Seit dem 1. August 2018 können Beamte einen Zuschuss des Arbeitgebers zur gesetzlichen Krankenversicherung erhalten. Diesen Weg hat das Bundesland Hamburg geebnet. Damit will die Hansestadt es seinen Staatsdienern ermöglichen, sich auch einer Krankenkasse anzuschließen statt sich privat zu versichern. Davor war das für Staatsdiener keine attraktive Option. Denn während sie für eine private Krankenversicherung Anspruch auf Beihilfe haben und 50-70 Prozent der Gesundheitskosten von ihrem Dienstherren ersetzt bekommen, müssen sie für eine Krankenkasse den vollen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil zahlen.

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Im Februar 2022 hätten bereits 1962 aktive Beamte und 350 Versorgungsempfänger die Wechseloption genutzt und sich einer Krankenkasse angeschlossen. Das berichtet das "Ärzteblatt" und beruft sich dabei auf eine Antwort des Senats auf eine Anfrage der CDU. Das Hamburger Modell hat Strahlkraft auch über die Elbestadt hinaus. Denn auch die Bundesländern Berlin, Brandenburg, Bremen und Thüringen haben ihren Staatsdienern inzwischen die Wahlfreiheit eingeräumt. Auch der Freitstaat Sachsen hat sich mit diesem Thema beschäftigt und die Pläne in den Koalitionsvertrag aufgenommen. Beamte des Freistaates Sachsen sollen demnach die Möglichkeit erhalten, sich ohne Nachteile gesetzlich krankenzuversichern. Doch seit dem Bekanntwerden der Pläne im Februar 2020 ruht der See.

Zuletzt hatte sich Baden-Württemberg mit diesem Thema beschäftigt. Der aktuelle Plan sieht vor, im kommenden Jahr eine pauschale Beihilfe als Alternative zur individuellen Beihilfe in der Krankenversicherung einzuführen.

Der Deutsche Beamtenbund (dbb) hatte sich bereits nach der Einführung der pauschalen Beihilfe in Hamburg als Gegner dieses Modells positioniert und auch der Landesbeamtenbund Baden-Württemberg (BBW) sieht das Vorhaben kritisch. Schließlich müsse das Beihilfesystem schon deshalb erhalten werden, damit eine Beamten-Karriere attraktiv für Nachwuchskräfte bleibe. Auch löse es nicht die Probleme der Krankenkassen, Beamte in die gesetzliche Krankenversicherung zu lotsen.

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Diesem Thema hatte sich im Mai auch Oliver Bruns vom Maklerpool Netfonds gewidmet. Denn es gibt auch gute Gründe, die gegen die pauschale Beihilfe bei Beamten sprechen:

  • Wer sich für die pauschale Beihilfe entscheidet, trifft eine Lebensentscheidung. Und das in jungen Jahren, wenn sich wichtige Themen, wie Karriere- und/oder Familienplanung noch gar nicht abzeichnen.
  • Beamte mit der anlassbezogenen Beihilfe plus Restkostenversicherung können sich auch in anderen Bundesländern oder beim Bund bewerben und einfach wechseln. Es kann bestenfalls Änderungen in der prozentualen Erstattung geben. Wer die pauschale Beihilfe gewählt hat, zum Beispiel in Hamburg, und dann gerne nach Bayern wechseln möchte, erhält keine pauschale Beihilfe, weil es die dort nicht gibt. Außerdem ist in der pauschalen Beihilfe keine höhere Erstattung im Alter vorgesehen.
  • Die pauschale Beihilfe ist deutlich höher, als die anlassbezogene Beihilfe, die ja nur prozentual die tatsächlichen Kosten erstattet. Für die gerade sehr gestressten Haushalte beim Bund und in den Ländern eine weniger gute Idee.

PKV-Verband: Sieben Argumente sprechen gegen die Neuregelung

Der Lobby-Verband der Privaten Krankenversicherer hat sich ebenfalls dem Thema gewidmet und sieben Argumente aufgelistet, die gegen das Hamburger Modell sprechen:

1. Pauschale Beihilfe schränkt das Wahlrecht ein

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Die Regelung sieht vor, dass sich die Staatsbediensteten gleich zu Beginn ihrer Laufbahn unwiderruflich für eine Beihilfevariante entscheiden müssen. Wer die pauschale Beihilfe wählt, soll später nicht mehr in die Private Krankenversicherung wechseln können.

Als „Insellösung“ setzt sie aber auch regionale Grenzen, denn sie existiert nur in wenigen Bundesländern. Das ist dann ein Nachteil, wenn Beamte aus privaten Gründen oder wegen reizvoller Stellenangebote in andere Bundesländer ohne „pauschale Beihilfe“ umziehen wollen. Ohne GKV-Zuschuss müssten Beamte den gesamten Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung fortan selbst zahlen.

2. Weniger Leistungen und meist höhere Beiträge

Die Pflichtversicherung in der GKV bietet im Krankheitsfall einen deutlich kleineren Leistungsumfang als die klassische Kombination aus Beihilfe und PKV: So gibt es z.B. keinen Anspruch auf ambulante Behandlung im Krankenhaus, geringere Zuschüsse bei Zahnersatz, keine Heilpraktiker-Leistungen, geringere Zahlungen für Hörgeräte, keine Wahlleistungen im Krankenhaus wie die Chefarztbehandlung oder Zweibettzimmer.

