Lange hat es gedauert: Denn seit 2014 schraubt die europäische Versicherungsaufsicht EIOPA an der Europa-Rente Pepp (Pan European Pension Product). Diese solle nicht weniger als einheitliche Mindeststandards erfüllen und problemlos in andere EU-Länder mitgenommen werden können. Auch soll sie einen einheitlichen Rechtsrahmen für Sparpläne abbilden und gleichzeitig als Ergänzung zur gesetzlichen Rente fungieren. Damit würde die Palette der bestehenden gesetzlichen, betrieblichen und nationalen Privat-Produkte ergänzt - aber nicht ersetzt werden.

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Inzwischen wurde die PEPP-Verordnung im Amtsblatt der Europäischen Kommission veröffentlicht. In Deutschland soll die Umsetzung im Rahmen des „Gesetzes zur begleitenden Ausführung der Verordnung (EU) 2020/1503 und der Umsetzung der Richtlinie EU 2020/1504 zur Regelung von Schwarmfinanzierungsdienstleistern (Schwarmfinanzierung-Begleitgesetz) und anderer europarechtlicher Finanzmarktvorschriften“ erfolgen. Die erste Lesung dazu fand am 26. März 2021 im Bundestag statt. Wenn alles passt, könnten erste Produkte ab März 2022 verfügbar sein.

Pepp soll niedrige Kosten verursachen

Die Europa-Rente soll sechs verschiedene Anlagemöglichkeiten bieten. Deren Herzstück ist jedoch das Basis-Pepp. Bei dieser Standardoption soll ein Kostendeckel verbaut sein, der die jährlichen Kosten begrenzt. Die Verwaltungskosten und Provisionen sollen in Summe nicht mehr als ein Prozent der Beiträge eines Jahres betragen dürfen. Freilich gilt der Deckel nur für eine Variante des Produkts, das sogenannte „Basis-Pepp“. Diese Produktvariante muss besonders strenge Regulierungsvorgaben im Sinne des Verbraucherschutzes erfüllen und soll demzufolge besonders für jene Verbraucher geeignet sein, die ein sicheres privates Vorsorgeprodukt wünschen. Für die Anbieter gibt es dabei zwei verschiedene Gestaltungsmöglichkeiten. Dies kann in Form einer kompletten Beitragsgarantie sein oder in Form von Instrumenten zur Risikobegrenzung.

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Angeboten werden sollen die Pepp-Renten jedoch nicht nur als Basisprodukt. Bei der Anlage sollen Verbraucher weitere Investment-Varianten wählen können, die alle fünf Jahre kostenfrei gewechselt werden können. Weiterhin sollen die eingezahlten Beiträge garantiert werden. Dies gelte allerdings nur für die Anlage-Variante mit geringem Risiko. Bei der Ausschüttung der Rente seien mehrere Möglichkeiten erlaubt. So könnten die Renten als Einmalzahlung oder als fortlaufende Rente ausgezahlt werden. Generell bedürfen die neuen Produkte einer Erlaubnis von der europäischen Versicherungsaufsicht EIOPA. Überdies müssten sich Anbieter dem Grundsatz der unternehmerischen Vorsicht, dem sogenannten Prudent Person Principle, unterwerfen und dem entsprechend die Kundengelder anlegen.

Jubel und Kritik

Während Verbraucherschützer vom neuen Rentenprodukt überzeugt sind, hegt die Finanzbranche Zweifel. „Fast alle Stakeholder sind optimistisch, dass Pepp ein Erfolg wird. Einige Lobbyisten der Finanzindustrie wollen jedoch mehr Geld für ihre Vermittler, um das Produkt zu verkaufen“, fasste Axel Kleinlein, Vorstandssprecher des BdV und Präsident von Better Finance, die Diskussion zusammen. So könne Pepp "die Lösung für ein besseres Beitrag-Leistung-Verhältnis und die Chance für eine angemessene Vorsorge sein.“, argumentierte Guillaume Prache, Managing Director von Better Finance.

Kritische Stimmen kommen aus den Reihen der Finanzwirtschaft. So drückten Bernard Delbecque von EFAMA (für die Fondsbranche) und Olav Jones von Insurance Europe (für die Versicherungsbranche) ihre Zweifel am Kostendeckel für das Basis-Pepp aus. Denn die Kosten für die Verwaltung und Provisionen bei maximal einem Prozent der Beiträge zu halten, ist sportlich. Freilich gilt der Deckel nur für eine Variante des Produkts, das sogenannte „Basis-Pepp“. Doch diese Produktvariante muss von jedem Anbieter vorgehalten werden, wenn er auch andere Varianten mit weniger Risiken offerieren will. Zum Vergleich: Beim neuesten Produkt der Allianz betragen die Portfolio-Transaktionskosten 0,05 Prozent und die sonstigen laufenden Kosten 1,18 Prozent pro Jahr. In Summe stehen also bei einer 30-jährigen Laufzeit für das Produkt Allvest immerhin 1,23 Prozent jährliche Kosten. Dabei bietet die Rente nur eine Garantie von 90 Prozent und wird ausschließlich online angeboten.

