Ich kann keine besonderen Widerstände der Versicherer gegen Honorarvermittlung erkennen. Es gibt natürlich Versicherer, die sich nicht des Vertriebswegs Makler bedienen, die werden auch keine Nettotarife anbieten. Aber wir haben in der oben erwähnten Untersuchung herausgefunden, dass es in der Lebensversicherung, in der es überhaupt nur eine winzige Nachfrage nach Nettotarifen gibt, bereits Versicherer mit einem kumulierten Marktanteil von 20 Prozent Nettotarife vorhalten. Das bedeutet, dass das Angebot vorhanden ist, es müsste nur auch genutzt werden. Ich vermute sogar, dass es vielen Versicherern recht wäre, ihre Policen frei von Vermittlungskosten anbieten zu können, verbessert das doch die Rendite der Verträge nachhaltig und senkt künftige Niedrigzins-bedingte Probleme. Auch in den beliebten Produktrankings stehen Nettotarife logischerweise viel weiter oben als Bruttotarife.

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Besteht nicht tatsächlich ein Interessenkonflikt, wenn Versicherungsmakler einerseits gegen Honorar beraten, an anderer Stelle aber gegen Provision?

Ja, ich halte nichts von Mischmodellen, frei nach dem Motto, ich nehme alles mit, was ich kriegen kann – die preiswerte Sach- und Autoversicherung gegen ein den Zeitbedarf besser als die Courtage abdeckendes Honorar, aber die Lebens- und Krankenversicherung gerne gegen eine hohe einmalige Courtage, am besten noch plus einer sogenannten Servicehonorarvereinbarung. Das ist Gewinnmaximierung auf dem Rücken der Kunden und hat wenig mit deren „bestmöglichem Interesse“ zu tun, dass die Branche ab 23.2.2018 laut § 1a VVG ihrem Handeln zugrunde zu legen hat. Wer meint, er verdiene an manchen Verträgen zu wenig und brauche dort ein Honorar, muss dann fairerweise auch bei den großvolumigen Verträgen auf Courtage verzichten.

Wie sieht es mit der Haftung des Honorarberaters für seinen Rat aus? Hier sind Makler ja sehr stark in der Pflicht. Droht eventuell eine Haftungslücke zum Nachteil des Kunden, wenn Honorarberater etwa allgemein beraten, aber der Kunde sich um die konkrete Police selbst kümmern muss?

Die Haftungssituation bei Beratern und Maklern ist grundsätzlich wohl dieselbe. Denn beide schließen einen Vertag mit dem Kunden und haften deshalb dem Kunden auf eine ordentliche Pflichterfüllung. Aber ich vermute, Sie meinen mit der Frage das Problem, dass manche Versicherungsberater und übrigens auch die Verbraucherzentralen nur allgemeine Ratschläge geben, dann aber den Kunden mit der Problemlösung allein lassen – die grundsätzlich empfohlenen Versicherungsverträge muss der Kunde selbst aussuchen, prüfen, beantragen und die Richtigkeit der Policen prüfen. Das kann ein Nachteil sein – oder der Kunde wählt von vorneherein einen Makler, Berater oder wie der sich sonst bezeichnen mag unter dem Aspekt aus, dass dieser auch empfohlene Versicherungen beschafft und sich anschließend fortlaufend kümmert, vor allem im Schadenfall. Kein Lebensmittel-Händler macht Umsatz, wenn er in seiner Werbung sagt, dass man gegen Hunger Lebensmittel kaufen sollte, aber dann leere Regale anbietet. So ist es auch beim Versicherungs-Händler.

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Die Fragen stellte Mirko Wenig

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