Versicherungsbote: Können Sie kurz erklären: Was ist die Idee hinter sogenannten Superpools? Wollen Sie Marktmacht gewinnen – und auch Ihre Verhandlungsbasis gegenüber Versicherungen stärken?

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Oliver Pradetto: Größe bringt zweifelsohne Verhandlungsmacht mit sich. Allerdings hat das auch Grenzen. Am Ende kommt die Provision vom Versicherungskunden, dem sind wir alle verpflichtet. Aus unserer Sicht geht es gerade nicht darum, härter mit Versicherern zu verhandeln. Eher geht es um eine gegenseitige Bündelung von Stärken. Die hat auch mit Provisionen zu tun. Tatsächlich verfügen die größeren Pools unserer Pool-Gemeinschaft bereits über entsprechende Provisionsvorteile. Die kleineren Pools sind dadurch im Wettbewerb zusätzlich benachteiligt. Über die Gemeinschaft kann dieser Nachteil für die kleineren Marktteilnehmer ausgeglichen werden. Das ermöglicht auch kleineren Pools, mehr Geld in ihre Wettbewerbsfähigkeit zu investieren oder an ihre Makler weiterzureichen. Die Gemeinschaft gleicht die Nachteile des Einzelnen aus und bündelt die Stärken aller. Das gilt für die Einkaufskonditionen, aber noch viel mehr für die natürlichen Stärken, die jeder Pool entwickelt und bisher im Wettbewerb gegeneinander eingesetzt hat. Diese setzen wir jetzt füreinander ein. Das macht alle stärker, gleichzeitig erhält es die Vielfalt. Das lässt dem Makler mehr Freiheit bei der Auswahl seiner Dienstleister, beschert den Produktanbietern mehr Vertriebskontinuität und -sicherheit, der Endverbraucher profitiert von mehr Leistung.

Die Anbieter im Superpool sollen zusammenarbeiten, aber ihre rechtliche Unabhängigkeit bewahren. Können Sie einen kurzen Einblick geben, wie die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Pools aussieht?

Man kann sich das wie die EU vorstellen. Es gibt ein paar Spielregeln, auf die man sich geeinigt hat. Die muss jeder einhalten. Jeder Pool bringt seine Stärken ein und lässt die anderen daran profitieren, während er diese damit gleichzeitig ausbauen kann. Gleichzeitig bleibt aber jeder Pool unabhängig. Bestand und Vermittler behält er, er bestimmt allein seine Vertriebsausrichtung.

Welchen Nutzen haben Sie persönlich davon, sich solch einem Superpool anzuschließen?

blau direkt hat dies bereits enorme Vorteile gebracht. Und mit jedem neuen Mitglied gewinnen wir an Stärke. blau direkt ist beispielsweise sehr stark in der IT und den Prozessen. Entsprechend haben wir alle Pool-Partner mit unserer Technik ausgerüstet. Dadurch gewinnen wir an Erfahrung hinzu, wie unsere Technik auch in anderen Vertriebsmodellen wertschöpfend eingesetzt werden kann. Durch die stärkere Frequentierung unserer Datenschnittstellen steuern unsere Versicherungspartner erheblich bereitwilliger ihre technischen Ressourcen in Richtung unserer Bedürfnisse. Und unsere technische Entwicklung beschleunigt sich durch diese Effekte zusätzlich. Dazu kommen preisliche Vorteile. So lange wir die Technik nur für uns selbst hergestellt haben, haben wir diese auch allein finanziert. Hier tragen die Partner die Kosten anteilig mit. Für sie ist das viel billiger als jede Alternative. Trotzdem vergrößert es unsere Investitionsmöglichkeiten erheblich.

Umgekehrt konnte blau direkt eigene Schwächen durch die Stärken unserer neuen Partner kompensieren. So hat Insuro beispielsweise unser gesamtes Management im Krankenversichungsbereich übernommen. Dadurch ist die Beratungsqualität für unsere Maklerpartner gestiegen. In der Folge hat sich der Umsatz unserer Partner im Bereich Krankenversicherung in drei Jahren mehr als verdoppelt.