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Pepp-Kostendeckel ist zu niedrig

Um eine vollständige Beratung für die Verbraucher zu bieten, könnte der Kostendeckel zu niedrig sein. Ergo könnten Pepp-Varianten realistisch betrachtet nur für den Online-Vertrieb darstellbar sein. Vermittler dürften beim Vertrieb der Einheitsrente außen vor bleiben. „Ob ein grundsätzlich beratungsintensives Thema wie die Altersvorsorge komplett online vertrieben werden kann, ist fraglich. Den klassischen Vertrieb über Banken, Versicherungsvertreter und –makler sehen wir bei Pepp allerdings nicht. Das ist mit den vorgesehenen Kostendeckeln gar nicht machbar.“, ordnet Michael Hoppstädter, Geschäftsführer der Longial GmbH, ein.

Ein weiteres Fragezeichen steht bei den möglichen steuerlichen Förderungen: Ob und in welchem Umfang diese erfolgt, liegt bei den einzelnen Mitgliedsstaaten. In Deutschland sind Fördermöglichkeiten denkbar. Dafür müssten jedoch dieselben Vorgaben erfüllt werden, die für andere geförderte Altersvorsorgeprodukte gelten.

Fazit: Die Verbreitung könnte in Deutschland an zwei grundlegenden Stellschrauben scheitern. Dies sind zum einen die Anbieter und zum anderen die Beratung. Gerade in der Niedrigzinsphase haben viele Versicherer Probleme auskömmliche Zinsen zu verdienen. Da kommt es nicht überraschend, dass inzwischen der Großteil der Branche kaum Produkte mit 100%iger Beitragsgarantie anbietet. Die Zeit der Produkte mit garantierten Zinsen dürfte sowieso Geschichte sein. An der Stelle dürfte sich die Frage stellen, welcher Anbieter sich das neue Produkt ans Bein binden will und ein komplexes Altersvorsorgeprodukt mit kompletter Beitragsgarantie mit ins Warenregal stellt.

Angesicht der Erfahrungen bei anderen geförderten Produkten wird die Motivation nicht hoch sein. Während bei Riester-Renten immerhin noch ein Vertragsbestand in zweistelliger Millionenhöhe steht, sind die Vertragszahlen beim so genannten Pflege-Bahr recht überschaubar. Insbesondere bei Riester-Produkten waren immer wieder zu hohe Kosten moniert worden. Dies liegt aber auch an den sehr engen Leitplanken und Vorgaben des Gesetzgebers. Bei der geförderten Pflegeversicherung waren vergleichsweise nur wenige Unternehmen bereit, ein entsprechendes Produkt aufzulegen. Auch hier waren die gesetzlichen Vorgaben recht hoch. Zudem mussten Versicherer damit rechnen, dass man sich verstärkt "schlechte Risiken" einkauft. Denn das Produkt sollte komplett auf Gesundheitsprüfungen verzichten. Deshalb waren derartige Policen insbesondere für ältere oder bereits erkrankte Menschen regelmäßig die einzige Möglichkeit, eine Absicherung für den Pflegefall zu erhalten.

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Die zweite große Hürde dürfte die mangelhafte Aufklärung und Beratung sein. An dieser Stelle unterschätzen Verbraucherschützer und auch Politiker oft die Auswirkungen einer flächendeckenden Beratung via Vermittlerschaft. Ohne den Versicherungsvertreter oder -makler vor Ort hätten deutsche Verbraucher nicht über 80 Millionen aktive Lebensversicherungen. Klar: Viele dieser Verträge wurden in besseren Zinszeiten verkauft. Zwischen 1994 und 2000 lag der Höchtrechnungszins immerhin bei 4,00 Prozent. Hinzu kamen die Überschussbeteiligungen. Es war ein durchaus lohnendes Geschäft für alle Beteiligten. Aber ohne den Vertrieb wäre die innige Verbindung der Deutschen zum Produkt Lebensversicherung nie möglich gewesen. Ergo hätten viele Bürger - mangels Wissen - ohne eine private Vorsorge auskommen müssen. Wer soll also Stand 2022 die neuen Produkte an den Mann oder die Frau bringen? Gerade bei derartig komplexen Themen und der hohen Beiträge für eine Rente, die nur die eigenen Beiträge garantiert, fehlt es vielen Branchenteilnehmern an Phantasie, dass dieses Produkt durchstarten wird. Dass die Initiatoren und Verbraucherschützer mit Pepp hier auf das Pferd Online-Beratung setzen, ist mindestens naiv.

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