„Wir sind sehr sicher, dass dieses Verfahren bald eingestellt wird und sämtliche Anwürfe gegen uns im Sande verlaufen werden.“ - So hieß es von PIM Gold noch im September 2019 kurz bevor das Unternehmen Insolvenz anmelden musste (Versicherungsbote berichtete). Bis es zur Anklage vor dem Landgericht Darmstadt kam, verging noch ein weiteres Jahr. Nun - nach beinahe 90 Verhandlungstagen und etwa 200 Zeugen-Aussagen - endete der Prozess mit einem Schuldspruch.

Anzeige

Die zuständige Kammer des Landgerichts Darmstadt sah es als erwiesen an, dass der Chef des Goldhändlers, Mesut P., die Käufer seiner Goldsparpläne betrog. Allein zwischen 2016 und 2019 sollen die PIM-Führungskräfte über 7.600 Gold-Sparverträge vertrieben haben.

Vereinfacht gesagt, funktionierte das Modell so: Die Kunden gaben zwar den Kauf des Edelmetalls in Auftrag, erhielten das Edelmetall aber nicht. Stattdessen ‚verblieb‘ das Gold bei PIM, damit es dort weitere Rendite erwirtschaften kann. Den Anlegern wurde eine Rückkaufoption zum festen Goldpreis sowie ein sogenanntes Bonusgold zugesichert. Ein Gewinnanteil an den Geschäften, mit denen die Hessen einen Extraertrag erwirtschaften wollten. Doch immer weniger Geld floss an die Anleger zurück: 2017 seien noch rund 40 Prozent der Gelder für „Goldrückkäufe“ investiert wurden, 2018 und 2019 nur noch elf Prozent.

Das neu eingesammelte Geld wurde nicht mehr für den Kauf neuen Goldes verwendet, sondern dazu, Neukunden anzuwerben und Provisionen auszuschütten. Und weil auch viele Gelder in der Türkei versickerten, stand auch der Vorwurf der Geldwäsche im Raum.

Auch diesen Vorwurf sahen die Darmstädter Richter bestätigt. Wegen schweren Betrugs und Geldwäsche wurde Mesut P. zu sechs Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Doch das Gericht verließ der ehemalige PIM-Chef dennoch als freier Mann, wie das Handelsblatt zu berichten weiß. Der Grund: Weil Mesut P. über drei Jahre in Untersuchungshaft verbrachte - und das durch Corona-Auflagen weitestgehend isoliert - setzte der zuständige Richter den Haftbefehl gegen Auflagen außer Vollzug.
Noch können beide Seiten in Revision gehen - das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Im Verlauf des Prozesses berichtete der Insolvenzverwalter Renald Metoja davon, dass im Zuge des Insolvenzverfahrens 270 Kilogramm Feingold und 180 Kilogramm Schmuck sichergestellt worden seien - allerdings hätten aber drei Tonnen vorhanden sein müssen, so Metoja. Die Summe der berechtigten und geprüften Forderungen belaufe sich auf 140 Millionen Euro.
Das Insolvenzverfahren selbst läuft noch. Erst kürzlich erhob der Insolvenzverwalter Ansprüche gegen Geschäftspartner aus Schenkungsanfechtung bzw. Deckungsanfechtung.

Anzeige

Ähnlich wie bei den Finanzskandalen um den Container-Dienstleister P+R, die Immobilienfirma S&K, die Dresdner Infinus-Gruppe und zuletzt der Wirecard-Pleite sah sich die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) harschen Vorwürfen ausgesetzt.

Anzeige