Laut einer Studie des Darmstädter WifOR-Institutes, einst von Bert Rürup gegründet, sichern die privaten Krankenversicherer in Deutschland 743.000 Arbeitsplätze. Allein durch die Mehrumsätze, die privat Versicherte den Gesundheitsdienstleistern in die Kassen spülen, würden 14,9 Milliarden Euro Bruttowertschöpfung erzielt und 325.280 Arbeitsplätze gesichert. Die Studie kann auf der Webseite des Institutes als pdf-Datei heruntergeladen werden.

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Ausgangspunkt der Betrachtungen ist, dass die Gesundheitswirtschaft einer der größten Arbeitgeber in Deutschland ist. Jeder sechste Arbeitsplatz in Deutschland ist in dieser Branche beschäftigt, im Jahr 2019 trug sie laut Zahlen des Bundeswirtschaftsministeriums zwölf Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Hier seien die privaten Krankenversicherer ein wichtiger Akteur: sowohl wirtschaftlich als auch als Finanzier von Gesundheitsdienstleistungen.

PKV als Wirtschaftsakteur

Bei den privaten Krankenversicherern waren 2019 aber „nur“ 37.500 Arbeitnehmer direkt beschäftigt, wie aus Daten der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hervorgeht. Wie kommt das WifOR dann auf die weit höheren Zahlen? Sie orientiert sich an den Erhebungen zur Gesundheitswirtschaftlichen Gesamtrechnung (GGR), die -neben der Beschäftigtenzahl- den Gesamtwert der im Produktionsprozess erstellten Waren und Dienstleistungen abzüglich der dafür notwendigen Vorleistungen einrechnet. Hierbei wird neben den direkten auch die sogenannte indirekte und induzierte Bruttowertschöpfung berücksichtigt, um den ökonomischen Fußabdruck abzubilden.

Um das zu verdeutlichen: Die Geschäftstätigkeit eines Mitarbeiters ist die direkte Bruttowertschöpfung. Der indirekten wird zugerechnet, wenn der Versicherer beispielsweise IT-Services bei einem externen Dienstleister beauftragt, ein Haus bauen lässt etc. Was die Mitarbeiter der PKV-Anbieter und zugehörigen Dienstleister dann zum Beispiel an Einkommen im Einzelhandel ausgeben, wird der induzierten Wertschöpfung zugezählt.

Diese drei separaten Effekte durch die PKV als Wirtschaftsakteur summieren sich auf 7,7 Milliarden Euro Bruttowertschöpfung pro Jahr. Dabei hängen 88.700 Erwerbstätige direkt, indirekt und induziert von den Aktivitäten der PKV als Wirtschaftsakteur ab, berichtet WiFOR.

Bruttowertschöpfung höher als in Automobilindustrie

Damit sei die Arbeitsproduktivität als Verhältnis von Bruttowertschöpfung zu Erwerbstätigen mit 182.290 Euro besonders hoch. Zum Vergleich: In der Automobilindustrie betrug sie 148.300 Euro, in der Informations- und Kommunikationsbranche 111.400 Euro.

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  • Die volkswirtschaftlichen Ausstrahlungseffekte würden andere wichtige Branchen übertreffen. Mit jedem Euro Bruttowertschöpfung würden durch indirekte und induzierte Effekte 1,90 Euro zusätzliche Wertschöpfung in der Gesamtwirtschaft generiert. Das sei mehr als in der Autoindustrie (1,80 Euro) und der Info- und Kommunikationsbranche (1,00 Euro).
  • Auch die indirekten und induzierten Erwerbstätigeneffekte seien sehr hoch. Mit jedem Arbeitsplatz bei PKV-Unternehmen gehen laut Studie 5,0 zusätzliche Arbeitsplätze in der Gesamtwirtschaft einher. Das seien ebenfalls mehr als in der Autoindustrie (4,8 Arbeitsplätze) sowie in der Info- und Kommunikationsbranche (1,2 Arbeitsplätze).
  • Die Wertschöpfung habe einen starken Inlandsbezug: anders als viele industriell geprägte Branchen, die stark exportabhängig seien und internationale Lieferketten haben. Besonders der inländische Dienstleistungsbereich sei sehr personalintensiv.

PKV als Finanzier von Gesundheitsdienstleistungen

Nachdem die privaten Krankenversicherer als Wirtschaftsakteur betrachtet wurden, untersucht das WiFOR-Institut in einem zweiten Schritt den gesamtwirtschaftlichen Einfluss, den die PKV-Branche zusätzlich entfaltet, indem sie Gesundheitsleistungen ihrer Versicherten finanziert. Auch hier werden direkte, indirekte und induzierte Effekte eingerechnet. Insgesamt ergebe sich daraus eine Bruttowertschöpfung von 34,2 Milliarden Euro: wobei immerhin 25,5 Milliarden auf direkte und indirekte Effekte entfallen.

