Versicherungsbote: Beim IDD-Umsetzungsgesetz ist ein Honorarannahmeverbot für Versicherungsvermittler, wie es ursprünglich vorgesehen war, nun vom Tisch. Was müssen Makler dennoch beachten, wenn sie sauber gegen Honorar beraten wollen?

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Matthias Beenken: Unterscheiden muss man weiter zwischen einer reinen Rechtsberatung, bei der nicht die Vermittlung eines Vertrags Ziel ist, sondern die Klärung einer Rechtsfrage, sowie einer Vermittlung. Honorarberatung im engeren Sinn ist dem Makler nur erlaubt, wenn der Beratungskunde kein Verbraucher ist. Bei Verbrauchern muss der Makler die Rechtsberatung den Anwälten oder den Versicherungsberatern überlassen. Die Honorarvermittlung ist zulässig, wenn der Makler einen Nettotarif anbietet. Doppelt abzukassieren (Provision plus Honorar) ist ebenso wenig zulässig wie eine Herausgabe der Provision in Verrechnung mit der Honorarforderung, weil das gegen das Provisionsabgabeverbot verstößt – jedenfalls, wenn es um mehr als nur 15 Euro pro Vertrag und Jahr geht.

Prof. Dr. Matthias Beenken im Versicherungsbote Interview zur HonorarberatungProf. Dr. Matthias Beenken im Versicherungsbote Interview zur Honorarberatung„Ich kann keine besonderen Widerstände der Versicherer gegen Honorarvermittlung erkennen.“(c) Redaktionsbüro Prof. Dr. Matthias Beenken

Kaum mehr als 300 Versicherungsberater sind bei den Industrie- und Handelskammern registriert. Warum hat es die Beratung gegen Honorar in Deutschland so schwer?

Die Honorarberatung im engeren Sinn, also die Versicherungsrechtsberatung, wird von 1.368 Fachanwälten für Versicherungsrecht und wahrscheinlich darüber hinaus zahlreichen weiteren der insgesamt 164.393 in Deutschland 2017 zugelassenen Rechtsanwälte (Quelle: Bundesrechtsanwaltskammer) angeboten. Die knapp über 300 Versicherungsberater ergänzen diese Gruppe lediglich. Man kann also überhaupt nicht sagen, dass es die Beratung gegen Honorar schwer hat. Falls Sie aber die Vermittlung gegen Honorar meinen, darüber gibt es keine verlässlichen Statistiken, wie viele Makler Honorarvermittlung anbieten, und wie viele Vertreter honorarvermittlungsähnliche Verträge schließen, sogenannte Kostenausgleichsvereinbarungen. Es gibt eine andere Größe, die zu denken geben sollte: Nach Erhebungen der FH Dortmund und der Universität Köln zuletzt von 2016 kommen gerade einmal 3 Promille des Neugeschäfts in der Lebensversicherung als Nettotarif bei den Lebensversicherern herein, in den anderen Sparten ist es noch weniger. Es scheint also schlicht keine Nachfrage nach Honorarvermittlung zu geben. Auch wenn das den Fans der sogenannten Honorarberatung nicht gefällt: Die Kunden machen nicht mit. Sie sind offensichtlich bislang immer noch recht glücklich mit dem Provisionsmodell.

Viele Verbraucher schätzen Aufwand und Kosten einer Honorarberatung falsch ein – in der Regel deutlich zu niedrig. Laut einer früheren Studie von TNS Infratest wäre nur jeder fünfte Verbraucher bereit, überhaupt für eine unabhängige Beratung zu zahlen, in der Regel weniger als 150 Euro. Was kann bzw. muss sogar getan werden, um hier einen Bewusstseinswandel zu erreichen?

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Mich wundern solche Studienergebnisse nicht, ich habe selbst schon solche Studien begleitet. Wie sollen Kunden eine „Honorarberatung“ bewerten, wenn sie erstens gar nicht „über Honorar beraten“ werden wollen, sprich der Begriff einfach Unsinn ist, und zweitens sie gar keine Erfahrung mit einer Versicherungsvermittlung gegen Honorar haben. Kunden tun sich meist sehr schwer, sich für einen relevanten Einkommensverzicht zugunsten einer Vorsorge zu entscheiden. Wenn sie dann zusätzlich eine Entscheidung über einen teuren Honorarvertrag treffen sollen, um sich über etwas beraten zu lassen, wovor sie sich scheuen – das sind dann zwei Hürden und damit mindestens eine zu viel. Dagegen ist das Provisionsmodell überaus akzeptiert. Kein Kunde verlangt im Supermarkt Auskunft, wie hoch die Marge am Stück Butter ist, oder in einem Bekleidungsgeschäft, was es an einem Pullover verdienen wird. Die Lust am Kauf würde dem Kunden wahrscheinlich vergehen, wenn er wüsste, dass beispielsweise 70 Prozent des Pulloverpreises im Laden verbleiben. Der Kunde bewertet vernünftigerweise, ob das Produkt insgesamt den Preis wert ist, und zwar einschließlich der Präsentation des Produkts im Laden, die bezahlt werden muss. Wem das zu teuer ist, der kauft dasselbe Produkt vielleicht etwas günstiger bei einem Internethändler, der keinen teuren Verkaufsraum und Verkaufspersonal („Berater“) beschäftigen muss. Aber er geht nicht hin und beauftragt einen Honorar-Lebensmitteleinkaufsberater oder einen Honorar-Bekleidungseinkaufsberater, um seine Einkäufe zu tätigen. Warum sollte das bei den üblichen Versicherungen des alltäglichen Bedarfs anders sein?

