Die privaten Krankenversicherer starten eine Öffnungsaktion, um Beamte und deren Angehörige aus einer Krankenkasse zu den privaten Krankenvollversicherern zu locken. Das teilt der PKV-Verband am Donnerstag per Pressetext mit.

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"Keiner wird aus Risikogründen abgelehnt"

Profitieren sollen vor allem Beamtinnen und Beamte, bei denen Vorerkrankungen bestehen, die nach dem Äquivalenzprinzip der PKV üblicherweise hohe Risikozuschläge nach sich ziehen oder einen Versicherungsschutz sogar ganz ausschließen können. Im Zeitfenster vom 1. Oktober 2020 bis 31. März 2021 können Beamte mit Beihilfe-Anspruch leichter aufgenommen werden.

“Keiner wird aus Risikogründen abgelehnt. Es gibt keine Leistungsausschlüsse. Und sollten wegen bereits bestehender Vorerkrankungen erhöhte gesundheitliche Risiken vorliegen, werden erforderliche Zuschläge auf maximal 30 Prozent des Beitrags begrenzt“, verspricht Stefan Reker, Geschäftsführer des PKV-Verbandes, laut Pressetext.

Der PKV-Verband habe in den letzten Monaten viele Gespräche mit Landesregierungen und mit Vertretern der Beamtenverbände geführt, berichtet Reker weiter. "Dabei wurde uns gelegentlich von Beamten berichtet, die als freiwillig Versicherte in der Gesetzlichen Krankenversicherung geblieben sind, aber lieber die Kombination aus PKV und Beihilfe nutzen würden". Diese sollen nun eine Wahlfreiheit erhalten. "Wir wollen damit ein Signal setzen, dass Beamte und beihilfekonforme PKV zusammengehören. Nicht ohne Grund ist das eine millionenfach bewährte Kombination", sagt Reker.

Mehr als die Hälfte der Vollversicherten sind Beamte

Ganz selbstlos ist die Aktion freilich nicht. Beamte gehören mittlerweile zur wichtigsten Zielgruppe der privaten Krankenversicherer, mehr als jeder zweite Vollversicherte hat einen Beihilfe-Anspruch. Und auch das finanzielle Risiko ist geringer als bei anderen Vollversicherten. Bund und Länder übernehmen 50 bis 70 Prozent der Arzt- und Behandlungskosten, abhängig von Familienstand und Status. Gerade im Alter, wenn die Gesundheitskosten im statistischen Schnitt besonders hoch sind, ist der Zuschuss aus Steuermitteln am höchsten.

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So mag es vielleicht wenig verwundern, dass derartige Öffnungsaktionen für andere wichtige Zielgruppen der PKV -etwa Selbstständige- bisher ausgeblieben sind. Unter Druck gerät das Beihilfesystem zudem, weil dadurch Bund und Ländern immer höhere Kosten entstehen. Allein im Jahr 2018 legten die Rückstellungen des Bundes für Beihilfen in der privaten Krankenversicherung um 23,29 Milliarden Euro zu: von 167,46 Milliarden auf 190,75 Milliarden Euro. Geld, das aus Steuertöpfen bedient werden muss.

...Großteil des Neugeschäfts mit Beihilfe-Berechtigten

Auch aufgrund steigender Beihilfe-Kosten zahlen immer mehr Bundesländer eine Pauschale, wenn sich Beamtinnen und Beamte gesetzlich versichern. Erstmals bot die freie Hansestadt Hamburg ab dem 1. August 2018 einen entsprechenden Zuschuss des Dienstherren an. Dem Beispiel folgten die Bundesländer Berlin, Brandenburg, Bremen, Thüringen und Sachsen. Zuvor lohnte es sich für Beihilfeberechtigte kaum, eine Krankenkasse zu wählen: Sie mussten Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteil gleichzeitig stemmen.

Wichtig für das Neugeschäft

Beihilfe-Berechtigte machen mittlerweile einen Großteil des Neuzugangs in der privaten Krankenvollversicherung aus, wie eine Studie von Assekurata zeigt. Im PKV-Neugeschäft verbesserte sich demnach 2019 der Nettozuwachs mit Beihilfe-Tarifen von 0,9 Prozent auf 1,5 Prozent, so berichtet das Kölner Analysehaus. Im Nicht-Beihilfesegment schrumpfte hingegen der Bestand an Verträgen um 1,6 Prozent (Vorjahr: -1,3 Prozent).

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„Dies unterstreicht den langjährigen Trend, wonach Beihilfeberechtigte bereits seit 2014 mit rund 55 Prozent den Großteil des jährlichen Neuzugangs aus der GKV ausmachen. Seit 2018 sind sie auch bestandsmäßig in der Überzahl“, sagt Gerhard Reichl, Fachkoordinator Krankenversicherung bei Assekurata.

Die Coronakrise dürfte die privaten Krankenversicherer zusätzlich unter Druck setzen. Vielen Selbstständigen sind wichtige Einnahmen weggebrochen, laut einer Studie der Restrukturierungsberatung Falkensteg erwarten Insolvenzverwalter im Herbst eine Pleitewelle. Das könnte Unternehmer dazu bewegen, den Weg zurück in ein Angestellten-Verhältnis zu wählen: Und sich dann auch einem gesetzlichen Versicherer anzuschließen.

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