War die Corona-Pandemie kalkulierbar? Unter anderem diese Frage sollte Oliver Bäte – als Chef des größten europäischen Versicherers – in einem aktuellen Interview mit dem Nachrichtensender n-tv beantworten. Besteht doch in der Kalkulation von Risikoszenarien eine wesentliche Aufgabe der Versicherungswirtschaft.

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Bäte gestand ein: Eine Pandemie sei „prinzipiell“ nicht etwas, das „neu“ ist. Es habe schließlich zuvor bereits Pandemien gegeben, aus denen man habe lernen können – wie jene durch die Spanische Grippe. Derartige Pandemien wären immer auch Teil eines Risikoszenarios. Schwer zu erwägen wäre allerdings, wie sich ein solches Risikoszenario konkret auswirkt.

Erneut verglich Bäte für dieses Problem – wie schon im Interview vor einigen Tagen mit dem Nachrichtenmagazin Spiegel – die Corona-Pandemie mit einem offenkundigeren Extrem-Ereignis. Im Interview mit dem Nachrichtenmagazin Spiegel zu Beginn des Monats wählte der Vorstandschef der Allianz hierfür den Vergleich mit der Explosion eines Atomkraftwerks. Nun sollte ein Meteoriten-Einschlag für mehr Anschaulichkeit sorgen. Was Bäte hierbei herausstellte: Führt ein extremes Ereignis zur fundamentalen Beeinflussung der gesamten Weltwirtschaft und nicht nur eines Landes, sei dieses Ereignis „per se als Event schon mal nicht versicherbar“.

Das Beispiel Betriebsschließungen als „nicht versicherbarer Fall“

Die wirtschaftlichen Folgen eines solchen Systemrisikos gingen weit über „die Kapitalausstattung unserer Industrie“ hinaus, gab Bäte zu bedenken. Der 55jährige wiederholte damit das schon dem Spiegel vorgetragene Argument, die Versicherungsindustrie könne nicht genügend Eigenkapital aufbauen, um Extrem-Ereignisse wie die Corona-Pandemie zu decken.

Hierbei positionierte er sich auch zur Debatte um die Betriebsschließungsversicherung (BSV) und brachte dieses Thema sogar selber in das Gespräch ein. Bäte wörtlich: „Ich nehme mal das Thema Betriebsschließungen, grundsätzlich. Wenn in einem solchen Zusammenhang die Bundesregierung oder eine Regierung entscheidet, systematisch ganze Wirtschaftszweige, sogar die Gesamtwirtschaft zu schließen, dann ist das ein nicht versicherbarer Fall.“

Deutschland tue sich schwerer, den heimischen Gastwirten zu helfen als Griechenland

Was aber sollte nun getan werden in Anbetracht der Krise? Für die heimische Wirtschaft ist laut Bäte eine schnelle Vergabe von Krediten nötig. Dies gelte insbesondere für das Gastronomiegewerbe sowie die Hotellerie. In diesen Gewerben wäre es oft schwer, an Kredite zu kommen, da die Unternehmen häufig keine großen Substanzwerte angehäuft hätten. Denn das „Kapital“ zum Beispiel eines Restaurants seien im wesentlichen „die Küche und die Einrichtungsgegenstände und die Arbeitskraft der Menschen“.

Weil Kreditvergabeprozesse "zu langsam und zu risiko-avers" seien, sieht Bäte insbesondere das Gastronomiegewerbe nun in Not. In diesem Kontext polemisiert Bäte: er wundere sich, dass „wir uns schwerer tun in Deutschland, quasi unseren Gastwirten zu helfen, aber viele viele Milliarden nach Griechenland und andere Länder überweisen“. Denn auch bei diesen Geldern für andere EU-Länder wisse man nicht, ob "sie zurückkommen“.

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Zwar prognostizierte Bäte auch für die geforderten Kredite für Gastwirte, dass es „lange dauert, bis das Geld zurück kommt“. Dennoch würde Bäte in der derzeitigen Lage „dringend“ dafür „bitten“, schnell und unbürokratisch durch solche Kredite helfen.

Geld für Investitionen nötig statt für den Anreiz von Konsum

Auch zu Eurobonds und damit zu gemeinsamen Anleihen durch die EU-Länder positionierte sich Bäte. Denn seine Polemik gegen die gezahlten Gelder an andere EU-Länder darf nicht als Absage an Hilfen innerhalb der EU verstanden werden. Im Gegenteil beharrte Bäte mehrfach im Interview auf die Feststellung: Man könne nicht „gesund sein in einer ungesunden Nachbarschaft“.

Das veranschaulichte Bäte anhand der deutschen Automobilindustrie – sowohl die deutschen Produzenten als auch die deutschen Zulieferer wären auf Zulieferer aus Norditalien angewiesen. Demnach müsse Deutschland unbedingt helfen, damit die EU-Länder „wieder auf die Füße kommen“. Das sei auch im eigenen Interesse.

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Kein „Ausschütten von Geld ohne Rückzahlung“

Allerdings lehnte Bäte das „Ausschütten von Geld ohne Rückzahlung“ ab. Wenngleich er darauf verwies, dies sei seine persönliche Meinung und keine Meinung der Allianz, appellierte er dringend dagegen, Geld nur „zu verteilen oder umzuverteilen“. Denn das „funktioniert überhaupt nicht, hat nie funktioniert und wird nicht funktionieren“, wie der Allianz-Chef es formuliert. Damit erteilte er auch den Eurobonds eine klare Absage.

Auch solle Geld nicht in den Konsum gesteckt werden, da die Menschen in der Krise eh mehr Geld zurücklegen und die Sparquote aktuell nach Aussagen von Volkswirtschaftlern auf 22 Prozent ansteigen werde. Denn in jeder Krise würden die Menschen zunächst anfangen, zu sparen.

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Statt „für den Anreiz von Konsum“ müsse Geld also „für Investitionen genutzt“ werden, um wieder die Wirtschaft anzukurbeln. Hierfür empfahl Bäte zur Umsetzung die „gut strukturierten Programme“ des Europäischer Stabilitätsmechanismus ESM. Hätten doch insbesondere Portugal und Irland als Beispiele gezeigt, dass diese Programme gut funktionieren. Das komplette Interview mit Bäte ist auf der n-tv-Webseite verfügbar.

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