Im Mai 2018 wurde einem Rentner ein neues Hörgerät verordnet, weil sein altes Hörgerät der Marke Phonak defekt war. Gemeinsam mit seinem Hörgeräteakkustiker testete der Mann über einen Zeitraum von vier Monaten insgesamt acht Hörgeräte. Trotz 17 Anpassungssitzungen konnte kein Gerät gefunden werden, mit dem der 1946 geborene Mann so gut hören konnte, wie mit seinem alten Gerät.

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Stattdessen waren die Ergebnisse eher schlechter und der Mann klagte über unerträgliche Störgeräusche. Letztlich entschied er sich für ein Phonak Naida V50, das im Vergleich zu modernen Geräten - aber auch gegenüber seinem Altgerät - deutlich größer ist. In dem Hörgerät, das noch mit Chips alter Bauart ausgerüstet ist, sind allerdings auch größere Lautsprecher und Mikrofone verbaut, die sich positiv auf die Sprachverständlichkeit auswirken.

Hörgerät: Krankenversicherung verweigert volle Kostenübernahme

Die Kosten für das neue Hörgerät beliefen sich auf insgesamt 3.970 Euro. Davon übernahm die Krankenversicherung nur einen Teilbetrag i.H.v. 2.600 Euro. Den Differenzbetrag von 1.370 Euro sollte der Rentner selbst zahlen. Die Krankenversicherung argumentierte, dass das neue Hörgerät nicht medizinisch notwendig im Sinne der Versicherungsbedingungen sei. Der Versicherte könne auch von einem anderen Hörgerät versorgt werden, das nur 999 Euro kosten würde. Zudem verfüge das gewählte Hörgerät über Zusatzfunktionen, die der Rentner überhaupt nicht benötige; er sei deshalb überversorgt.

Der Mann beauftragte daraufhin einen Anwalt und reichte Klage ein. Im Klageverfahren argumentierte Rechtsanwalt Christian Koch, dass Aufwendungen für ein vom Arzt verordnetes Hörgerät überstiegen nur dann das medizinisch notwendige Maß im Sinne von § 5 MB/KK 2009, wenn einerseits das Hilfsmittel zusätzliche, nicht benötigte Funktionen oder Ausstattungsmerkmale aufweise und andererseits zugleich preiswertere Hörgeräte zur Verfügung stünden (BGH, Urteil vom 22.04.2015, AZ: IV ZR 419/13). Zudem müsse der Versicherer eine Überversorgung beweisen, so der Fachanwalt für Medizinrecht.

Im Verfahren wurde zu diesen Fragen auch ein Sachverständiger vom Gericht angehört. Er bestätigte, dass bei dem Patienten eine erhebliche Schwerhörigkeit vorliegt, die auch fortschreite. Der Sachverständige führte außerdem aus, dass Patienten häufig bei einer einmal gewählten Marke blieben. Zu beachten sei weiterhin, dass Hörgeräte bei Patienten mit fortschreitender Schwerhörigkeit über gewisse Reserven verfügen müssen. Das sei bei dem von der Versicherung vorgeschlagenem Gerät nicht der Fall. Auch das Argument mit den Zusatzfunktionen hatte noch der Aussage des Sachverständigen keinen Bestand mehr: Alle modernen Hörgeräte hätten Zusatzfunktionen, die zumeist nicht alle benötigt würden.

Bei dem Patienten, dessen Schwerhörigkeit bereits an der Grenze zur Taubheit ist, sei sogar eine Hörprothese für Gehörlose indiziert, so der Sachverständige. Die Kosten für ein solches Implantat würden mindestens 20.000 Euro betragen. Das vom Kläger ausgewählte sei noch das beste Gerät zu dem vorliegenden Grad der Schwerhörigkeit.

Das Amtsgericht Dortmund entschied deshalb mit Urteil vom 04.11.2020 (liegt Versicherungsbote vor), dass der Kläger einen Anspruch auf 1.370 Euro aus seinem Versicherungsvertrag hat.

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Das Urteil ist zwar noch nicht rechtskräftig, doch die Beklagtenseite wird keine Berufung einlegen, so Fachanwalt Koch gegenüber Versicherungsbote.

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