Die Stuttgarter Versicherung hat vor dem Landgericht Stuttgart eine Niederlage einstecken müssen. Nach aktuellen Urteilen haftet die Versicherung für die mutmaßliche Täuschung von Anlegern durch den Solaranbieter Eurosolid, so berichtet die „Stuttgarter Zeitung“ am Montag. Der Versicherer hatte den Erwerb der entsprechenden Solaranlagen mit Darlehen finanziert. Die Urteile sind aber noch nicht rechtskräftig. In einem anderen Urteil zur selben Sache hatte der Versicherer noch Recht bekommen.

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Komplexe Geschäfte - Existenzbedrohende Verluste

Konkret geht es um Beteiligungen an Solarparks, die Eurosolid in Ostdeutschland bauen wollte. Und dafür brauchte der Anbieter von Sonnenenergie viel Kapital: Geld, dass man auch bei Privatanlegern einsammelte. Etwa 50.000 Euro sollten die Investoren pro Anlage zahlen. Bei einem sogenannten Power Day im März 2012 warb Stuttgarter-Vizevorstand Wolfgang Fischer euphorisch für die Zusammenarbeit mit dem Solarbetreiber. Es handle sich um eine „Win-win-win-Situation“ für alle Beteiligten, sagte Fischer in der Stuttgarter Carl-Benz-Arena.

Tatsächlich fanden sich viele, die auf den Triumph der grünen Energie hofften. Das lag auch am guten Namen der Stuttgarter Versicherung. Sie hatte bereits den Bau der Solarparks mitfinanziert. Vermittler bewarben das Investment in die Sonnenenergie nun als sichere Altersvorsorge.

Jeder Käufer würde in den Besitz seiner eigenen Kapitalanlage kommen, so warb ein Verkaufsprospekt laut „Stuttgarter Zeitung“. Und dank des Erneuerbare-Energien-Gesetzes würden für 20 Jahre sichere Einnahmen winken, denn die Netzbetreiber seien gezwungen, den Strom abzunehmen. Zusätzlich könne man über das Finanzkonstrukt ordentlich Steuern sparen. Der Slogan: „Mit der Sonne Geld verdienen - geringes Risiko, umweltfreundliche Rendite“.

Bis die Sonne Geld ins Portemonnaie bringen sollte, musste erst einmal die Anlage abgezahlt werden. Und hier kommt nun die Stuttgarter Versicherung ins Spiel. Sie gab die Darlehen für den Kauf zu einer Zinslast von 4,7 Prozent, so berichtet das Regionalblatt. Teils sollten die Anlagen wiederum durch komplexe Modelle finanziert werden: etwa die Kombination einer Rentenversicherung und eines Bausparvertrages. Es ist nicht auszuschließen, dass hierbei mehrfach Provisionen flossen. Die Verträge wurden auch von Versicherungsmaklern feilgeboten.

Doch die Anlagen entwickelten sich nicht wie gewünscht. Zu teuer seien sie gewesen und technisch fehlerhaft. Teilweise sollen sie sogar ausgefallen sein, so dass sie keinerlei Einspeisevergütungen ausschütten konnten. Statt der prognostizierten Gewinne drohen den Anlegern nun Verluste von mehr als 30.000 Euro, schreibt die „Stuttgarter Zeitung“. Beim angeblichen Steuersparmodell stellten sich die Finanzämter quer.

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Eurosolid musste in diesem Jahr Insolvenz anmelden. Die bittere Konsequenz: Viele Menschen haben ihre Altersvorsorge verloren und sind gar verschuldet. Denn garantiert wurde den Privatanlegern nichts. Anfang des Jahres fand zudem eine Razzia bei zwei Geschäftspartnern der Stuttgarter Versicherung statt. Gegen sie wird wegen Betruges ermittelt.

