Es war die Katastrophen-Nachricht der letzten Woche: Am Dienstag stürzte im italienischen Genua die Morandi-Brücke ein, die Teil der Autobahn A 10 ist und zu den wichtigsten Nord-Süd-Verbindungen des Landes zählt. 43 Menschen fanden nach offiziellen Zahlen dabei den Tod.

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Das wird nun auch für die Allianz zum Problem. Gleich doppelt ist der deutsche Branchenprimus vom Einsturz betroffen, so berichtet die „Welt am Sonntag“. Der Versicherer gehört einem Konsortium an, das das Bauwerk versichert hat. Und im letzten Jahr kauften sich die Münchener bei der Autostrade per l’Italia ein - jener Betreibergesellschaft, die sich nun heftigen Vorwürfen durch die italienische Regierung ausgesetzt sieht.

Mit Konsortium an Autostrade beteiligt

Die Allianz gehört einem Konsortium an, das die Autobahnbrücke versichert hat, so bestätigte eine Sprecherin laut „WamS“. Wie bei solch Risiken üblich, werden Bauwerke wie Autobahnbrücken in der Regel von mehreren Gesellschaften abgesichert: Es wäre für einen einzelnen Versicherer schlicht zu teuer, im Schadensfall allein einzuspringen. Allerdings sei die Allianz in diesem Konsortium nur ein kleiner Partner, die Beteiligung im einstelligen Bereich.

Anders sieht es bei der privaten Betreibergesellschaft Autostrade aus. Hier zählt die Allianz zum größten Geldgeber eines Konsortiums, das sich im Sommer groß bei Autostrade eingekauft hat und 6,94 Prozent des Unternehmens hält. Weitere Mitglieder des Konsortiums sind der französische Strombetreiber EDF und der niederländische Dutch Infrastructure Fund (DIF), ein Investor, der sich auf öffentliche Infrastruktur spezialisiert hat. Immerhin 60 Prozent hält die Allianz an dem Konsortium, das eine Milliarde Euro für die Anteile bezahlt hat.

Autostrade sieht sich massiven Vorwürfen durch die italienische Regierung ausgesetzt - und könnte die Lizenz für die italienische Autobahn verlieren. Italiens Arbeitsminister und Vize-Premier Lugi di Maio wirft dem Konzern vor, aus Profitinteresse die Brücke nur unzureichend gewartet zu haben. „Diese Leute machen so weiter, Maut zahlen zu lassen, ohne eine ordentliche Instandhaltung zu leisten, und jetzt ist es Zeit, basta zu sagen“, sagte der Chef der 5-Sterne-Bewegung bereits einen Tag nach dem Einsturz.

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Die Betreibergesellschaft hat 2017 Maut-Einnahmen von rund 3,3 Milliarden Euro allein in Italien erwirtschaftet. Dem stehen Infrastruktur-Investitionen ins Verkehrsnetz von 517 Millionen Euro gegenüber. Binnen einer Frist von 15 Tagen soll Autostrade nun den Nachweis erbringen, alle Instandhaltungs-Arbeiten ordentlich durchgeführt zu haben.

Debatte um Schuldfrage nach Autobahn-Privatisierung

Bei Autostrade handelt es sich um eine Tochtergesellschaft des Autobahnbetreibers Atlantia, dessen bedeutendster Aktionär die Benetton-Gruppe ist. Der Infrastruktur-Konzern wurde 1950 ursprünglich als staatliches Unternehmen gegründet, um den Bau mehrerer Autobahnen zu finanzieren. 1987 erfolgte der Gang an die Börse und ein schrittweiser Ausbau der Aktivitäten ins Ausland.

Als die italienische Regierung dann Ende der 90er Jahre fast das komplette Autobahnnetz privatisiert hat, ergriff die Benetton-Familie ihre Chance und kaufte sich als Mehrteilseigner ein. Bekannt vor allem für ihre Mode-Marke, hatten die Benettons das Problem, dass der Absatz von Kleidung ins Stocken geraten war, teils auch deshalb, weil Konkurrenten wie H&M und Zara damals auf vielen europäischen Märkten expandierten. Eine kluge Entscheidung: Atlantia machte 2017 nach eigenen Angaben einen Umsatz von 5,97 Milliarden Euro, während die Modemarke einen Verlust von 180 Millionen Euro verkraften musste.

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Atlantia verfügt in Italien über so viel Macht und Einfluss, dass fraglich ist, ob der Staat überhaupt eine Alternative auftreiben könnte. Die Tochter Autostrade betreibt 3.100 Kilometer italienischer Autobahnen mit 262 Mautstellen, was mehr als die Hälfte des italienischen Autobahn-Netzes ausmacht. Weitere wichtige Anteilseigner sind unter anderem der Vermögensverwalter Black Rock sowie die britische HSBC. Darüber hinaus betreut Atlantia weitere 2000 Autobahn-Kilometer in anderen Nationen, darunter Polen und Brasilien.

Regierungspartei schmetterte Investitionen in Sicherheit ab

Die Schuldfrage aber könnte sich für die Regierung als Eigentor entpuppen - vor allem für die populistische 5-Sterne-Bewegung. Ausgerechnet sie stellt aktuell den verantwortlichen Verkehrsminister Danilo Toninelli. Die Morandi-Brücke galt aufgrund ihrer Bauart schon vor dem Einsturz als gefährdet, kurz nach ihrer Einweihung 1967 musste sie erstmals saniert werden. Seitdem ist sie eine Dauerbaustelle: Allein für den April 2018 waren 20 Millionen Euro für Baumaßnahmen bewilligt worden, berichtet der "Spiegel".

Vor allem der zunehmende Verkehr entpuppte sich für die Konstruktion als Problem. Die Brücke wird von Seilen aus Metall gehalten, die enorm schnell rosten. Wiederholt war seit den 90er Jahren deshalb in Genua darüber debattiert worden, die Brücke zu entlasten oder abzureißen, um sie durch eine neue zu ersetzen. 2017 fuhren mehr als 25 Millionen Fahrzeuge über das Bauwerk, viermal so viele wie einst bei der Inbetriebnahme vor 50 Jahren.

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Es war ausgerechnet die 5-Sterne-Bewegung, die bei Investitionen in die Sicherheit der Brücke bremste. Bis zum Tag des Einsturzes stand auf dem lokalen Blog der 5-Sterne-Bewegung von Genua ein Eintrag aus dem Jahr 2013, in dem "turnusmäßig aufgewärmte Märchen vom bevorstehenden Zusammenbruch der Morandi-Brücke" beklagt wurden. Ein Jahr vor dem Einsturz hatte der 5-Sterne-Kommunalpolitiker Paolo Putti ein Projekt zur Entlastung der Morandi-Brücke in der Ratsversammlung abgeschmettert. Die Begründung: Die Brücke stehe noch "in hundert Jahren".

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