Aber Siems scheint etwas zu übersehen: Antworten der Studie, die Ängste der „Generation Mitte“ abfragen, zeigen durchaus ein realistisches Risikobewusstsein. Angst vor gesundheitlichen Problemen steht auf Rang eins der Ängste. Auf Rang drei der Ängste steht die Angst, „dass meine Rente unsicher ist bzw. dass ich meinen Lebensstandard nicht halten kann“, immerhin 56 Prozent der Befragten stimmten dem zu. Keineswegs kann man also davon sprechen, der „Generation Mitte“ wäre das Rentenproblem nicht bewusst. Auf den Rängen folgend: Die Angst, Eltern oder Schwiegereltern würden zum Pflegefall werden. Und immerhin 49 Prozent stimmen der Aussage zu, sie hätten Angst, „dass ich wegen Krankheit meinen Beruf nicht mehr ausüben kann“.

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Hier überrascht es, dass die Allensbach-Studie nicht nach den sich ändernden Rahmenbedingungen des Geldanlegens fragt. Die „Generation Mitte“ ist jene Generation, die sehr bewusst die Auswirkungen der Weltfinanzkrise ab 2007 erlebt hat. Viele Anlageprodukte waren damals so undurchschaubar geworden, dass nicht einmal mehr die Anbieter sie verstanden, was in eine der schwersten Finanzkrisen überhaupt mündete. Könnte es sein, dass aus diesen Erfahrungen auch ein Misstrauen nachwirkt gegenüber Produkten zur privaten Vorsorge und zur Altersabsicherung?

Zugleich ist die "Generation Mitte" jene, die sich in einer zunehmend prekarisierten und unsicheren Arbeitswelt bewegen muss. Gut vier Millionen Menschen leben aktuell dauerhaft in prekären Umständen, so das Ergebnis einer soeben vorgestellten Studie der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Das heißt, die Menschen haben zum Beispiel nur befristete Jobs, müssen öfters den Arbeitsplatz wechseln, können sich nicht sicher sein, ob und wie lange sie ihre Arbeit ausüben können. Das betrifft keineswegs nur den Niedriglohnsektor, sondern alle sozialen Milieus. Zum Beispiel schreitet die Prekarisierung an den Universitäten immer weiter voran: Lehrkräfte und Dozenten werden nur kurz und befristet angestellt. Das erschwert es, langfristig zu planen - und in Finanzprodukte zu investieren.

Misstrauen als Grund fehlender Vorsorge? Eine weitere Studie bestärkt diesen Verdacht

Eine kürzlich vorgestellte Studie des Continentale Versicherungsbunds bestärkt diesen Verdacht steigenden Misstrauens, auch wenn die Umfrage nicht allein die "Generation Mitte" in den Blick nahm (der Versicherungsbote berichtete). Ganz im Sinne der Allensbach-Studie wurden hier besorgniserregende Ergebnisse gemessen, die zeigen, dass die Versicherer und allgemein die Finanzdienstleister wenig Vertrauen genießen:

So gaben 74 Prozent der Befragten an, sie hielten eine Renten- oder Kapitallebensversicherung nicht wichtig für sich. 85 Prozent der Befragten gaben an, sie hielten eine private Pflegezusatzversicherung nicht wichtig für sich. 61 Prozent der Befragten gaben an, sie hielten eine Berufsunfähigkeitsversicherung nicht wichtig für sich. In der Studie wurde auch nach Gründen dieser Einschätzung gefragt, denn das Risikobewusstsein war auch hier vorhanden. Das eindeutige Ergebnis: Die meisten, die ein Vorsorgeprodukt nicht wichtig fanden, misstrauten schlicht diesem Produkt.

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Die Vorstellung hält sich: Im Ernstfall zahle der Versicherer eh nicht! Und wer nicht an die Sicherheit der Vorsorgeprodukte glaubt, dem ist diese Art der Vorsorge auch nicht wichtig. Und hier ist die Versicherungswirtschaft gefragt: Aufklärungsarbeit muss einhergehen mit dem Angebot transparenter Produkte, die Vertrauen in eine längere finanzielle Planungssicherheit schaffen. Die „Generation Mitte“ ist keineswegs so naiv, wie ein erster Blick auf die Umfrageergebnisse vermuten lässt. Es gilt aber, den Bedürfnissen dieser Generation entgegenzukommen und Misstrauen abzubauen.

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