Können Sie Beispiele nennen, wie die Stärken und Schwächen der Superpool-Mitglieder ermittelt werden – und daraus dann eine gemeinsame Strategie entsteht?

Auch hier ist der Prozess ähnlich des Vorbilds der EU. Nach gemeinsamen Gesprächen wird über die Aufnahme in einen Integrationsprozess entschieden. In diesem Integrationsprozess werden die jeweiligen Stärken ermittelt. Wer in einem Bereich überlegen ist, übernimmt diesen operativ für alle Partner der Gemeinschaft und profitiert auch daran. Umgekehrt gibt er die Bereiche ab, in denen andere Partner überlegen sind. Aktuell läuft beispielsweise die Integration von Wifo. Wifo ist ein Pool mit großartiger Tradition und sehr umsatzstark. In den technischen Gegebenheiten hatte Wifo jedoch den Anschluss verpasst. Der erste Schritt besteht also darin, die Wifo mit modernster Technik auszustatten, sodass die Partner von Wifo mit den leistungsfähgigsten Werkzeugen nach state of the art hantieren können.

In Sachen Bestandsverwaltung hat blau direkt ebenfalls die weitergehend automatisierten Prozesse zu bieten. Wir übernehmen daher die gesamte Bestandsverwaltung für den Wifo-Bestand. Bei blau direkt lastet das unsere Belegschaft aus, verschafft uns weiteres Wachstum. Bei Wifo setzt das theoretisch mehr als die Hälfte des Personals frei. Nun kommt aber die umgekehrte Seite: Wifo hat die erheblich bessere Unterstützung von Maklern für biometrische Risiken. Makler, die bei blau direkt ein Angebot für eine BU abforderten, wurden nur mäßig von uns unterstützt. Hier übernimmt nun Wifo. Sie dürfen nun das vierfache Volumen abarbeiten. Das heißt, hier können sie die frei gewordene Belegschaft nun hochspezialisiert, konzentriert und effektiv einsetzen. Das Gleiche geschieht mit dem Gewerbegeschäft. Auch hier wird Wifo die Führung übernehmen. Wifo wird also nun zwei große Geschäftsbereiche für die gesamte Poolgemeinschaft übernehmen und managen. blau direkt und die anderen Partner kümmern sich dafür um alles andere bei Wifo. Für die Partner von Wifo und blau direkt heißt das nichts anders, als dass sich deren Services in bestimmten Teilbereichen deutlich verbessern werden. Es gibt also nur Gewinner.

Müssen Versicherungsmakler bei allen Pool-Mitgliedern angeschlossen sein, um von den Strukturen des Superpools profitieren zu können? Oder ist es gerade die Idee, dass dies nicht notwendig ist?

Nein. Die Pool-EU regelt vor allem die operativen Bereiche. Das sind aber alles interne Bereiche. Die Makler von Wifo betreuen beispielsweise nach wie vor allein Wifo. Sie bekommen mehr Möglichkeiten und Zugriff auf die Spezialisten der anderen Pools und Vertriebe, bleiben aber komplett Wifo-Partner und behalten selbstverständlich auch die volle Autonomie über ihre Bestände. Das Gleiche gilt für die blau direkt-Partner: Sie können demnächst auf die Unterstützung von Wifo zugreifen, aber alle vermittelten Verträge bleiben in ihrem Bestand und die Makler haben als rechtlichen Ansprechpartner ausschließlich blau direkt.

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Auch hier bietet die EU ein gutes Vorbild:Wenn Sie Belgier sind, können Sie in Spanien arbeiten, in Frankreich wohnen, in Italien Urlaub machen und ihre Kinder in Österreich studieren lassen. So ist es auch für unsere Maklerpartner. Sie sind bei einem Pool oder Vertrieb, nutzen aber die Vorteile aller gemeinschaftlich verbundener Pools und Vertriebe.

Kannibalisierungs-Effekte sind unvermeidlich

Befürchten Sie denn überhaupt keine Kannibalisierungseffekte untereinander?

