1. Pauschale Beihilfe schränkt das Wahlrecht ein

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Die Regelung sieht vor, dass sich die Staatsbediensteten gleich zu Beginn ihrer Laufbahn unwiderruflich für eine Beihilfevariante entscheiden müssen. Wer die pauschale Beihilfe wählt, soll später nicht mehr in die Private Krankenversicherung wechseln können.

Als „Insellösung“ setzt sie aber auch regionale Grenzen, denn sie existiert nur in wenigen Bundesländern. Das ist dann ein Nachteil, wenn Beamte aus privaten Gründen oder wegen reizvoller Stellenangebote in andere Bundesländer ohne „pauschale Beihilfe“ umziehen wollen. Ohne GKV-Zuschuss müssten Beamte den gesamten Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung fortan selbst zahlen.

2. Weniger Leistungen und meist höhere Beiträge

Die Pflichtversicherung in der GKV bietet im Krankheitsfall einen deutlich kleineren Leistungsumfang als die klassische Kombination aus Beihilfe und PKV: So gibt es z.B. keinen Anspruch auf ambulante Behandlung im Krankenhaus, geringere Zuschüsse bei Zahnersatz, keine Heilpraktiker-Leistungen, geringere Zahlungen für Hörgeräte, keine Wahlleistungen im Krankenhaus wie die Chefarztbehandlung oder Zweibettzimmer.

Gleichzeitig sollen die meisten Beamten dann aber einen höheren Beitrag zahlen. Für einen Durchschnittsverdiener (38.901 Euro Jahresbrutto) würden in der GKV 2022 pro Monat rund 258 Euro für den Beamten fällig, bei Einkünften an der Beitragsbemessungsgrenze sind es pro Monat sogar 384 Euro. Zum Vergleich: In den Beamtentarifen der PKV beträgt der Durchschnittsbeitrag derzeit rund 211 Euro. Im Pensionsalter können erhebliche zusätzliche Kosten hinzukommen. Schließlich müssen die „freiwillig versicherten“ auch auf alle weiteren Einkünfte wie Kapitalerträge oder Mieteinkünfte den Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag abführen. Dieser beträgt aktuell rund 19 Prozent. Das wäre ein maximaler Gesamtbeitrag von zurzeit 769 Euro im Monat.

3. Pflegeversicherung folgt Krankenversicherung

Entscheiden sich Beamte für die GKV, müssen sie sich auch in der Pflegeversicherung der GKV anschließen. Sie kostet für Durchschnittsverdiener (mit Kindern) derzeit rund 99 Euro im Monat. Für Beamte würden also rund 50 Euro für den hälftigen Schutz fällig. Bei Einkünften an der Bemessungsgrenze sind es derzeit 148 Euro, für Beamte also rund 74 Euro im Monat. Die Private Pflegepflichtversicherung (PPV) als Zusatz zur Beihilfe ist für junge Beamte kostet in der Regel um die 15 Euro. Das kann eine Ersparnis von gut 400 bis über 700 Euro pro Jahr ergeben. Überdies sind Kinder in der PPV beitragsfrei mitversichert.

4. Pauschale Beihilfe belastet die Steuerzahler

Die „pauschale Beihilfe“ ist auf mindestens drei bis vier Jahrzehnte hinaus teurer als das geltende Recht. Laut einer Musterberechnung würde die Pauschale Beihilfe in Baden-Württemberg Mehrausgaben verursachen. So wären im Haushaltsjahr 2020 durch die neue Regelung zusätzliche Ausgaben von 13,8 Millionen Euro entstanden. Etwa 10,8 Millionen Euro würden auf die hälftigen Beiträge für GKV-versicherte Beamte entfallen. Für 2023 prognostiziert das Landesfinanzministerium Mehrkosten in Höhe von 13 Millionen Euro. Im Jahr 2040 soll die Mehrbelastung bei 70,8 Millionen pro Jahr liegen und bis in Jahr 2060 auf 133 Millionen Euro pro Jahr steigen. In Summe kämen bis zum Jahr 2060 auf den Landeshaushalt Gesamtkosten von mehr als 2,6 Milliarden Euro zu.

5. Wettbewerbsnachteil im Kampf gegen den Fachkräftemangel

Da es für die Länder zusehends schwieriger wird, im Wettbewerb mit anderen gut zahlenden Branchen qualifiziertes Personal für den Landesdienst zu gewinnen, könnte das „Hamburger Modell“ den öffentlichen Dienst auch an dieser Stelle empfindlich treffen. Das zeigt sich beispielsweise beim fehlenden Nachwuchs an Lehrern. Einige Bundesländer wie Sachsen und das Land Berlin haben deshalb eine Kehrtwende beschlossen und führen im Schuldienst den Beamtenstatus wieder ein. Zur Attraktivität des Beamtenstatus gehört aber auch die besonders attraktive Versorgung als Privatpatient im Krankheitsfall.

6. „Hamburger Modell“ als Schritt in Richtung Bürgerversicherung

Angesichts der vielen Nachteile stellt sich die Frage, warum die grün-geführte Landesregierung ihre Pläne gegen den Willen der Beamten durchsetzen will. Dahinter steckt offensichtlich ein politisches Ziel:

Das zum 1. August 2018 im Land Hamburg eingeführte „Hamburger Modell“ wurde bisher von den vier Bundesländern Berlin, Brandenburg, Bremen und Thüringen übernommen. Diese eint ein ähnliche Regierungskoalitionen: rot-rot, rot-rot-grün und rot-grün. Damit könnte die pauschale Beihilfe der Bürgerversicherung den Weg ebnen, befürchtet der PKV-Verband. Diese wird vor allem von SPD, Grünen und dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) vorangetrieben.

7. Erhebliches verfassungsrechtliches Risiko

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Ds „Hamburger Modell“ könnte für Baden-Württemberg aber auch ein erhebliches verfassungsrechtliches Risiko mit sich bringen. In einem Gutachten kommt die Anwaltskanzlei Redeker-Sellner-Dahs zu dem Schluss, dass die pauschale Beihilfe im Hinblick auf den Art 33 Abs. 5 GG (Grundsätze des Berufsbeamtentums) auf „gravierende verfassungsrechtliche Bedenken“ stößt. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf die Pflicht des Dienstherrn zur Fürsorge für die Beamten nicht auf Dritte delegiert werden, deren Leistungsumfang der Dienstherr nicht bestimmen kann. Dies ist jedoch bei der GKV der Fall. Auch der Zwang zu einer unwiderruflichen Entscheidung für die GKV sei verfassungsrechtlich fragwürdig. Schließlich könne die Entscheidung, die der Beamte getroffen hat nicht mehr rückgängig gemacht werden. Das Gutachten war im Auftrag des PKV-Verbands erstellt worden.

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