Die Lebensversicherer ächzen noch immer unter vielen hochverzinsten Altverträgen in den Beständen: Diese müssen mit viel Eigenkapital unterfüttert werden und sehen vor, dass das Geld der Kunden überwiegend in Anleihen investiert werden muss, die aktuell kaum was einbringen. Deshalb liebäugeln Versicherer damit, die Bestände loszuwerden. Und sie finden tatsächlich Abnehmer: Sogenannte Run-off-Gesellschaften haben sich darauf spezialisiert, Bestände zu verwalten, bei denen das Neugeschäft eingestellt wurde und die nur noch abgewickelt werden.

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Hier kündigen sich laut „Handelsblatt“ zwei neue Deals an, die einen beträchtlichen Umfang haben. Wie das Magazin berichtet, sollen die Versicherer Zurich und Axa planen, Verträge deutscher Kundinnen und Kunden abzustoßen und an Run-off-Versicherer zu verkaufen. Als Quelle werden „drei mit der Angelegenheit vertraute Personen“ genannt - offiziell ist folglich noch nichts. Die erste Verhandlungsrunde sei aber bereits abgeschlossen.

Garantie-Zinsen von 1,75 bis 2,25 Prozent

Die Zurich bietet laut dem Bericht ein Portfolio von bis zu 800.000 Verträgen an, die ein Nominalvolumen von rund 20 Milliarden Euro haben sollen. Bei der Axa gehe es gar um ein Volumen von 15 Milliarden Euro. Während sich die Zurich von US-Giganten JPMorgan beraten lasse, handle es sich bei der Axa um eine Investmentbanking-Boutique: eine Investmentbank, die sich auf die Beratung zu derartigen Versicherungsgeschäften spezialisiert hat.

Es handle sich um eher heterogene Bestände der beiden Versicherer, berichtet das „Handelsblatt“ weiter. Viele Verträge würden einen Garantiezins von 2,25 Prozent aufweisen, die bis 2011 angeboten worden seien, sowie weitere mit 1,75 Prozent Garantiezins, bis 2015 beworben. Diese könnten noch bis zu 20 Jahre laufen. Höher verzinste Altverträge seien weniger das Problem, da sie sich der Auszahlungsphase nähern würden. Gerade die Heterogenität der Portfolios kann einen Verkauf hinauszögern: Es geht um die Frage, welche Verträge übernommen werden und zu welchen Konditionen.

Bereits im Dezember 2021 hatte sich Carsten Schildknecht, Deutschland-Chef der Zurich, zu den angeblichen Verkaufsgerüchten in seinem Haus geäußert. „Für ein Teilportfolio an hochverzinsten Verträgen suchen wir derzeit nach einer Lösung, sodass wir uns auf unseren strategischen Fokus, die fondsbasierten Produkte, konzentrieren können“, zitierte ihn damals das Handelsblatt. Ein externer Run-Off werde dabei nicht ausgeschlossen. Für die Zurich wäre der Run-Off kein Neuland. Erst im Herbst 2019 trennte sich der Versicherer von seinen Berufshaftpflicht-Policen. Käufer seinerzeit: Der Abwicklungsspezialist Darag.

Beide Versicherer wollten sich zu dem aktuellen Stand des Verkaufs aber nicht äußern. Das „Handelsblatt“ nennt Namen möglicher Interessenten: Unter anderem die Bestandsabwickler Viridium und Athora, aber auch Resolution Life und die frühere Frankfurter Leben, nun unter FL firmierend. Solche Gesellschaften können die Verträge oft billiger mittels digitaler Tools verwalten, sodass sich ein Kauf auch für sie lohnen kann. Gerade bei der Zurich sei das Problem, dass die Verträge aktuell auf unterschiedlichen IT-Systemen verwaltet werden, die teils nicht kompatibel seien.

Vorbild Generali - und Debatten

Das Vorbild dafür, große Bestände an einen Run-off-Versicherer abzustoßen, ist die Generali. Immerhin vier Millionen Verträge wechselten vor mehr als drei Jahren den Besitzer, die Generali ist nur noch mit einer Minderheit von 10,1 Prozent an der neuen Viridium-Tochter Proxalto beteiligt. Branchenbeobachter erwarteten damals, dass das Vorgehen der Generali zu einem Dammbruch führen könnte und viele Versicherer ihre Altverträge in Run-off-Gesellschaften auslagern. Aber das blieb bisher aus. Die Coronakrise könnte hierzu beigetragen haben, weil plötzlich andere Themen auf der Tagesordnung standen.

Letztendlich sind derartige Übertragungen aber hochkomplexe Geschäfte, bei denen ein Imageschaden bei den eigenen Kundinnen und Kunden droht - und auch der Vertrieb ist verärgert, wenn der Kundenstamm quasi veräußert wird. Die Debatte, ob man sich von solchen Verträgen einfach trennen darf, schaffte es bis zu Polit-Talkshows wie „hart aber fair“ ins öffentlich-rechtliche Abendprogramm. Dort war unter anderem von „verkauften Kunden“ die Rede. Aus Angst vor einem Imageverlust wählte zum damaligen Zeitpunkt die „Ergo“ einen anderen Weg: Sie wickelt Altbestände intern ab.

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Die Aufsichtsbehörde BaFin muss solchen Transaktionen zustimmen: und prüft genau, etwa auch mit Blick auf Bonität und Risikofähigkeit des Käufers. Wenn ein Anbieter die zugesagten Garantien an Kundinnen und Kunden nicht mehr bedienen könnte, so könnte das die komplette Lebensversicherungs-Branche in Misskredit bringen. Vertrauen ist gerade mit Blick auf die Altersvorsorge wichtig.

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