Versicherer haben zunehmend Nachwuchssorgen: Das belegen Zahlen und Umfragen. Nur knapp 13 Prozent der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist jünger als 30 Jahre, so geht aus Daten des Arbeitgeberverbandes der Versicherer (AGV) hervor. Und knapp ein Drittel (29 Prozent) der Versicherer und Banken hat laut einer Umfrage des Industrie- und Handelskammertages Probleme, alle Ausbildungsstellen zu besetzen. In dieser Situation wird der Ruf an die Versicherer lauter, mehr zu tun, um Nachwuchskräfte für die Branche zu gewinnen.

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Das will nun die Nürnberger Versicherung angehen und hat bereits am 14. Oktober eine Arbeitgeberkampagne gestartet. Sechs Wochen soll diese Aktion laufen und neben Stellenanzeigen sowie Social-Media-Aktivitäten den Namen des Versicherers dorthin tragen, wo sich junge Leute treffen. Vier Werbespots sollen in regionalen Kinosälen flimmern und darüber hinaus online geschaltet werden. Damit nicht genug: Citylight-Poster werden an Bahnhöfen und im Umfeld von Universitäten aufgehängt. Neben jungen Menschen wollen die Franken auch berufserfahrene Umsteiger für sich gewinnen.

Traumjob Versicherung?

Dem Versicherer ist durchaus bewusst, dass man den eigenen Ruf korrigieren muss. Oder wie es im Text zur Kampagne steht: Nur wenige Menschen träumen als Kind davon, einmal für Branche tätig zu sein. Man verbindet den Job eher mit Pief und schlecht sitzenden grauen Anzügen denn mit Abenteuer und Herausforderung. Diese Tatsache will sich die Nürnberger zunutze machen und Traumberufe der Kindheit den Jobs in der Versicherungsbranche gegenüberstellen.

„Mit Slogans wie ‚Du wolltest schon immer Rennfahrer werden? Jetzt bringst du im Vertrieb deine PS auf die Straße.‘ möchten wir potenziellen Bewerbern zeigen, dass sie bei uns einen unerwarteten Traumjob finden können, der alles andere als langweilig ist“, erklärt Walter Bockshecker, Personalvorstand der Nürnberger, laut einem Pressetext des Versicherers.

Nürnberger als „Perfect Match“

Ob die eigene Imagekorrektur gelingt, bleibt abzuwarten. So zeigt schon der Pressetext der Nürnberger, dass die Kampagne stellenweise etwas anbiedernd daher kommt. Als „perfektes Karriere-Match“ bezeichnet Bockshecker etwa die Nürnberger als Arbeitgeber. So steht es nun auch auf der überarbeiteten Karriere-Webseite des Versicherers. Damit bedient man die Sprache jener, die bei Tinder nach neuen Dates und Flirtpartnern Ausschau halten. Der nächste Job ist nur einen Wisch entfernt? Hier ist zu befürchten, dass die Zielgruppe mit „Nope!“ antwortet.

Aber immerhin: Die Nürnberger versucht es, das eigene Image zu entstauben. Und will auch mit alten Stereotypen aufräumen. „Wir werden von der Außenwelt nach wie vor als konservativ und starr wahrgenommen, dabei haben wir uns verändert. Wir sind dynamisch und offen, und das wollen wir nach außen tragen“, sagt Personalvorstand Bockshecker. Geübte Leser werden erkennen, dass man „dynamisch und offen“ auch eher aus dem Standardwortschatz der Personalabteilungen kennt.

sympathische Azubine mit Kindheitstraum "Entdeckerin": Beispiel für eine Werbung der neuen Nürnberger-Kampagne.Nürnberger Versicherung

Models aus eigenem Hause

Positiv: Der Versicherer tut etwas. Und ist stolz darauf, dass man die jetzige Kampagne im eigenen Haus entwickelt hat und nicht bei einer externen Agentur eingekauft. Das betrifft auch die „Models“ für die Kampagne: für die Werbefotos posierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Nürnberger. Kein neuer Ansatz, die Commerzbank oder die Obi Baumärkte machten es in Werbespots ähnlich. Die Personen auf den Kampagnen-Webseiten wirken sympathisch: Man könnte sie sich als zukünftige Kollegen vorstellen.

Ob es den Franken tatsächlich gelingt, die Tätigkeit bei einem Versicherer als "Traumberuf" und "Best Match" erfolgreich zu bewerben? Das Geld jedenfalls kann nicht Ursache für die Branchenprobleme sein. Die Bezahlung für Azubis und Berufsanfänger ist bei den Assekuranzen überdurchschnittlich gut, wie Daten des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) zeigen. Erhalten Azubis der Versicherer im Schnitt 1.035 Euro im Monat, sind es im Schnitt aller Branchen nur 908 Euro.

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Am Ruf der Versicherungsbranche als Arbeitgeber kratzt aber nicht nur das fehlende Vertrauen: mitverursacht auch durch Skandale und teils intransparente Produkte. Auch ein hoher Wettbewerbsdruck, radikale Umbauprogramme und Schlagzeilen über Stellenabbau bei einigen Branchengrößen könnten dazu beitragen, dass Versicherer eher nicht auf der Wunschliste potentieller Fachkräfte stehen. Die Nürnberger hat zuletzt im Jahr 2015 Stellen gestrichen: Die Bezirksdirektionen wurden von 64 auf 32 reduziert, rund 170 Jobs fielen weg.

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