„Riester ist mit seinen 16,5 Millionen Verträgen das mit Abstand erfolgreichste Produkt der privaten Altersvorsorge“, so CDU-Finanzexperte Carsten Brodesser gegenüber dem Tagesspiegel. Allerdings teilt diese Einschätzung längst nicht jeder. Auch die Anbieter ziehen sich reihenweise zurück, begründen das mit den teuren Beitragsgarantien und dem nicht unerheblichen Verwaltungsaufwand, der für die Versicherer im Rahmen des Zulagenverfahrens zu bewältigen ist. „So etwas passiert, wenn die Politik versucht, alle möglichen Ideale in ein Produkt zu zwängen, dass dann aber auf längere Sicht in der Praxis nicht funktioniert“, sagte Frank Schäffler, FDP-Mitglied im Finanzausschuss des Deutschen Bundestags auf dem 17. AfW-Hauptstadtgipfel in Berlin.

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Schäffler plädierte deshalb dafür, sowohl die Verpflichtung zur Beitragsgarantie als auch zur Verrentung in der Riester-Rente aufheben. Optional könnten beide Kriterien als Varianten bestehen bleiben. „Aber eine Anlage in Aktien ist beinahe alternativlos in der Altersvorsorge, deswegen muss man dem Anleger mehr Spielraum geben“, so Schäffler. Ein flexibles Altersvorsorgekonto, das unterschiedliche Geldanlagen fördert, wäre aus Sicht des Liberalen eine mögliche Lösung; zumal die Riester-Rente unkompliziert integrierbar sei.

Riester-Rente zu bürokratisch

CDU-Finanzexperte Brodesser ist ebenfalls Mitglied im Finanzausschuss und war - wie Schäffler - Gast auf dem AfW-Hauptstadtgipfel. Dort sprach er sich für eine Reform der Riester-Rente mit einer umfassenden Entbürokratisierung aus: „Wir schlagen vor, aufbauend auf einer Grundförderung ab einem jährlichen Sparbetrag von 437,50 Euro eine klare lineare Förderung einzuführen, in Höhe von 40 Prozent pro Euro“. Zudem sollte der Förderkreis deutlich erweitert werden, nämlich auf alle Deutschland steuerpflichtigen Personen. Damit wären auch die Selbstständigen abgedeckt, deren mangelnde Vorsorge derzeit ebenfalls in der Politik stark diskutiert werde.

Einen konkreten Zeitplan für eine Reform der Riester-Rente konnte Brodesser auf dem AfW-Hauptstadtgipfel aber nicht nennen und verwies nur auf „maßgebliche Gespräche“ mit dem Bundesfinanzministerium, die unmittelbar bevorstünden. „Es ist allerhöchste Zeit, die Anreize für die staatliche Altersvorsorge einfacher und effektiver zu gestalten. Der AfW Bundesverband hält dabei sowohl eine um die Garantiepflicht befreite und flexiblere Riester-Rente, als auch den Vorschlag eines Altersvorsorgekontos für gangbare Wege“, so Norman Wirth, Vorstand des AfW Bundesverband Finanzdienstleistungen. „Eine Konzeptänderung der Riester-Rente scheint nur noch eine Frage der Zeit“, so der AfW.

SPD: Selbstgenutzte Immobilien statt Riester-Förderung

Doch der Schein könnte trügen. Zum einen wäre das Zeitfenster für Gesetzesänderungen in der laufenden Legislaturperiode äußerst klein. Kaum anzunehmen, dass der Koalitionspartner eine „Riester-Reform im Schnellverfahren“ mitmacht. Und das führt unmittelbar zum zweiten „Problem“: Dem Koalitionspartner. Denn der ist nicht die FDP, mit der eine Einigung wohl möglich wäre, sondern SPD. Und die Sozialdemokraten haben ihre eigenen Finanzexperten. Zum Beispiel Lothar Binding. Er ist finanzpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und kennt Brodesser und Schäffler (auch) aus dem Finanzausschuss im Bundestag. Binding hält Riester für den falschen Ansatz, wenn es darum geht, die private Altersvorsorge zu reformieren. Gegenüber dem Tagesspiegel sagte er, statt das Auslaufmodell Riester zu modernisieren, sollte der Staat künftig den Erwerb selbst genutzter Immobilien unterstützen.

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Das klingt nicht nach gemeinsamen Reformbemühungen, sondern nach Stolperstein für die Koalition. Um im Bild zu bleiben: Hält die große Koalition die derzeitige Schrittgeschwindigkeit in Sachen Reformbemühungen, dürfte die Gefahr des Stolperns bis zu den nächsten Bundestagswahlen nicht bestehen.

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