Direkte Bruttowertschöpfung entstehe beispielsweise, wenn ein Privatversicherter einen Haus- oder Facharzt besucht. Die indirekte Bruttowertschöpfung spiegele dann zum Beispiel die vom Arzt beschaffte Praxissoftware wider. Induzierte Wertschöpfung sei, wenn der Facharzt zum Beispiel sein Arzthonorar ausgebe: sie allein mache etwa rund 8,6 Milliarden Euro aus.

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Anhand dieser Daten errechnen die Wirtschaftsforscher den sogenannten Bruttowertschöpfungsmultiplikator: Er gibt an, um welchen Faktor der totale Effekt (als Summe des direkten, indirekten und induzierten Effektes zusammengenommen) den ursprünglichen direkten Effekt übersteigt. Auch dieser sei besonders hoch im Vergleich zu anderen Branchen. Je einem Euro Gesundheitsausgaben in der PKV würden zusätzlich 1,10 Euro Bruttowertschöpfung in der Gesamtwirtschaft entstehen: mehr als in der Automobilindustrie (0,67 Euro), der Nahrungsmittelherstellung (0,70 Euro) oder in der Herstellung elektronischer Erzeugnisse (0,73 Euro). Auch dieser hohe Wert resultiere daraus, dass die Versicherer vor allem Dienste und Services im Inland beauftragen würden.

Der Einfluss der PKVen als Finanzier im von Gesundheitsleistungen ist noch einmal größer als jener, den sie als Arbeitgeber entfalten. 653.960 Erwerbstätigen-Verhältnisse würden damit finanziert, diese seien beispielsweise in der ambulanten und stationären medizinischen Versorgung beschäftigt. Die direkten und indirekten Effekte machen 526.700 Erwerbstätige und die induzierten 127.200 Erwerbstätige aus.

Vergleich mit GKV: Einfach Mehrumsätze umgerechnet, inklusive Beihilfen

Schwierig sei ein Vergleich der privaten Krankenversicherer mit dem ökonomischen Fußabdruck der gesetzlichen Krankenversicherer, argumentiert das WifOR in einem nächsten Schritt: auch deshalb, weil es keine Zahlen zum ökonomischen Fußabdruck der GKV gebe. Und hier behilft sich das Institut über einen Umweg. Man rechnet einfach die sogenannten Mehrumsätze ein: Einnahmen, die medizinischen Leistungserbringern nur deshalb entstehen, weil Privatpatienten privat und nicht gesetzlich versichert sind.

Hier umschifft das Institut einen umstrittenen Punkt: wie stark auch Privatpatienten und folglich PKVen davon profitieren, dass die gesetzlichen Beitragszahler mit ihren Geldern die Infrastruktur der Gesundheitsdienstleistungen mitfinanzieren. Der PKV-Verband argumentiert oft einseitig in die Richtung, dass die privaten Krankenversicherer die Versorgung der gesetzlich Versicherten mit ihren Mehrausgaben sichern. Was Funktionäre von Krankenkassen in der Regel zurückweisen:

Sigrid König, Vorständin BKK Landesverband Bayern, antwortete etwa auf das Argument, dass Privatversicherte auch anteilig mehr Steuern in den GKV-Bundeszuschuss einbringen: “Nicht die PKV bringt die Steuern in den Staatshaushalt, sondern die Bürgerinnen und Bürger. Zudem hängt die PKV-Vollversicherung doch wesentlich an den beihilfeberechtigten Beamten, deren Versicherungskosten größtenteils von der öffentlichen Hand, also den Steuerzahlenden getragen wird. Und drittens handelt es sich bei den Steuerzuschüssen an die GKV ja nicht um Almosen des Staates, sondern um die Finanzierung versicherungsfremder Leistungen.“ Zur Erinnerung: mehr als jeder zweite privat Vollversicherte hat Beihilfe-Anspruch. Beihilfen werden in der WifOR-Studie aber den „Mehrumsätzen der Privatpatienten“ zugerechnet.

Lässt man diese strittigen Punkte außen vor, kommt das WifOR-Institut zu dem Ergebnis: Die Mehrumsätze der Privatversicherten summierten sich im Jahre 2019 auf eine Höhe von 12,7 Milliarden Euro. In der Gesamtwirtschaft wurde infolgedessen über direkte, indirekte und induzierte Effekte eine Bruttowertschöpfung in Höhe von 14,9 Milliarden Euro ausgelöst. In Summe habe dies 325.280 Arbeitsplätze durch die Mehrumsätze der privat Versicherten geschaffen.

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Privatversicherte seien "eine wichtige Finanzierungsquelle für die Ausstattung der Praxen und Krankenhäuser und damit für die medizinische Versorgung in Deutschland insgesamt", bilanziert das Institut.

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