Versicherungsbote: Herr Schmidt, Kritiker behaupten, Verbraucher seien nicht bereit, für Anlageberatung zu bezahlen – schließlich ist die Beratung bei herkömmlichen Banken "kostenlos". Wie sind Ihre Erfahrungen?

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Karl Matthäus Schmidt: Die vermeintlich kostenlose Beratung provisionsfinanzierter Banken ist nicht kostenlos. Nur weiß das noch nicht jeder. Für einige Menschen ist es zudem scheinbar eine höhere Hürde, die Beratung direkt zu bezahlen, statt das Geld „hintenherum“ über Provisionen abgenommen zu bekommen. Die meisten Menschen bevorzugen aber spätestens dann ein transparentes Honorar anstelle einer versteckten Provision, wenn ihnen klar wird, dass die unabhängige Beratung zu einem besseren Portfolio führt, dass Anleger unter dem Strich günstiger fahren als bei einer provisionsfinanzierten Bank und sie damit sogar noch eine höhere Rendite erzielen.

Kaum mehr als 300 Honorarberater sind in Deutschland registriert: gegenüber allein 34.000 Versicherungsmaklern und mehr als 50.000 Vertretern. Warum hat es die Honorarberatung in Deutschland so schwer?

Direktbanken haben auch etwas gebraucht, um sich durchzusetzen – heute sind sie aus der Bankenwelt nicht mehr wegzudenken. Ähnlich wird sich die unabhängige Beratung entwickeln – sie wird hierzulande ebenso erfolgreich werden wie sie es in den USA schon seit Jahren ist. Problematisch ist, dass Honorarberatung negativ konnotiert ist – das klingt teuer, als könne sich das niemand leisten. Deshalb arbeiten wir mit dem Begriff der unabhängigen Beratung und betonen den Vorteil für den Kunden. Zudem besteht keine Wettbewerbsgleichheit zwischen abhängiger provisionsfinanzierter „Beratung“ und der unabhängigen Beratung gegen Honorar. Zwar trägt die MiFID II zu einer stärkeren Transparenz bei, dennoch bleiben den Banken genug Schlupflöcher, um weiter Provisionen zu vereinnahmen. Besser wäre ein Provisionsverbot gewesen. Ungeachtet dessen wachsen wir als einzige unabhängig beratende Bank stetig. Wir betreuen mehr als 3,3 Milliarden an Vermögenswerten.

Sie sind Gründer und Vorstand der einzigen Bank in Deutschland, die ausschließlich gegen Honorar berät. Warum haben Sie diese Bank gegründet?

Freunde und Bekannte haben mich oft gefragt, welche Bank ich empfehlen kann. Die Antwort war stets dieselbe: „Keine!“. Warum? Weil herkömmliche Banken meines Erachtens gegen die Interessen ihrer Kunden arbeiten. Sie finanzieren sich durch Provisionen, die sie von Fonds- und Versicherungsgesellschaften erhalten. Hier besteht ein Fehlanreiz für Berater, das zu verkaufen, was den meisten Ertrag bringt. Das ist oft nicht das, was für den Kunden am besten gewesen wäre. Um dieses Dilemma zu durchbrechen, brauchte es ein anderes Bankmodell, ein anderes Bezahlmodell. Die Idee zur unabhängigen Beratung gegen Honorar war geboren. Nur wenn die Bezahlung nicht durch Produktanbieter erfolgt, ist Unabhängigkeit möglich. Nur dann ist der Berater frei, für den Kunden die besten und kostengünstigsten Produkte auszuwählen.

Wie kam Ihr Konzept an?

Dieses Geschäftsmodell einzuführen, war hierzulande eine kleine Revolution. In anderen Ländern wie in Großbritannien, einigen skandinavischen Ländern oder in den USA, ist die unabhängige Beratung dagegen schon fest etabliert. Wir haben in den letzten elf Jahren bewiesen, dass ein solches Modell auch hierzulande funktioniert. Heute verwalten wir 3,3 Milliarden Euro an Kundengeldern und betreuen über 10.000 Kunden an 13 Standorten. Und wir haben Lust auf mehr. Wir sehen die unabhängige Beratung gegen Honorar in Deutschland am Anfang. Eine Umfrage, die TNS EMNID 2016 in unserem Auftrag durchgeführt hat, zeigt: 69 Prozent der Anleger wollen weg von der provisionsorientierten Beratung und können sich vorstellen, einen unabhängigen Berater zu bezahlen.