Anleger fühlen sich schlicht betrogen

Die Anleger fühlen sich nun schlicht betrogen - und wollen ihr Geld zurück. Allein die Leipziger Anwaltskanzlei Dr. Fingerle vertritt 170 Geschädigte. Im Idealfall wollen sie die geschlossenen Darlehens-Verträge ebenso zurückgeben wie die Solaranlagen. Immerhin: Die Stuttgarter Versicherung zeigt ein wenig Entgegenkommen. Sie habe die Zinslast von 4,7 Prozent auf 2,7 Prozent abgesenkt, berichtete die „Stuttgarter Zeitung“ bereits in einem früheren Text. Auch könnten die Betroffenen auf ein Viertel des Darlehens verzichten. Doch den Anlegern reicht das nicht.

Der Vorwurf lautet auf arglistige Täuschung. Eurosolid habe die Erträge im Prospekt zu hoch angegeben, sie seien mit den Anlagen nicht zu erzielen gewesen. Dabei geht es nun auch um die Frage, inwieweit die Stuttgarter Versicherung für die Verluste der Geldanleger haftbar gemacht werden kann. Das wäre stark vereinfacht der Fall, wenn ein „verbundenes Geschäft“ laut Bürgerlichem Gesetzbuch (BGB) vorliegen würde, wonach sowohl die Darlehensverträge als auch die Verträge mit Eurosolid juristisch verknüpft wären. Der Versicherer bestreitet dies. Man habe ausschließlich als Versicherung und Darlehensgeber agiert und mit den unrealistischen Prognosen nichts zu tun, so das Argument.

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Zunächst folgte das Gericht den Argumenten des Versicherers. Im Mai hatte die 25. Zivilkammer Klagen anderer Käufer noch abgeschmettert. Nun aber unterlag die Stuttgarter Versicherung vor der 8. Zivilkammer in erster Instanz, wie Rechtsanwalt Fingerle auf seiner Webseite berichtet. Wenn auch nicht alle Forderungen der Anleger erfüllt worden seien. Denn auch im aktuellen Richterspruch wurde die Versicherung entlastet: Vorstände und Mitarbeiter des Versicherers hätten nichts von der Täuschung durch den Solaranbieter gewusst.

Teilerfolg für klagende Anleger

Damit die Anleger auf Schadensersatz durch die Stuttgarter Versicherung hoffen dürfen, müssen drei Punkte erfüllt sein:

  • Die Betroffenen müssen erstens als Privatanleger klassifiziert sein und nicht als institutionelle Investoren - viele sind mittelständische Unternehmer.
  • Zudem muss ein gebundenes Geschäft vorliegen, wonach auch der Darlehensgeber für seinen Geschäftspartner haftet.
  • Einer Partei muss nachgewiesen werden, dass sie die Anleger getäuscht hat.

In allen drei Punkten folgten die Richter nun den Argumenten der Kläger, berichtet Rechtsanwalt Fingerle. Das Gericht habe bestätigt, dass die Mandanten das Darlehen nicht mehr bedienen müssten. Auch werde die Stuttgarter Versicherung verurteilt, den Betrag zu erstatten, den die Mandanten aus eigenen Mitteln aufgebracht haben (sogenannter Eigenanteil von ca. 100 € je Photovoltaikanlage und Monat).

Obwohl die Stuttgarter Versicherung nichts von einer Täuschung gewusst habe, hätte zumindest Eurosolid nachgewiesen werden können, dass der Konzern arglistig über die zu erwartenden Erträge getäuscht habe. Die Erträge der Solaranlagen seien 30 Prozent zu hoch ausgewiesen worden. Die Stuttgarter Versicherung müsse sich diese arglistige Täuschung nun ebenfalls zurechnen lassen.

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Der Vorteil für die Geldanleger ist offensichtlich. Eurosolid ist insolvent, dort nicht mehr viel zu holen. Dem entgegen könnten die Anleger bei der Stuttgarter Versicherung auf ihr komplettes Geld hoffen. Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen. Die Stuttgarter Versicherung kündigte Berufung vor dem Oberlandesgericht an.

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