Eigentlich schützen diese Scheine im Sinne einer EU-Richtlinie Pauschalreisende vor den Folgen einer Insolvenz. Aber es gibt Sorge: Die Policen könnten unterhalb der notwendigen Schadensumme gedeckelt sein. Vielleicht bleiben Kunden sogar auf Kosten sitzen.

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Nun ist es passiert: Nachdem mit Thomas Cook nicht nur der älteste, sondern auch einer der größten Tourismuskonzerne pleite ging, konnte sich auch die deutsche Tochter nicht mehr halten. Und in den Pleite-Strudel reißt es auch bekannte Marken hinein. Hält doch Thomas Cook Deutschland auch die Marken Neckermann-Reisen, Öger Tours, Air Marin und Bucher Reisen. Zu den 600.000 Touristen, die durch die Pleite der Konzernmutter betroffen waren, kommen nun also nochmal 140.000 Betroffene zusätzlich hinzu. Hoffnung gibt es einzig für die Fluggesellschaft Condor: Diese erhielt am gestrigen Abend eine Zusage über eine Bürgschaft von 380 Millionen Euro und soll demnach fortbestehen.

Zurich in der Haftungs-Bredouille

Welche immensen Schadensummen durch die Thomas-Cook-Pleite drohen, veranschaulicht die aktuelle Rückhol-Aktion des britischen Staates: 150.000 Urlaubsreisende wurden und werden in der Summe durch die zivile Luftfahrtbehörde CAA zurück ins Vereinigte Königreich befördert, die britische Regierung spricht von der "größten Rückholaktion in Friedenszeiten“. In Deutschland jedoch ist so eine Aktion auf Kosten der Steuerzahler nicht möglich, hier wird zunächst ein privater Versicherer in die Pflicht genommen. Laut Meldung der Nachrichtenagentur Reuters betrifft es die Zurich.

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Äußerte doch ein Zurich-Sprecher gegenüber der Agentur: Die Zurich hält jene Reisesicherungsscheine für den Konzern, deren Bereitstellung aufgrund einer EU-Richtlinie – der Richtlinie (EU) 2015/2302 des Europäischen Parlaments über Pauschalreisen und verbundene Reiseleistungen – für die Reiseunternehmen in Deutschland verbindlich ist. Über derartige Reisesicherungsscheine meinte der deutsche Gesetzgeber im Sinne des EU-Rechts sichergestellt, dass „im Fall einer Insolvenz die Erstattung von Zahlungen und die Rückbeförderung der Reisenden gewährleistet sind“.

Versicherungssumme: Die Krux mit dem Deckel

Das Problem aber: Versicherer haften mit Deckel. Darauf verweist bereits das Statement des Zurich-Sprechers gegenüber Reuters. Denn „ohnehin“ seien ja die Policen für die Töchter „auf 110 Millionen Euro pro Jahr und Reiseveranstalter gedeckelt“. Die Frage stellt sich demnach: Ist der Schaden auch in ausreichender Höhe gedeckt? Es gibt Zweifel.

Verbraucherzentrale: Vorwürfe an die Regierung

So erhebt aktuell der verbrauchernahe Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) über seinen Vorstand Klaus Müller Vorwürfe gegenüber dem Gesetzgeber. Denn schon länger machten die Verbraucherschützer auf das Problem aufmerksam, dass „der Höchstbetrag der Absicherung von 110 Millionen Euro pro Reiseveranstalter und Jahr deutlich angehoben werden“ müsste. Dass es überhaupt eine solche Haftungsgrenze bei der Schadensumme gibt, ist dem Paragraphen 651r des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) geschuldet.

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Vzbv-Vorstand Müller erinnert auch daran, dass das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz vor drei Jahren angekündigt hatte, ein Gutachten darüber einzuholen, ob und um wieviel der Höchstbetrag angehoben werden muss. Ein solches Gutachten aber liege bis heute nicht vor.

Bereits im März diesen Jahres (und damit noch vor der Thomas Cook-Pleite) hatte der Verbraucherzentrale Bundesverband schon einmal gewarnt und forderte zudem in einer Pressemitteilung eine Insolvenz-Versicherung für Fluggesellschaften. Würden doch die Pleiten „unter anderem von Air Berlin, Niki und Germania“ zeigen: Insolvenzen von Fluggesellschaften sind mittlerweile keine Ausnahme mehr.

Kunden könnten sogar auf Kosten sitzen bleiben

Was aber bedeutet jene nun eingetretene Situation, die den vzbv im Nachhinein als Rufer in der Wüste erscheinen lässt? Was folgt letztendlich für die Verbraucher? Laut einem Bericht der FAZ droht: Reicht die gedeckelte Versicherungssumme nicht für alle Zahlungen aus, könnten Kunden nach deutschem Recht nur anteilig Erstattungen bekommen. Demnach blieben sie letztendlich auf einem Teil ihrer Kosten sitzen.


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Und dabei ist aus Sicht von Kritikern nach jetzigem Stand nicht einmal geklärt, ob die Maßgaben des Bürgerlichen Gesetzbuchs für die Insolvenz von Reiseunternehmen überhaupt einer Überprüfung durch EU-Recht standhalten würden. Müsste diese Frage aber nun durch Gerichte geklärt werden, dauert das eine lange Zeit. Die Kunden hätten bis dahin das Nachsehen.

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