Die gibt es. Das ist absolut unvermeidlich. Wenn man sich dessen bewusst ist und die Herausforderung annimmt, kann man damit aber wunderbar umgehen. Als wir mit Finanz-Zirkel die Zusammenarbeit aufnahmen, stellten viele Finanz-Zirkel-Partner sich die Frage, warum sie nicht lieber gleich direkt zu blau direkt gehen sollten. Das lag nicht zuletzt daran, dass Finanz-Zirkel wirklich sehr vieles von blau direkt übernommen hat. Eine offene Kommunikation hat hier sehr geholfen. Es wurde schnell klar, dass blau direkt den Finanz-Zirkel-Partnern nicht die Einzelunterstützung angedeihen lassen wollte und konnte, die Finanz-Zirkel-Partner genießen. Entsprechend haben bis heute lediglich zwei Partner von Finanz- Zirkel zu blau direkt gewechselt.

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Umgekehrt gingen über die Zeit drei oder vier Partner von blau direkt sogar zu Finanz-Zirkel. Wir haben letztlich über jeden Fall o en gesprochen und diese Fälle individuell untereinander geregelt. Am Ende hat sich das als Vorteil für alle erwiesen, denn so konnten die Makler dorthin gehen, wo sie sich am besten aufgehoben fühlten. So ähnlich hat es sich bisher bei allen Unternehmen innerhalb unserer Gemeinschaft verhalten.

Wenn sogenannte Superpools entstehen, könnten Makler geradezu gezwungen sein, sich ihnen anzuschließen. Besteht hier nicht die Gefahr, dass hier eine Strukturvertriebs-ähnliche Abhängigkeit entsteht und sie ihre Abhängigkeit im Sinne des Kunden gefährden?

Wir hoffen das. Es ist unser unternehmerisches Ziel, so geniale Dienstleistungen anzubieten, dass der Makler sich freiwillig von uns abhängig macht. In den letzten zehn Jahren haben wir beispielsweise dazu beigetragen, dass 1.800 Innendienstkräfte auf Seiten unserer Maklerpartner freigesetzt wurden. Das heißt, unsere Partner haben gegenüber ihren Vermittlerkonkurrenten enorme Ersparnisvorteile genossen. Aber das bedeutet natürlich auch Abhängigkeit. Wenn Sie ihren gesamten Innendienst automatisiert durch blau direkt oder einen anderen Pool der Gemeinschaft erledigen lassen, ist es schwer, sich über Nacht davon zu trennen. Sie haben dann ja kein großes Büro mehr, keine Computer mehr für Innendienstkräfte. Und eben auch die ausgebildeten Innendienstkräfte selbst kann man nicht wieder aus dem Hut zaubern. Ich verstehe aber auch nicht, was daran ein Problem sein soll. Selbst die größten Automobil- oder Flugzeughersteller der Welt sind heute abhängig von Zulieferern. Das ist eine Folge von hochproduktiver Arbeitsteilung und ganz normal in einer modernen Arbeitswelt. Der Makler war vorher abhängig von seinem Stromversorger, seinem Vermieter, seinem Entsorgungsbetrieb, den Wasserwerken und vielem mehr. Jetzt ist er eben auch abhängig von einem Pool-Dienstleister. Na und? Mit der Unabhängigkeit in der Beratung oder Produktauswahl hat das rein gar nichts zu tun. Wir geben dem Makler genauso wenig vor, was er wie zu verkaufen hat, wie es sein Stromanbieter tut. Im Übrigen: Genauso wie er den Stromanbieter wechseln kann, kann er seinen Pool jederzeit wechseln. Das wird durch unsere “Pool-EU” eher noch leichter für ihn. Da hat er jetzt schon fünf Pools zur Auswahl, bei denen er nicht einmal das Programm oder seine operativen Ansprechpartner wechseln müsste. Das ist dann wirklich genauso leicht wie Strom wechseln: Da braucht es keinen Ausbau von Steckern und keinen Wechsel der Elektrogeräte. Man meldet sich einfach um und schon hat man einen anderen Vertragspartner und andere Konditionen. Sicherer und freier als durch die Pool-EU kann es für einen Makler gar nicht werden.

