Der Versicherungsmakler Frank Dietrich hat eine Petition auf „change.org“ gestartet, in der er fordert, dass auch Verbraucherschützer eine Sachkunde zu Versicherungen nachweisen müssen, wenn sie sich zu diesem Thema äußern. Auch sollen sie für Falschaussagen persönlich haften und hierfür eine Haftpflichtversicherung abschließen. Der Grund für seinen Vorstoß seien „dilettantische Tests“ und existenzbedrohende Ratschläge“ des Verbraucherschutzes, kritisiert Dietrich. Unter anderem hatte ein Mitarbeiter der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein jungen Menschen vom Abschluss einer Berufsunfähigkeitsversicherung abgeraten (der Versicherungsbote berichtete).

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Axel Kleinlein spottet über Petition

Diese Petition hat nun auch die Aufmerksamkeit von Axel Kleinlein erregt, Vorsitzender beim Bund der Versicherten (BdV). Auf dem Blog des Verbraucherverbandes zieht Kleinlein den Vorstoß des Versicherungsmaklers ins Lächerliche. Es klinge zunächst „beeindruckend und mutig“, diese Petition zu starten, so Kleinlein. Dann versucht der BdV-Vorstandssprecher, die Forderungen des Maklers nach und nach ad Absurdum zu führen: teils mit ätzendem Spott.

So behauptet Kleinlein unter anderem, Dietrich fordere von jedem, der sich öffentlich zu Versicherungen und Finanzen äußere, eine Weiterbildung sowie einen Sachkundenachweis. Und stellt indirekt infrage, ob denn in der Versicherungsbranche selbst jeder diese Anforderungen erfüllen kann: bekanntlich eine Branche, die reich an Quereinsteigern ist. Kleinlein schreibt auf dem BdV-Blog:

„Wer sich zukünftig in der Öffentlichkeit zu Versicherungen äußert, der soll dann zum Beispiel gefälligst nachweisen können, dass er mindestens jährliche Weiterbildungen besucht. Ob Herr Erdland (derzeit noch Präsident des GDV) regelmäßig und nachweislich zu Weiterbildungskursen geht? Und ob auch Herr Hufeld von der BaFin die Zeit findet, sich regelmäßig zu solchen Weiterbildungen einzufinden?“, so Kleinlein.

Auch Dietrichs Behauptung, der Verbraucherschutz berate mitunter fehlerhaft und dilettantisch, versucht Kleinlein in Misskredit zu bringen. Dass eine Verbraucherschützerin „falsche Ratschläge zum Thema Geldanlage“ gebe, versuche Dietrich ausgerechnet mit Verweis auf den Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zu belegen, kritisiert Kleinlein. Mithin ein Lobbyverband, der selbst starke Eigeninteressen verfolge – zum Beispiel Unternehmen vertritt, die Lebensversicherungen verkaufen wollen. Auf andere Beispiele für schlechten Rat, die Dietrich ebenfalls in seiner Petition nennt, geht Kleinlein nicht ein.

Dabei ist der Bund der Versicherten selbst ein Beispiel dafür, dass auch der Verbraucherschutz wirtschaftliche Eigeninteressen verfolgt. Deutschlands größter Verbraucherverband in Sachen Versicherung unterhält eine "Mitglieder-Service GmbH", die als Versicherungsvertreter registriert ist und folglich Policen vertreibt. Zu Beginn des Jahres hat der BdV eine weitere Unternehmenstochter gegründet, die als "BdV Verwaltungs GmbH" Honorarberatungen anbietet (der Versicherungsbote berichtete). Beide Unternehmen sollen unabhängig vom Mutterverein agieren, sind aber unter derselben Adresse zu finden.

IDD-Gesetz reicht aus - oder?

Kleinlein kommt letztendlich zu dem Schluss, dass keiner diese Petition für besseren Verbraucherschutz brauche. Denn die Forderung: „Wer Verbraucher berät, der soll hinreichend qualifiziert sein, sich regelmäßig weiterbilden, soll strenge Dokumentationspflichten beachten usw.“, werde ja bereits ab 2018 mit dem IDD-Umsetzungsgesetz erreicht, behauptet der Versicherungsmathematiker.

