2011 war die Zinszusatzreserve eingführt worden. Sie sollte als Sicherheitspuffer dienen, damit die Gesellschaften auch in schwierigen Zeiten die vergleichsweise hohen Garantien aus Altverträgen bedienen können. Doch damals galten Zinsen zwischen zwei und drei Prozent als niedrig.

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Wegen der veränderten Marktbedingungen hatte die Versicherungswirtschaft 2018 Alarm geschlagen und auf eine Änderung der Rechenformel für die Zinszusatzreserve gedrängt. Die Bundesregierung erhörte die Rufe der Branche und veränderte die Rechenformel für die ZZR. Diese wird seither per Korridormethode berechnet und soll kurzfristige Schwankungen stärker berücksichtigen. Zudem sollen die Unternehmen künftig wenig in Versuchung geführt werden, ihre Bewertungsreserven aufzulösen. Die neue Formel wurde von der Deutschen Aktuarvereinigung (DAV) in Abstimmung mit der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) gestrickt.

Für 2021 mussten die Lebensversicherer rund zehn Milliarden Euro in die Zinszusatzreserve abführen. Im Vorjahr waren es noch elf Milliarden Euro. Den Grund hierfür sehen die Autoren der aktuellen Marktstudie "Überschussbeteiligungen und Garantien von Lebensversicherern" aus dem Haus der Rating-Agentur Assekurata im leichten Anstieg des Marktzinsniveaus im Jahresverlauf 2021, so dass der für die ZZR-Dotierung maßgebliche Referenzzins nicht so stark fiel wie in den Jahren zuvor, dennoch aber weiter auf 1,57 Prozent (Vorjahr: 1,73 Prozent) zurückging. „Im Gegensatz zum Vorjahr wurde diesmal keine zusätzliche Tarifgeneration nachreservierungspflichtig, die bisherigen ZZR-Tarifgenerationen sind aber weiter aufzufüllen“, ergänzt Lars Heermann, Bereichsleiter Analyse und Bewertung bei Assekurata.

Zinszusatzreserve könnte bis auf 125 Milliarden Euro anwachsen

Inzwischen liege die ZZR-Reserve bei 97 Milliarden Euro. Das entspricht etwa 10 Prozent der bilanziellen Deckungsrückstellung. Für die kommenden beiden Jahre rechnet Assekurata im Basis-Szenario mit einem Zuführungsbedarf von jeweils rund sieben Milliarden Euro. Bereits bis 2026 würde der Gesamtbestand der ZZR auf über 120 Milliarden ansteigen. „Bei einem Fortlaufen des aktuellen Zinsniveaus erreicht der ZZR-Bestand dann 2028 mit einem Volumen von rund 125 Milliarden Euro seinen Höchstwert“, ergänzt Heermann. „Mit dem aktuellen ZZR-Bestand von 97 Milliarden Euro wären also bereits knapp 78 Prozent der Wegstrecke geschafft.“. Bei gleichbleibenden Marktzinsen wäre die ZZR mit der aktuellen Berechnungsmethode schon zu mehr als drei Vierteln ausfinanziert. Mit der alten Rechenformel hatte Assekurata für das Negativ-Szenario in den letzten Jahren eine ZZR von bis zu 200 Milliarden Euro berechnet.

Die weitere Entwicklung der ZZR ist aber unweigerlich auch vom allgemeinen Zinsumfeld abhängig. So plant die EZB nach eigenem Bekunden vorerst kein Ende ihrer Nullzinspolitik und hält an ihren Anleihenkäufen im Zuge der COVID-19-Pandemie fest. „Angesichts der signifikanten Inflation im Euroraum und dem Vorstoß der US-Notenbank Fed mehren sich allerdings die Anzeichen, dass die EZB in den kommenden Monaten von ihrer ultralockeren Geldpolitik abrücken könnte“, mutmaßt Heermann. „Ein höheres Zinsniveau würde den Lebensversicherern den ZZR-Aufbau erleichtern, sofern die Bewertungsreserven als Finanzierungsquelle dadurch nicht aufgezehrt werden. Ganz vom Tisch wäre der ZZR-Aufbau aber auch bei steigenden Zinsen noch nicht.“

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Eine Zinswende würde auch die Anforderungen der Zinszusatzreserve (ZZR) reduzieren. Im positiven Zinsszenario würde mit einem kontinuierlichen Zinsanstieg auf bis zu zwei Prozent der branchenweite ZZR-Zuführungsbedarf verringert. „Hierbei würde der ZZR-Bestand bereits 2024 bei gut 110 Milliarden Euro sein Maximum erreichen“, erklärt Heermann. „Je nach individueller Bestandsstruktur kann es bei einzelnen Anbietern allerdings zu deutlichen Abweichungen kommen.

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