Das erinnert an Umfragen zu Bio-Lebensmittel. Die große Mehrheit ist dafür, doch an der Kasse sind Bio-Produkte immer noch die deutliche Minderheit…

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Das darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Bio ein Erfolgsmodell ist. Selbst in konventionellen Märkten sind ökologische Produkte ein fester Bestandteil. So wird sich auch die Honorarberatung in Deutschland durchsetzen. Die Vorteile liegen auf der Hand: Bei der Honorarberatung weiß der Kunde auf den Cent genau, was er für die Beratung bezahlt. Wenn wir provisionsbasierte Depots analysieren, stellen wir fest, dass dort die Gesamtkosten, also alles, was offen oder versteckt anfällt, bei mindestens 3,0 bis 3,5 Prozent liegen. Diese Kosten können wir in der Regel halbieren. Nur wissen das noch nicht alle Anleger.

Quirin Privatbank schrieb lange Zeit Verluste

Stichwort Kosten der Geldanlage: Hier soll MiFID II für stärkere Transparenz sorgen – hält die Richtlinie, was Verbraucherschützer sich von ihr erhoffen?

Die Umsetzung der MiFID II ist ein wichtiger Schritt in Sachen Anlegerschutz. Banken und Finanzdienstleister werden zu deutlich mehr Transparenz gezwungen. Sie müssen fortan genau ausweisen, welche Kosten bei der Anlage genau anfallen (Provisionen, Ausgabeaufschläge, Verwaltungsgebühren) - und das über die gesamte Dauer der Wertpapierdienstleistung, sowohl auf Vertriebs- wie auf Produktebene. Provisionen bleiben zwar weiterhin erlaubt, aber diese neue Transparenz erhöht den Druck auf teure Anbieter.

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Die Quirin Privatbank hat lange Zeit Verluste geschrieben und einen schwierigen Start. Wie sieht Ihre aktuelle Situation aus? Können Sie Zahlen nennen?

Als schwierigen Start haben wir das nicht empfunden. Im Gegenteil: Als wir 2006 als erste und einzige Honorarberaterbank in Deutschland an den Start gingen, war das ein absolutes Novum, eine kleine Revolution! Die Menschen kannten weder die unabhängige Beratung gegen Honorar noch deren Vorteile. Das haben wir geändert. Wir haben die unabhängige Anlageberatung am Markt etabliert und sind damit unternehmerisch erfolgreich: 2017 schreiben wir voraussichtlich bereits das fünfte Mal in Folge ein positives Geschäftsergebnis, wir sind nachhaltig in der Gewinnzone angekommen. So werden wir das Geschäftsjahr 2017 voraussichtlich mit einem vorläufigen Ergebnis von 3,1 Mio. Euro nach Steuern abschließen.

Auch in der Honorarberatung ist Falschberatung denkbar. Haften Sie für empfohlene Produkte?

Wie jede Bank haften wir für das, was wir tun. Da wir im Gegensatz zu provisionsfinanzierten Banken jedoch von unseren Kunden vergütet werden und nicht von Produktanbietern, gibt es keinen Anreiz, überteuerte oder für den Kunden unpassende Anlageprodukte verkaufen zu müssen – damit entfällt die häufigste Ursache von Falschberatungen. Wie ein Steuerberater vertreten wir damit zu 100 Prozent die Interessen unserer Kunden.

Wie wird sich die Honorarberatung in Deutschland in den kommenden fünf bis zehn Jahren entwickeln – vor allem in Bezug auf die Verbraucherakzeptanz?

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Immer mehr Banken erkennen, dass ein Umdenken auf Seiten des Verbrauchers verbunden mit steigenden Transparenzanforderungen den Provisionsvertrieb erschwert. Entsprechend denken viele Akteure schon seit einiger Zeit über alternative Geschäftsmodelle nach. Der Trend zur Digitalisierung und das große Angebot an transparenten Online-Lösungen für den selbstbestimmten kritischen Anleger treibt die Entwicklung zusätzlich voran. Ich sehe daher mehr denn je großes Potenzial für die Entwicklung der unabhängigen Beratung in Deutschland. Deren Marktanteil könnte in den kommenden zehn Jahren durchaus auf 20 Prozent und mehr anwachsen.

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