Geht es nach der Bundesregierung, soll ab dem 01. Januar 2023 das sogenannte Bürgergeld eingeführt werden und dann das bisherige Hartz-IV-System ersetzen. Doch eine Anhörung im Sozialausschuss des Bundestages machte nun deutlich, dass ein pünktlicher Start sehr unwahrscheinlich ist. Der Grund: Die Jobcenter sind mit der Umstellung völlig überfordert, sollte sie pünktlich erfolgen. Darauf macht die BILD-Zeitung am Dienstag aufmerksam.

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Ohne zusätzliches Geld für die Jobcenter werde es sehr schwierig, die neuen Schwerpunkte der Arbeitsvermittlung umzusetzen, die im übrigen „zu komplex, schwierig und intransparent“ seien, kritisierte Markus Mempel vom Deutschen Landkreistag gegenüber dem Sozialausschuss. Er berichtete, dass es bereits Kündigungen in den Jobcentern wegen des neuen Bürgergeldes gebe. Bereits Projekte wie das Energiegeld bedeuten Mehrarbeit für die Beschäftigten.

Ähnlich äußerte sich Eva Strobl, Expertin der Bundesagentur für Arbeit. „Die Arbeit der Jobcenter wird sich wesentlich verändern, dafür brauchen wir mehr Vorlaufzeit“, sagte sie bei der Anhörung. Sie verwies darauf, dass die Bundesregierung bereits auf die Bedenken reagiert habe. Wesentliche Kernpunkte des Gesetzes -außer die Regelsatzerhöhung- sollen demnach erst zum 1. Juli 2023 in Kraft treten. Die Bundesagentur hatte sich zuvor schon geäußert, dass ein Start zum 1. Januar „nicht realisierbar“ sei.

Hängepartie im Vermittlungsausschuss erwartet

Ein weiterer Grund für eine mögliche Verzögerung ist, dass auch der Bundesrat dem Bürgergeld zustimmen muss - und hier sperren sich die Unionsparteien gegen den Entwurf in seiner jetzigen Version. Die Bundesregierung ist aber auf Unterstützung von Bundesländern angewiesen, in denen CDU und CSU regieren bzw. mitregieren. "Aus dem zunächst für sich selbst verantwortlichen Bürger wird mit dem Bürgergeld mehr und mehr ein Versorgungsempfänger“, schrieb CDU-Chef Friedrich Merz am Sonntag auf Twitter. Nicht Eigenverantwortung stehe bei der Reform im Vordergrund, "sondern ein paternalistischer Staat, der erst nimmt und dann einen Teil davon wieder gibt“, so Merz.

Die Unionsparteien stoßen sich unter anderem an der sogenannten "Karenzzeit", die beim Bürgergeld vorgesehen ist: Vermögen und Angemessenheit der Wohnung sollen erst nach zwei Jahren Bürgergeldbezug überprüft werden. Auch der Schonbetrag von 60.000 Euro wird als zu hoch angesehen.

Kurz nach seinem Tweet deutete Merz immerhin ein Entgegenkommen an. Er wolle „ein bisschen die Schärfe aus dieser Diskussion nehmen“ und der CDU-Parteispitze sowie den Unionsfraktionen im Bundestag vorschlagen, einen verbindlichen Beschluss über die Anhebung der Regelsätze zu treffen, so sagte er den ARD-„Tagesthemen“. Zuerst sollen also die bisherigen Hartz-IV-Sätze angehoben werden, um auf die galoppierende Inflation zu reagieren. Erst danach wolle er sich über „einen Systemwechsel“ hin zum Bürgergeld unterhalten, sagte der CDU-Chef.

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Dennoch bahnt sich im Vermittlungsausschuss zwischen Bundestag und Bundesrat eine Hängepartie an, sollte das Ländergremium den jetzigen Entwurf ablehnen. Bereits am Donnerstag soll der Bundestag über den Gesetzentwurf abstimmen - der Bundesrat hat am 14. November eine Sondersitzung anberaumt, in dem es auch um das Bürgergeld gehen könnte. Deadline für ein pünktliches Inkrafttreten sei eine Einigung bis 16. Dezember, berichtet Thorsten Frei, Parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktionen im Bundestag, gegenüber der ARD "Tagesschau". Zu diesem Zeitpunkt aber hat noch kein Jobcenter mit der Vorbereitung und Umsetzung des neuen Gesetzes begonnen.

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