“Wir leisten ohne Wenn und Aber!“ - dies war eines der zentralen Versprechen, mit denen die Axa Deutschland ihre Unfall-Kombirente beworben hat. Von 2006 bis 2010 wurden die Verträge als Alternative zu einer Berufsunfähigkeitsversicherung an tausende Kunden verkauft. Schon bei einer 50prozentigen Invalidität nach einem Unfall, bei schweren Schädigungen eines wichtigen Organs, zum Beispiel Gehirn und Lunge oder ab Pflegestufe 1 sollten die Versicherten eine monatliche Rente zwischen 500 und 3.000 Euro ausgezahlt bekommen: und das lebenslang.

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Was dieses Werbeversprechen wert war, zeigt sich jetzt. Wie die „Süddeutsche Zeitung“ am Sonntag berichtet, kündigt die Axa den kompletten Vertragsbestand einseitig auf, setzt die Kunden quasi vor die Tür. Tausende Versicherungsnehmer, die diese Rentenpolicen abgeschlossen haben, verlieren damit einen wichtigen, existentiellen Schutz. Und der Branche droht ein neues Image-Fiasko. Es sind Schlagzeilen wie diese, die Zweifel nähren, dass die Versicherungswirtschaft als verlässlicher Partner für die Alters- und Invaliditätsvorsorge überhaupt geeignet ist.

“Können Leistungsversprechen nicht mehr aufrecht erhalten“

Warum aber der drastische Schritt? Laut Süddeutscher Zeitung hat sich die Axa einfach verrechnet. Sie kann die versprochenen lebenslangen Renten aus den Beiträgen nicht zahlen. Das Blatt zitiert aus einem Schreiben, das die Axa im April 2018 an Kunden gesendet hat. “Aufgrund des medizinischen Fortschritts steigen die Kosten in Ihrem Tarif Jahr für Jahr erheblich an“, wird darin Vorstand Thierry Daucourt zitiert. Weil sich die Niedrigzinsen hinzugesellen, könne die Axa ihr „Leistungsversprechen in diesem Tarif nicht mehr aufrecht erhalten“.

Tatsächlich waren die Prämien für den Tarif vergleichsweise billig kalkuliert. 1.000 Euro Monatsrente seien für eine 28jährige Frau schon für weniger als 20 Euro Monatsbeitrag versicherbar, unabhängig von ihrem Beruf, so warb die Axa in einem Prospekt. Der Versicherer empfiehlt sich darin als verlässlicher Partner fürs ganze Leben. „Im Ernstfall sorgt AXA mit einer lebenslangen, monatlichen Rente für Ihre Existenzsicherung und die Ihrer Familie“, heißt es in den Werbeschreiben, die teils noch auf den Webseiten von Vermittlern einsehbar sind. Der Tarif war nach der Art einer privaten Unfallversicherung kalkuliert.

Allerdings waren die Hürden hoch, bis der Versicherte überhaupt eine Rente erhielt. Bei einer psychischen Erkrankung zahlt die Axa etwa nur, wenn sie zur Unmündigkeit des Versicherten führt und ihm ein Vormund zur Seite gestellt werden muss. Psychische Erkrankungen sind die wichtigste Ursache, weshalb Menschen ihren Beruf aufgeben müssen. Bei schweren Krankheiten wie Krebs war nur ein fortgeschrittenes Stadium in Verbindung mit dauerhaften Organschäden abgesichert. Für bestimmte Arten wie Hautkrebs und Gebärmutterhalskrebs muss die Axa gar nicht leisten.

Teurere Alternative mit deutlich weniger Schutz

Immerhin: Als Alternative bietet die Axa ihren Kunden nun an, ohne vorherige Gesundheitsprüfung in eine sogenannte Existenzschutzversicherung zu wechseln, so heißt es in dem Zeitungsbericht. Eine weitere Erleichterung für wechselwillige Kunden: als Grundlage diene das Alter bei Vertragsabschluss der Unfall-Kombirente, nicht das jetzige. Doch das ist im Zweifel ein schlechter Deal. Die Existenzschutz-Police ist nicht nur deutlich teurer, sondern gewährt auch deutlich weniger Schutz. Unter anderem zahlt die Axa bei diesen Policen keine lebenslange Rente, sondern nur eine Rente bis zum 67. Lebensjahr.

Wenn die Versicherten dieses Angebot nicht annehmen wollen, stehen sie nun ohne Schutz da. Sind in der Zwischenzeit Vorerkrankungen aufgetreten, könnte es schwierig sein, sich nun überhaupt auf vergleichbarem Niveau gegen die finanziellen Folgen einer Invalidität abzusichern. Der ganzen Branche droht ein neuer Imageverlust. Bereits die Pläne mehrerer Versicherer, unrentable Lebensversicherungs-Altverträge an externe Run-off-Dienstleister zu verkaufen, sorgten für Verunsicherung bei Kunden sowie Kritik von Verbraucherschützern und Arbeitnehmervertretern.

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Update: Die Axa hat mittlerweile zu den Berichten Stellung bezogen. Ein Sprecher teilte gegenüber dem Versicherungsboten mit: "Anders als dargestellt, kündigt AXA nicht den gesamten Vertragsbestand der Unfall-Kombirente. So ist bspw. die Unfall-Kombirente mit Beitragsrückgewähr vollständig von der Aktion ausgenommen, diese Verträge bleiben weiter bestehen. Ebenso ausgenommen sind alle Versicherungsnehmer, die im letzten Jahr mindestens 58 Jahre alt waren. Obendrein erfüllen wir selbstverständlich die Verträge von Kunden, die bereits eine Unfallrente aus der Unfall-Kombirente beziehen – vertragsgemäß bis an das Lebensende." Auch würden die Verträge nur als "Ultima Ratio" gekündigt, wenn sich die Kunden nicht für ein alternatives Produkt der Axa entscheiden würden, hierzu biete die Axa eine "umfassende Beratung" an, berichtet der Sprecher. Aus Vertriebskreisen wurde dem Versicherungsboten dazu berichtet, dass Kunden teils unter Druck gesetzt werden, wenn sie kein anderes, oft teureres Produkt der Axa abschließen wollen - getreu dem Motto "Wenn Sie das nicht unterzeichnen, stehen Sie ohne Risikoschutz da". Es besteht also der Verdacht, dass Kundinnen und Kunden in weniger attraktive und teurere Verträge umgedeckt werden sollen.

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