Das Bundessozialgericht in Kassel entschied vergangenen Donnerstag, dass Rentner, deren Erwerbsminderungsrente bereits vor dem 1. Januar 2019 begann, keinen Anspruch auf eine Neuberechnung ihrer Rente nach den inzwischen geltenden, deutlich günstigeren Regelungen haben. Bestandsrentner können demnach nicht verlangen, dass bei ihrer Rente Zurechnungszeiten in demselben Umfang berücksichtigt werden, wie das bei den ab 2018 und vor allem bei den ab 2019 neu bewilligten Renten geschieht.

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In zwei Revisionsverfahren (Aktenzeichen B 5 R 29/21 R und B 5 R 31/21 R) forderten die Kläger - jeweils Bestandsrentner - eine Gleichbehandlung und deshalb eine Berücksichtigung der verlängerten Zurechnungszeiten auch bei ihren Renten. Die Vorinstanzen lehnten das ab - und nun bestätigte das Bundessozialgericht die Entscheidungen. So schrieben die Sozialrichter: „Der 5. Senat konnte sich nicht davon überzeugen, dass die Begrenzung der zum 1. Januar 2018 und 1. Januar 2019 eingeführten Leistungsverbesserungen auf die ab diesen Stichtagen neu hinzukommenden Erwerbsminderungsrentner dem Gleichbehandlungsgebot des Grundgesetzes widerspricht.“ Ein Verstoß gegen Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz (Gleichbehandlungsgrundsatz) sei nicht feststellbar, so das Bundessozialgericht. Die Richter führten aus, dass die vom Gesetzgeber angeführten Gründe für die Differenzierung zwischen Bestands- und Neurentnern sachlich nachvollziehbar und nicht willkürlich sind. Es würde einem Strukturprinzip der gesetzlichen Rentenversicherung entsprechen, dass Leistungsverbesserungen ebenso wie Leistungskürzungen grundsätzlich nur für neu bewilligte Renten gelten. Zudem durfte der Gesetzgeber auch auf den erheblichen organisatorischen und finanziellen Mehraufwand bei sofortiger Einbeziehung der Bestandsrentner abstellen, so das Bundessozialgericht.

Ferner war zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber mittlerweile für die Bestandsrentner einen Zuschlag zu ihrer Erwerbsminderungsrente und ebenso zu einer daran anschließenden Altersrente eingeführt hat, der ihnen ab dem 1. Juli 2024 zustehen wird, hieß es vom Bundessozialgericht.

„Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen“

Diese Zuschläge betragen - je nach Rentenbeginn - 4,5 bzw. 7,5 Prozent. Das halten die Verbände VdK Deutschland und der Sozialverband Deutschland (SoVD) für zu niedrig. Eine echte Gleichbehandlung sei nur sichergestellt, wenn diese Zuschläge doppelt so hoch wären, so die Verbände in einer gemeinsamen Erklärung zum Entscheid des Bundessozialgerichts. Die beiden Verbände traten in den verhandelten Verfahren als Kläger auf. „Das Bundessozialgericht hat unserer Revision nicht entsprochen. Für alle Erwerbsminderungsrentner, die wegen einer Erkrankung oder Behinderung nicht mehr arbeiten können, ist das eine bittere Entscheidung. Allerdings ist hier das letzte Wort noch nicht gesprochen. Das Bundesverfassungsgericht muss nun klären, ob die derzeitige Gesetzgebung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes verstößt. Der SoVD und wir als VdK gehen deswegen nun nach Karlsruhe“, so VdK-Präsidentin Verena Bentele.

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Nach Ausführungen der Verbände sind 1,8 Millionen Menschen von der Entscheidung betroffen, weil sie bereits vor dem 1. Januar 2019 eine Erwerbsminderungsrente bezogen.

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