Eine Ampel schaltet in fest programmierten Zeitabständen um und zeigt uns die drei bekannten Farben. Nur noch rotsehen werden indes die 73,3 Millionen GKV-Versicherten angesichts der vom Bundestag und Bundesrat beschlossenen Erhöhung der Zusatzbeiträge um voraussichtlich 0,3 Prozentpunkte auf nunmehr insgesamt 1,6 Prozentpunkte. Da der allgemeine GKV-Beitragssatz derzeit bei 14,6 Prozent des Bruttolohns liegt, erhöht sich die Belastung in Summe auf 16,2 Prozent. Ein neuer Rekordwert. Entlastungspakete hier, Doppel-Wumms dort. Und an anderer Stelle zieht die Ampel den Bürgern das Geld aus der Tasche, in diesem Fall sind die gesetzlich Krankenversicherten die Leidtragenden.

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Dr. Rainer Reitzler, CEO der Münchener Verein VersicherungsgruppeMünchener Verein Versicherungsgruppe

Basis der Beitragserhöhung ist das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz, das der Bundestag am 20. Oktober beschlossen hat. Den Namen des neuen Gesetzes muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Werden damit wirklich die Finanzen der GKV stabilisiert? Wäre der Name GKV-Aufschubfinanzierungsgesetz denn nicht besser? Die Kosten im Gesundheitswesen werden ganz sicher weiter ansteigen. Bezahlen wird das alles der Beitragszahler.

Unverständlich ist, dass Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach den Vorschlag des GKV-Schätzerkreises, den Zusatzbeitrag angesichts höherer Rücklagen im Gesundheitsfonds als angenommen, nur um 0,2 Prozentpunkte zu erhöhen, nicht aufgenommen hat. Das Finanzdefizit der GKV von bislang errechneten rund 17 Milliarden Euro sei geringer als befürchtet, so das Fazit des Schätzerkreises. Es ist zu vermuten, dass bei der Entscheidung die Prognose des Beratungsunternehmens Iges eine wesentliche Rolle gespielt hat. Denn das hat das GKV-Defizit im Jahr 2025 auf 30 Milliarden Euro geschätzt. Die Zusatzbeiträge müssten dann sogar auf drei Prozent steigen.

Woher soll das Geld kommen, um die Lücke von 17 Milliarden Euro zu schließen? Hierfür sind vier Finanzierungsquellen vorgesehen:

  • Der größte Teil, 11 Milliarden Euro, sollen aus den Beiträgen fließen. Das beinhaltet vier Milliarden Euro, die von den Beitragsreserven der Krankenkassen abgebaut werden. Aus dem Gesundheitsfonds sollen 2,4 Milliarden Euro an Beitragsmitteln abgeschöpft werden. Die Erhöhung des Zusatzbeitrags um 0,3 Prozentpunkte soll rund fünf Milliarden Euro einbringen.
  • Drei Milliarden Euro haben die Leistungserbringer, also die Ärzte, Zahnärzte, die Kliniken und die Pharmaindustrie, aufzubringen.
  • Zwei Milliarden Euro werden als einmaliger Bundeszuschuss bezahlt.
  • Eine Milliarde Euro ist als Darlehen des Bundes an den Gesundheitsfonds vorgesehen.

Somit ist klar, wer den größten Teil der Zeche zu zahlen hat: Die Beitragszahler.

Um die Finanzen der GKV langfristig zu sichern, müssen weitere Reformen folgen. Das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz wird das Problem alleine nicht beheben können. Vorschläge, die GKV-Versicherten zu entlasten, liegen seit Langem auf dem Tisch. Angefangen von einer Absenkung der Mehrwertsteuer für Arznei- und Hilfsmittel auf sieben Prozent, was zu einer Entlastung der Kassen um bis zu sieben Milliarden Euro pro Jahr führen würde, über die Schließung unrentabler Krankenhäuser und die Einführung von Selbstbeteiligungstarifen bis hin zur Wiedereinführung einer Praxisgebühr oder gar Leistungskürzungen. Doch nichts von alledem findet sich im GKV-Finanzstabilisierungsgesetz wieder.

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Die Gesundheitsausgaben haben in Deutschland 2021 einen Rekordwert von 465 Milliarden Euro erreicht. Das entspricht 12,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. 55 Prozent fallen davon alleine auf die GKV. Nimmt man die soziale Pflegepflichtversicherung hinzu, sind es 66 Prozent. Der Druck auf die derzeit 97 gesetzlichen Krankenversicherer in Deutschland wird in den nächsten Jahren nicht nachlassen. Dass der größte finanzielle Brocken auf den Schultern der GKV-Versicherten liegt, kann vor dem Hintergrund der hohen Inflation und der stark steigenden Energiekosten jedoch nicht der richtige Weg sein.

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