Ein Einwand, der überrascht und vom Thema ablenkt. Denn das IDD-Gesetz sieht entsprechende Pflichten für Versicherungsberater und Vermittler vor, die bei den Industrie- und Handelskammern registriert sind. Nicht aber für Autoren der Zeitschrift „Finanztest“ oder die Mitarbeiter der Verbraucherzentralen, die öffentlich Ratschläge zu Versicherungen verbreiten, mit großer Reichweite. Das genau ist ja der Kritikpunkt, den Versicherungsmakler Dietrich mit seiner Petition ins Auge fasst: Er fordert die gleichen Pflichten für jene, die professionell mit Tipps zu Versicherungen Geld verdienen, aber nicht explizit im Vertrieb tätig sind.

Vornehm unterschlägt Kleinlein zudem in seinem Kommentar, dass die Versicherer-Lobby auch beim IDD-Umsetzungsgesetz ihren Einfluß geltend machte und vermutlich gar am Gesetz mitschrieb, wie sogar der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) beklagte. Und möglicherweise den Verbraucherschutz verwässerte. Zum Beispiel sind Einzelheiten zur Weiterbildungspflicht noch nicht genau geregelt. Im schlimmsten Fall können Vermittler zukünftig Weiterbildungspunkte auch mit Produktschulungen und Motivationstrainings sammeln.

Kleinlein spöttelt über Online-Petitionen: Und wählt ein ungünstiges Beispiel

Letztendlich versucht Kleinlein sogar, die Kampagnenseite „change.org“ mit seinem Kommentar spöttelnd in Misskredit zu bringen, indem er scheinbar besonders abwegige Kampagnen nennt, die dort gelistet sind. Auf der Webseite gebe es noch „tausende andere spannende Petitionen“, schreibt Kleinlein, unter anderem „gegen ein Hundefleischfestival in China“ und gegen die „Gender Pricing“ bzw. die „Pink Tax“.

Zur Erklärung: "Gender Pricing" betrifft die Tatsache, dass Frauen für Kosmetik-Artikel oft mehr zahlen als Männer, weil Produkte mit weiblicher Zielgruppe teurer verkauft werden. Hier hat Kleinlein ein besonders ungünstiges Beispiel gewählt, sollte es sein Ziel gewesen sein, die Petitions-Seite zu diskreditieren. Tatsächlich hat auch die Verbraucherzentrale Hamburg das "Gender Pricing" ins Auge gefasst und geht dagegen vor. Mit Erfolg: Die Verbraucherschutzministerkonferenz hat im Oktober 2016 Hersteller und den Einzelhandel aufgefordert, die Preisdiskriminierung bei Produkten wie beispielsweise Rasierschaum oder Einwegrasierern zu unterlassen.

Auch die "Pink Tax"-Petition ist weniger abwegig, als der männliche Kommentator Kleinlein meint. Sie fordert, dass für notwendige Hygiene-Artikel, die Frauen regelmäßig nutzen müssen, ein vergünstigter Steuersatz von sieben Prozent eingeführt wird statt -wie bisher- 19 Prozent: etwa für Tampons. Ein Vorstoß, den hunderttausende Frauen in Deutschland unterstützen. Und nicht nur dort, sondern auch in anderen Staaten, wo Frauen für Hygieneartikel extra zur Kasse gebeten werden: in Großbritannien, den USA, in Frankreich. Weltweit setzen sich Millionen Frauen dafür ein, dass die "Pink Tax" abgeschafft oder gesenkt wird. In manchen Staaten wird auf Tampons gar eine Luxussteuer fällig.

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Dass viele Online-Petitionen Erfolg hatten, weil sie ein Instrument sind, um Aufmerksamkeit für ein Thema zu gewinnen oder zu verstärken, verschweigt Kleinlein. Petitionen sind damit auch ein Instrument des Verbraucherschutzes. Unter anderem erreichte eine solche Petition, dass ein bezahlbarer Versicherungsschutz für Hebammen vor vier Jahren nachträglich im schwarz-roten Koalitionsvertrag der Bundesregierung festgeschrieben wurde: nur ein Beispiel von vielen, wo die Unterschriften vieler Menschen etwas bewirken konnten.

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