Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) warnt aktuell vor einem Milliardenloch in der gesetzlichen Pflegeversicherung. In diesem Jahr ist laut Prognosen des Verbandes ein Defizit von 2,5 Milliarden Euro zu erwarten, so berichten übereinstimmend das „Handelsblatt“ und AFP. Demnach stünden bei den Pflegekassen Einnahmen von 50,3 Milliarden Euro Ausgaben von 52,8 Milliarden gegenüber.

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Für Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ist das eine schlechte Nachricht. Erst vor zwei Jahren hat die Bundesregierung den Pflegebeitrag angehoben: um 0,5 Prozent auf 3,05 Prozent des Bruttoeinkommens. Davon versprach sich Spahn auch finanziellen Spielraum, der nun bereits aufgebraucht ist. Noch im Jahr 2020 hatten die Pflegeversicherer einen Überschuss von 300 Millionen Euro erzielt.

Teure Pflegereformen

Die steigenden Kosten resultieren auch aus mehreren Pflege-Reformen der Bundesregierung. Bereits die Pflegestärkungsgesetze, schrittweise von 2015-2017 umgesetzt, verschlingen zusätzliches Geld: unter anderem wurden die Leistungen für ambulante Pflege raufgesetzt und der Leistungsanspruch für Menschen mit Demenz und anderen geistigen Einschränkungen deutlich erweitert. Die bisherigen drei Pflegestufen wurden zu fünf Plegegraden umgebaut, um die Ansprüche der Pflegebedürftigen besser abbilden zu können.

Doch damit nicht genug: Auch aktuell treibt Jens Spahn Reformen voran. Die Löhne für Pflegekräfte sollen erhöht, Leistungen für die Pflege zu Hause verbessert und die Pflegekosten für Heimbewohner gedeckelt werden. Auch sollen Kliniken und Heime verpflichtet werden, mehr Personal einzustellen. Unbestritten ist hierbei, dass viele Maßnahmen erforderlich sind. Deutschland fehlen hunderttausende Pflegekräfte, die Bezahlung ist vergleichsweise schlecht. Viele Pfleger arbeiten am Rand der Belastung. „Pflege ist die soziale Frage der 20er Jahre“, so hat sich Jens Spahn im Oktober 2020 positioniert.

Eigenanteil immer teurer

Seit den Reformen explodieren zudem die Kosten, die Pflegebedürftige in stationären Einrichtungen zahlen müssen, wie aus Daten der Ersatzkassen hervorgeht. Der monatliche Eigenanteil für die Heimbewohner lag im Sommer 2020 im Bundesschnitt bei mehr als 2.000 Euro, wenn Betroffene vollstationär untergebracht werden müssen. Neben den "reinen" Pflegekosten müssen im Schnitt 774 Euro für Unterkunft und Verpflegung bezahlt werden, hinzu gesellen sich Investitionskosten von 455 Euro. Viele Patientinnen und Patienten sind damit finanziell überfordert: auch ein Grund, weshalb das Bundesgesundheitsministerium die Pflegekosten deckeln will.

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Der GKV-Spitzenverband appellierte an die Regierungskoalition, noch vor der Bundestagswahl die Finanzprobleme in der Pflege anzugehen. Ohne eine Reform müssten spätestens 2022 die Beiträge zur Pflegeversicherung steigen, sagte der für die Pflegekassen zuständige GKV-Vorstand Gernot Kiefer dem "Handelsblatt".

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