In vielen Verfilmungen antiker Sagen haben Männer eine unbändige Kraft, auch wenn sie nur Kork und Lederriemen an den Füßen tragen. Herakles kann selbst in Sandalen einen Löwen mit der bloßen Hand erwürgen, Steinfelsen auf Gegner werfen und schneller als eine Hirschkuh laufen. Dumm nur, dass einem Menschen normalerweise nicht solche Superkräfte gegeben sind: schon ein Kleinwagen der Marke Mini wird da zu einem unbezwingbaren Gegner.

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Das jedenfalls musste ein junger Mann erfahren, der Bekanntschaft mit den Kräften eines solchen Kleinwagens machte: auch er trug Sandalen, als das Unglück passierte. Im September 2011 kam ihn abends seine damalige Lebensgefährtin besuchen. Freudig ging der Mann aus seiner Erdgeschoss-Wohnung auf die Straße, um seine Freundin zu begrüßen. Sie stieg aus und sie wollten kurz beraten, ob das Auto nicht besser an einer anderen Stelle abgestellt werden sollte.

Dummerweise hatte die Frau versäumt, die Handbremse richtig anzuziehen oder einen Gang einzulegen. Während des Gesprächs bemerkte der junge Mann, dass sich das Auto in Bewegung setzte und den abschüssigen Hang hinabzurollen begann. Er reagierte blitzschnell, wenn auch auf wenig bedachte Weise: Er lief hinter das Fahrzeug und versuchte, es dadurch aufzuhalten, dass er sich gegen das Heck des Fahrzeuges stemmte.

Das ging gründlich schief. Der Mann geriet ins Straucheln, wurde durch das Auto niedergedrückt. Er fiel dabei so ungünstig, dass ihn das Auto überrollte und noch 20 Meter mitschleifte. Als wenig hilfreich beim Rettungsversuch entpuppte sich die Tatsache, dass die Straße immer steiler wurde: das Gefälle stieg von 2,5 auf 14,5 Prozent an.

Hohes Mitverschulden

Für den mutigen Autoretter ging die Sache nicht gut aus. Nachdem das Fahrzeug in einem Gebüsch zum Stehen kam, musste er nach einem Herzstillstand von Notärzten reanimiert und ins Krankenhaus gebracht werden. Dort stellten die Ärzte ein ganzes Sammelsurium an Verletzungen fest: gebrochen waren Oberschenkel und Rippen, gleich mehrfach. Ebenfalls musste er schwere Brandwunden und Ablederungen am Bauch beklagen.

Der Mann forderte daraufhin von der Kfz-Haftpflicht seiner Lebensgefährtin Schadensersatz und zusätzlich ein Schmerzensgeld von 70.000 Euro. Die Freundin habe ja das Auto nicht ausreichend gegen das Wegrollen gesichert, weshalb er nicht nur sprichwörtlich unter die Räder gekommen sei. Der Versicherer aber wollte die Kosten nicht voll tragen, weshalb der Geschädigte vor Gericht zog.

Das Oberlandesgericht Köln schloss sich aber einem Urteil der Vorinstanz an: Und sprach dem Mann ein hohes Mitverschulden von 70 Prozent zu. Er habe sich bewusst entschieden, sich einem unkontrolliert rollenden Fahrzeug entgegenzustellen, so betonten die Richter des 6. Zivilsenates. Dies sei ohne Not geschehen, denn hätte er das Auto nicht aufzuhalten versucht, so sei sehr wahrscheinlich nur ein geringer Sachschaden zu beklagen gewesen: Das Auto wäre eben in die Hecke gerollt, ohne einen Menschen zu gefährden. Erschwerend kam hinzu, dass der Mann lediglich Sandalen trug, wie die Richter hervorhoben: als Arbeitskleidung für antike Helden mögen sie geeignet sein, für moderne Helden eher nicht.

Der Kfz-Versicherer der Freundin muss nun nur für 30 Prozent des Schadens haften, die Forderung eines Schmerzensgeldes wurde abgewiesen. Und auch die Frau dankte dem Mann seine Rettungstat nicht: Im Urteilstext ist von „früherer Lebensgefährtin“ die Rede. „Dass das Vorhaben des Klägers aussichtslos war, hätte der Kläger erkennen müssen, nachdem das Fahrzeug sich gerade aufgrund der Steigung in Bewegung gesetzt hatte“, gaben die Richter dem Unterlegenen mit auf den Weg.

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Übrigens kann auch so ein Kleinwagen der Marke Mini ein ordentliches Gewicht auf die Waage bringen: Er wiegt, je nach Ausführung, bis zu 1.400 Kilo. Rollen die mal einen Berg hinab, ist das für einen Menschen in Sandalen ein ungleicher Kampf.

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