Wird es künftig für Maklerpools notwendig sein, sich zu solchen Superpools zusammenzuschließen? Wie sehen Sie die Chancen kleiner Pools ohne ein solches Netzwerk?

Jeder Markt strebt einer Verdichtung zu. Schon vorher hat sich der Poolmarkt hin zu einem Oligopol entwickelt. Fonds Finanz und blau direkt hatten zusammen schon rund 50 Prozent Marktanteil im Versicherungsbereich unter den Pools. Man übersieht diese Marktkonzentration oft, weil in Pool-Vergleichen meistens auch Fonds und Finanzierungen mitbetrachtet werden. Dadurch wirken auch Player wie beispielsweise Fondskonzept, Fondsnet oder Netfonds wie Riesen. Das sind sie im Fondsbereich auch ganz sicher, aber eben nicht im Versicherungsbereich. Freiere Zusammenschlüsse wie unsere Pool-EU beschleunigen diese Entwicklung, erhalten aber gleichzeitig mehr kleinere Player. Ohne die EU wären Dänemark, Österreich oder die Niederlande im Welthandel schon längst erpressbar durch Supermächte wie China, Russland und die USA. Selbst größere Nationen wie Deutschland oder Frankreich hätten es schwer. Das Konzept der Pool-EU ist ein Super-Pool-Konzept und schafft Waffengleichheit gegenüber anderen “Supermächten”. Die Pool-EU schützt die kleineren Player und damit die Vielfalt für den einzelnen Makler. Das wirft natürlich die Frage auf, warum wir das wollen. Aufgrund unserer technischen Überlegenheit holen wir enorm schnell den Abstand zum aktuellen Marktführer auf. Wir könnten dann – wie wir es mal halb ernst, halb scherzhaft mit Norbert Porazik besprochen haben – die kleineren Pools zwischen uns aufreiben.

„Das schafft keiner von uns allein“

Ich glaube aber, das wäre aus drei Gründen kurzsichtig:

  1. Die Poolwelt ist jetzt schon nicht die ganze Welt, sondern nur ein kleiner Ausschnitt davon. Schon in Deutschland hat eine DVAG allein viermal so viel Umsatz wie alle Pools zusammen und mehr als doppelt so viele wie der nächste Vertrieb. Das heißt, wir überschätzen uns und unsere Marktbedeutung, wenn wir das aus dem Blick verlieren.
  2. Uns allen droht der Markteintritt gewichtiger Marktverdränger wie Amazon oder PingAn. Das sind gewaltige Geld- und IT-Maschinen, die jeden von uns Zwergen mit ihrer gewaltigen Marktmacht zerschmettern könnten.
  3. Die Digitalisierung ermöglicht schon bald den Versicherungskonzernen, unabhängige Makler und Vertriebe auszuschalten, wenn diese ihnen bei der Besetzung der digitalen Kanäle nicht zuvorkommen.

Wenn wir eine Chance haben wollen, den unabhängigen Maklermarkt zu retten, wird es gewaltige Investitionen in IT, Strukturen und Prozesse brauchen. Außerdem bedarf es einer Ausdehnung auf Europa als Gesamtmarkt mit einer Bündelung gewaltiger Kundenmengen. Dafür bleiben uns maximal zehn, eher nur fünf Jahre. Das schafft keiner von uns allein. Deshalb versuchen wir, so viele Pools und Vertriebe zu bündeln. Und wir halten das Konzept auch ganz bewusst so offen, dass vom kleinen Pool über den Marktführer selbst bis hin in die größten Vertriebe jeder hier einen Kompromiss für sich finden kann. Wir müssen unsere Eitelkeiten überwinden und teilen lernen.

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Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass gerade ich für viele sehr unglaubwürdig wirken muss, wenn ich das propagiere. Gerade das sollte jedem klar machen, wie ernst die Situation schon bald für uns alle sein wird, wenn die Bündelung der Kräfte ausbleibt.

Hinweis: Der Text erschien zuerst im Versicherungsbote Fachmagazin 02/2020

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