Ein Versicherungsnehmer muss sich eine vorvertragliche Anzeigepflichtverletzung eines für ihn tätigen Maklers auch dann zurechnen lassen, wenn dieser einen zutreffend ausgefüllten Fragebogen nicht an den Versicherer weiterleitet, sondern stattdessen handschriftlich falsche Angaben macht. Dabei ist es unerheblich, ob der Versicherungsnehmer selbst ehrlich antwortete. Auf ein entsprechendes Urteil des Oberlandesgerichtes Dresden macht aktuell Rechtsanwalt Stephan Michaelis bei procontra Online aufmerksam (Urteil vom 03.04.2018, Az.: 4 U 698/17).

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Haus mehrfach vom Hochwasser betroffen

Verhandelt wurde der Fall einer Grundstücksbesitzerin, die nach einem Hochwasserschaden im Juni 2013 rund 135.687 Euro von ihrem Wohngebäude-Versicherer haben wollte. Elementarschäden hatte sie mit abgesichert. Der Versicherer weigerte sich aber, das Geld zu zahlen, nachdem er erfahren hatte, dass das Grundstück schon einmal 2002 vom Muldehochwasser betroffen war. Damals wurde das Gebäude fast völlig zerstört.

Tatsächlich hatte der frühere Elementarschaden-Versicherer im Jahr 2005 den Schaden mit 180.000 Euro reguliert: nur um umgehend den Schutz zu kündigen. Im Jahr 2010 schließlich ging die Besitzerin zu einer Versicherungsmaklerin, um den Wohngebäude-Schutz überprüfen zu lassen und aufzufrischen. Ihr wurde der Wechsel zu einem neuen Versicherer empfohlen. Im Antrag machte die Antragstellerin korrekte Angaben — und gab auch den Vorschaden mit der entsprechenden Summe an. Ihr war also keinerlei Fehlverhalten vorzuwerfen. Den Antrag schickte sie der Maklerin zu.

Doch der Vertrag war nicht anhand dieses Original-Antrages zustande gekommen. Stattdessen hatte die Versicherungsmaklerin händisch ein Online-Formular („Softfair Sachlotse“) ausgefüllt, bei dem sie lediglich einen zweiten Vorschaden angab, der ebenfalls im Antrag auftauchte: dieser fiel mit 250 Euro aber weit geringer aus. Den Schaden über 180.000 Euro trug sie nicht ein. Der Versicherer hat lediglich vom Digitalantrag der Maklerin Kenntnis genommen: nicht jedoch vom Originaldokument, das die Grundstücksbesitzerin ausgefüllt hatte. Auf dieser Basis kam der Vertrag zustande, von dem der Versicherer nun Abstand nahm.

Hausbesitzerin klagt: zunächst erfolglos

Die Hausbesitzerin klagte daraufhin gegen ihre Versicherung. Sie machte geltend, dass sie alle Angaben im Antrag korrekt ausgefüllt hätte und eine Täuschungsabsicht folglich nicht vorliege. Zudem hätte der Versicherer versäumt, eine individuelle Risikoprüfung vorzunehmen bzw. Rücksprache mit der Versicherten zu halten.

Doch weder vor dem Landgericht Leipzig noch vor dem Oberlandesgericht Dresden hatte die Klage der enttäuschten Hausbesitzer Erfolg. Der Versicherer kann den Vertrag anfechten und muss den Schaden nicht regulieren. Aus einem einfachen Grund: auch der Versicherungsmakler bzw. die Maklerin stehen im Lager des Kunden.

“Da ein Versicherungsmakler grundsätzlich im Lager des Versicherungsnehmers steht, muss sich der Versicherungsnehmer Anzeigepflichtverletzungen des Maklers selbst dann anrechnen lassen, wenn er die Fragen zutreffend beantwortet hat“, schreibt das Oberlandesgericht Dresden und verweist unter anderem auf ein entsprechendes Urteil des OLG Düsseldorf (Urteil vom 10. März 2017 - - I-4 U 191/15).

Stephan Michaelis verweist darauf, dass das Urteil anders ausgefallen wäre, wenn ein Versicherungsvertreter oder Mehrfachagent den Antrag falsch ausgestellt hätte. Dann würde ein etwaiges Fehlverhalten des Vertreters dem Versicherer zugerechnet werden.

Hausbesitzerin kann Maklerin erfolgreich in Haftung nehmen

Damit ist der Rechtsstreit aber noch nicht beendet. Nachdem das OLG Dresden festgestellt hatte, dass der Versicherungsmakler im Risikobereich des Versicherungsnehmers tätig wird und somit auch dieses Verschulden dem Versicherungsnehmer zugerechnet werden muss, klagte die Hausbesitzerin gegen die Maklerin. Das Landgericht Leipzig hat die Versicherungsmaklerin (Urteil vom 16. Oktober 2019, Az. 9 O 1701/18) verurteilt, den Hochwasserschaden so zu ersetzen, wie er versichert gewesen wäre, wäre es nicht zur Umdeckung gekommen. Außerdem musste die Maklerin sämtliche Prozesskosten des vorausgegangenen Verfahrens ersetzen. Auch das OLG Dresden bekräftigte diese Entscheidung, wie die Kanzlei Reinhold | Linke | Breuer aus Leipzig mitteilt (Az. 4 U 2660/19). Rechtskräftig ist das Urteil gegen die Maklerin aber noch nicht.

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So dürfte die Sache für die geschädigte Hausbesitzerin doch noch gut ausgehen. Mit Blick auf Hochwasser-Regionen zeigt sich ein grundsätzliches Problem: Die Elementarschaden-Versicherer zahlen nur für den Wiederaufbau eines beschädigten Gebäudes, wenn es an genau derselben Stelle restauriert wird, wo es vorher auch gestanden hat. So trägt die Regulierungspraxis dazu bei, dass die Hausbesitzer im Risikogebiet bleiben. Laut Stichproben der Verbraucherzentrale Sachsen finden viele Hausbewohner nach einem Schaden in der höchsten Hochwasser-Gefährdungsklasse vier keinen bezahlbaren Schutz mehr, nachdem der Versicherer ihnen gekündigt hat.

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