 stabil zu halten, setzt Heil vor allem auch auf die Pläne von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). „Je mehr Geld der Finanzminister vernünftig und langfristig im Generationenkapital anlegt, desto höher sind später die Erträge, um die Beiträge zu dämpfen“, so Heil.

Diese Zuversicht teilt Roßbach nur bedingt: „Wenn das Ziel des Generationenkapitals ist, ab Mitte der 2030er-Jahre die Rentenversicherung und die Beitragszahler signifikant zu entlasten, dann bräuchte es allerdings ein deutlich höheres Kapital als 10 Milliarden Euro.“ Allein in diesem Jahr erwartet die DRV Ausgaben von mehr als 370 Milliarden Euro.

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Mehr Einigkeit zwischen Heil und Roßbach besteht beim Thema ‚schnelle Teilhabe am Arbeitsmarkt‘. Heil verwies darauf, dass es derzeit fünf Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftigte mehr in Deutschland gebe, als vor zehn Jahren vorausberechnet. Roßbach sagte, dass Flüchtlinge, die sozialversicherungspflichtig in Deutschland arbeiten, natürlich mit ihren Beiträgen zu Mehreinnahmen der Rentenversicherung beitragen. Sichtbar sei das insbesondere bei Menschen aus der Ukraine, die aufgrund von Sonderregelungen früher in den Arbeitsmarkt gehen dürften. Roßbach begrüßte vor diesem Hintergrund das Bemühen der Regierung, Einstiegs-Hürden in den Arbeitsmarkt für zugewanderte Menschen abzubauen.

Renteneintrittsalter: Derzeit kein Handlungsbedarf

Dass die DRV das Jahr 2022 mit einem Plus von 3,4 Milliarden Euro abschließen konnte, erkläre sich vor allem durch den robusten Arbeitsmarkt. Ein weiterer wichtiger Aspekt für die Finanzlage der Deutschen Rentenversicherung seien Einnahmen aus freiwilligen Beiträgen. Die seien im Vergleich zum Vorjahr um 29 Prozent auf 1,9 Milliarden Euro gestiegen. Wesentlicher Treiber waren dabei Beiträge, die zum Abkauf von Abschlägen bei vorzeitigen Rentenbeginn gezahlt wurden. „Hier haben wir im vergangenen Jahr ein Plus von 45 Prozent im Vergleich zu 2021 verzeichnet“, so Roßbach.

Beim Renteneintrittsalter sieht Roßbach „zum jetzigen Zeitpunkt keinen Handlungsbedarf“. Das tatsächliche Renteneintrittsalter liege derzeit bei 64,1 Jahren. Bis 2031 steigt die Regelaltersgrenze auf 67. „Was als abschlagsfreie Rente ab 63 eingeführt wurde, wächst im gleichen Zeitraum zur Rente ab 65 Jahren auf“, so die DRV-Präsidentin. Es müsse beobachtet werden, ob die Menschen später in Rente gehen oder Abschläge in Kauf nehmen. Je nach Entwicklung sollten die politischen Entscheidungen diesbezüglich getroffen werden.

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Weitaus weniger geduldig zeigte sich die Rentenchefin mit Blick auf Selbstständige. „Das Risiko von Selbstständigen, im Alter in der Grundsicherung zu landen, ist deutlich größer als bei abhängig Beschäftigten“, so Roßbach. Eine so große Personengruppe könne nicht ohne obligatorische Altersvorsorge bleiben. Roßbach baut darauf, dass die Bundesregierung noch in dieser Legislaturperiode eine Altersvorsorgepflicht einführt. Dabei sei wichtig, dass die Regelungen für alle Beteiligten möglichst einfach und digital umzusetzen sind.
Das Vorhaben befindet sich seit über 10 Jahren auf der politischen Agenda und wurde 2021 aufgrund der Corona-Pandemie kaltgestellt.

Ab Sommer diesen Jahres könnten Selbstständige dann - wie alle anderen auch - in ihrer digitalen Renteninformation sehen, welche Ansprüche aus der gesetzlichen, privaten oder betrieblichen Altersvorsorge bestehen. Auf die Frage, warum die Entwicklung dieser Übersicht so lange gedauert hat, antwortet Roßbach: „Ein wichtiger Faktor ist, dass wir Daten aus unterschiedlichen Bereichen der Alterssicherung zusammenführen und gleichzeitig den Datenschutz gewährleisten müssen.“

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