"Ich kann keine besonderen Widerstände der Versicherer erkennen"

Wenn sich die Honorarberatung durchsetzen soll, müssen auch die Versicherer entsprechende Nettopolicen anbieten. Wie ist hier der aktuelle Stand? Wo gibt es Widerstände auch von Seiten der Versicherer gegen die Honorarberatung?

Ich kann keine besonderen Widerstände der Versicherer gegen Honorarvermittlung erkennen. Es gibt natürlich Versicherer, die sich nicht des Vertriebswegs Makler bedienen, die werden auch keine Nettotarife anbieten. Aber wir haben in der oben erwähnten Untersuchung herausgefunden, dass es in der Lebensversicherung, in der es überhaupt nur eine winzige Nachfrage nach Nettotarifen gibt, bereits Versicherer mit einem kumulierten Marktanteil von 20 Prozent Nettotarife vorhalten. Das bedeutet, dass das Angebot vorhanden ist, es müsste nur auch genutzt werden. Ich vermute sogar, dass es vielen Versicherern recht wäre, ihre Policen frei von Vermittlungskosten anbieten zu können, verbessert das doch die Rendite der Verträge nachhaltig und senkt künftige Niedrigzins-bedingte Probleme. Auch in den beliebten Produktrankings stehen Nettotarife logischerweise viel weiter oben als Bruttotarife.

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Besteht nicht tatsächlich ein Interessenkonflikt, wenn Versicherungsmakler einerseits gegen Honorar beraten, an anderer Stelle aber gegen Provision?

Ja, ich halte nichts von Mischmodellen, frei nach dem Motto, ich nehme alles mit, was ich kriegen kann – die preiswerte Sach- und Autoversicherung gegen ein den Zeitbedarf besser als die Courtage abdeckendes Honorar, aber die Lebens- und Krankenversicherung gerne gegen eine hohe einmalige Courtage, am besten noch plus einer sogenannten Servicehonorarvereinbarung. Das ist Gewinnmaximierung auf dem Rücken der Kunden und hat wenig mit deren „bestmöglichem Interesse“ zu tun, dass die Branche ab 23.2.2018 laut § 1a VVG ihrem Handeln zugrunde zu legen hat. Wer meint, er verdiene an manchen Verträgen zu wenig und brauche dort ein Honorar, muss dann fairerweise auch bei den großvolumigen Verträgen auf Courtage verzichten.

Wie sieht es mit der Haftung des Honorarberaters für seinen Rat aus? Hier sind Makler ja sehr stark in der Pflicht. Droht eventuell eine Haftungslücke zum Nachteil des Kunden, wenn Honorarberater etwa allgemein beraten, aber der Kunde sich um die konkrete Police selbst kümmern muss?

Die Haftungssituation bei Beratern und Maklern ist grundsätzlich wohl dieselbe. Denn beide schließen einen Vertag mit dem Kunden und haften deshalb dem Kunden auf eine ordentliche Pflichterfüllung. Aber ich vermute, Sie meinen mit der Frage das Problem, dass manche Versicherungsberater und übrigens auch die Verbraucherzentralen nur allgemeine Ratschläge geben, dann aber den Kunden mit der Problemlösung allein lassen – die grundsätzlich empfohlenen Versicherungsverträge muss der Kunde selbst aussuchen, prüfen, beantragen und die Richtigkeit der Policen prüfen. Das kann ein Nachteil sein – oder der Kunde wählt von vorneherein einen Makler, Berater oder wie der sich sonst bezeichnen mag unter dem Aspekt aus, dass dieser auch empfohlene Versicherungen beschafft und sich anschließend fortlaufend kümmert, vor allem im Schadenfall. Kein Lebensmittel-Händler macht Umsatz, wenn er in seiner Werbung sagt, dass man gegen Hunger Lebensmittel kaufen sollte, aber dann leere Regale anbietet. So ist es auch beim Versicherungs-Händler.

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Die Fragen stellte Mirko Wenig

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