Gleichzeitig sollen die meisten Beamten dann aber einen höheren Beitrag zahlen. Für einen Durchschnittsverdiener (38.901 Euro Jahresbrutto) würden in der GKV 2022 pro Monat rund 258 Euro für den Beamten fällig, bei Einkünften an der Beitragsbemessungsgrenze sind es pro Monat sogar 384 Euro. Zum Vergleich: In den Beamtentarifen der PKV beträgt der Durchschnittsbeitrag derzeit rund 211 Euro. Im Pensionsalter können erhebliche zusätzliche Kosten hinzukommen. Schließlich müssen die „freiwillig versicherten“ auch auf alle weiteren Einkünfte wie Kapitalerträge oder Mieteinkünfte den Kranken- und Pflegeversicherungsbeitrag abführen. Dieser beträgt aktuell rund 19 Prozent. Das wäre ein maximaler Gesamtbeitrag von zurzeit 769 Euro im Monat.

3. Pflegeversicherung folgt Krankenversicherung

Entscheiden sich Beamte für die GKV, müssen sie sich auch in der Pflegeversicherung der GKV anschließen. Sie kostet für Durchschnittsverdiener (mit Kindern) derzeit rund 99 Euro im Monat. Für Beamte würden also rund 50 Euro für den hälftigen Schutz fällig. Bei Einkünften an der Bemessungsgrenze sind es derzeit 148 Euro, für Beamte also rund 74 Euro im Monat. Die Private Pflegepflichtversicherung (PPV) als Zusatz zur Beihilfe ist für junge Beamte kostet in der Regel um die 15 Euro. Das kann eine Ersparnis von gut 400 bis über 700 Euro pro Jahr ergeben. Überdies sind Kinder in der PPV beitragsfrei mitversichert.

4. Pauschale Beihilfe belastet die Steuerzahler

Die „pauschale Beihilfe“ ist auf mindestens drei bis vier Jahrzehnte hinaus teurer als das geltende Recht. Laut einer Musterberechnung würde die Pauschale Beihilfe in Baden-Württemberg Mehrausgaben verursachen. So wären im Haushaltsjahr 2020 durch die neue Regelung zusätzliche Ausgaben von 13,8 Millionen Euro entstanden. Etwa 10,8 Millionen Euro würden auf die hälftigen Beiträge für GKV-versicherte Beamte entfallen. Für 2023 prognostiziert das Landesfinanzministerium Mehrkosten in Höhe von 13 Millionen Euro. Im Jahr 2040 soll die Mehrbelastung bei 70,8 Millionen pro Jahr liegen und bis in Jahr 2060 auf 133 Millionen Euro pro Jahr steigen. In Summe kämen bis zum Jahr 2060 auf den Landeshaushalt Gesamtkosten von mehr als 2,6 Milliarden Euro zu.

5. Wettbewerbsnachteil im Kampf gegen den Fachkräftemangel

Da es für die Länder zusehends schwieriger wird, im Wettbewerb mit anderen gut zahlenden Branchen qualifiziertes Personal für den Landesdienst zu gewinnen, könnte das „Hamburger Modell“ den öffentlichen Dienst auch an dieser Stelle empfindlich treffen. Das zeigt sich beispielsweise beim fehlenden Nachwuchs an Lehrern. Einige Bundesländer wie Sachsen und das Land Berlin haben deshalb eine Kehrtwende beschlossen und führen im Schuldienst den Beamtenstatus wieder ein. Zur Attraktivität des Beamtenstatus gehört aber auch die besonders attraktive Versorgung als Privatpatient im Krankheitsfall.

6. „Hamburger Modell“ als Schritt in Richtung Bürgerversicherung

Angesichts der vielen Nachteile stellt sich die Frage, warum die grün-geführte Landesregierung ihre Pläne gegen den Willen der Beamten durchsetzen will. Dahinter steckt offensichtlich ein politisches Ziel:

Das zum 1. August 2018 im Land Hamburg eingeführte „Hamburger Modell“ wurde bisher von den vier Bundesländern Berlin, Brandenburg, Bremen und Thüringen übernommen. Diese eint ein ähnliche Regierungskoalitionen: rot-rot, rot-rot-grün und rot-grün. Damit könnte die pauschale Beihilfe der Bürgerversicherung den Weg ebnen, befürchtet der PKV-Verband. Diese wird vor allem von SPD, Grünen und dem Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) vorangetrieben.

7. Erhebliches verfassungsrechtliches Risiko

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Ds „Hamburger Modell“ könnte für Baden-Württemberg aber auch ein erhebliches verfassungsrechtliches Risiko mit sich bringen. In einem Gutachten kommt die Anwaltskanzlei Redeker-Sellner-Dahs zu dem Schluss, dass die pauschale Beihilfe im Hinblick auf den Art 33 Abs. 5 GG (Grundsätze des Berufsbeamtentums) auf „gravierende verfassungsrechtliche Bedenken“ stößt. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf die Pflicht des Dienstherrn zur Fürsorge für die Beamten nicht auf Dritte delegiert werden, deren Leistungsumfang der Dienstherr nicht bestimmen kann. Dies ist jedoch bei der GKV der Fall. Auch der Zwang zu einer unwiderruflichen Entscheidung für die GKV sei verfassungsrechtlich fragwürdig. Schließlich könne die Entscheidung, die der Beamte getroffen hat nicht mehr rückgängig gemacht werden. Das Gutachten war im Auftrag des PKV-Verbands erstellt worden.

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