Versicherungsbote: Herr Opfermann, die Nachrichten über Schadenfälle bei Hochwasser überhäufen sich gerade wieder. Seitens der Versicherer heißt es, man hätte sich ja mit einer Elementar-Police versichern können. Wo sind aber die Fußangeln bei den Versicherungen, die Wasserschäden abdecken sollen - Auf welche Punkte sollte der Versicherungsmakler seine Kunden hinweisen?

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Philipp Opfermann: Der Makler wird um die intensive Lektüre der verschiedenen Bedingungswerke nicht herumkommen. Es reicht nicht, in der Vergleichssoftware ein paar Häkchen zu setzen und dem Kunden daraus diesen oder jenen Tarif zu empfehlen. Nehmen wir hier beispielsweise den Rückstau. Während der eine Versicherer nur den witterungsbedingten Rückstau versichert, schließen andere auch den Rückstau aufgrund ausufernder Gewässer ein. Auch bei den Obliegenheiten herrscht hier eine schöne Unübersichtlichkeit und Unverständlichkeit. Manchmal besteht nur Versicherungsschutz bei vorhandenen Rückstausicherungen oder Rückstauklappen sollen funktionsbereit gehalten werden - „sofern vorhanden“. Viele Makler empfehlen die Erweiterung um die Elementargefahren – aus gutem Grund. Aber wer spricht mit seinem Kunden schon über Rückstauklappen, Hebeanlagen und deren Wartung?

Wie und wo können Versicherungsnehmer animiert werden Schäden selbst zu minimieren?

Das Verhindern von Schäden sollte das ureigenste Interesse eines jeden Hauseigentümers sein. Selbst wenn der vollgelaufenen Keller versichert ist, das kann niemand wollen. Von daher kann auch das eine oder andere am und ums Haus unternommen werden, um Schäden vorzubeugen. Es gehört also auch zum guten Risikomanagement, wenn Risiken erkannt und minimiert werden – dann kommt der Versicherungsschutz. Auch hier können Makler beim Kunden punkten, wenn nicht nur über Versicherungsschutz gesprochen wird, sondern auch über Vorbeugen von Schäden.

Wann ist ein Tatbestand fahrlässig? Können Sie hierfür ein Beispiel nennen?

Mit dem Wegfall des Alles-oder-Nichts-Prinzips hat sich die Bewertung sicher noch einmal verschoben. Was Richter früher vielleicht noch als leichte Fahrlässigkeit mit vielen zugedrückten Augen zum Schutz des Versicherungsnehmers haben durchgehen lassen, könnte heute den Versicherer aufgrund grober Fahrlässigkeit zur Leistungskürzung berechtigen. Die ist aber ja inzwischen oft mitzuversichern, was sicherlich zu empfehlen ist.

Ein Klassiker der groben Fahrlässigkeit ist der brennende Adventskranz. Das Außerachtlassen eines Adventskranzes für längere Zeit kann wohl zweifelsohne als grob fahrlässig angesehen werden – zumindest nach dem 4. Advent, wenn der Kranz schon stark ausgetrocknet ist. Richter sind aber auch Menschen, und so fehlte es dem OLG Düsseldorf schon mal an der nötigen subjektiven Komponente, da der Versicherungsnehmer den brennenden Kranz zwar unbeaufsichtigt ließ, er aber von seiner Frau im Schlafzimmer ‚abgelenkt‘ wurde – dem Ehemann konnte so keine grobe Fahrlässigkeit vorgeworfen werden.

Was sollte ein Vermittler seinen Kunden raten in Hinblick auf Elementarschutz - Elementarschutz extra buchen? Wann macht es Sinn?

Zumindest für das Gros der Hauseigentümer dürfte die Erweiterung der Wohngebäudeversicherung interessant und empfehlenswert sein. Wir sehen es in diesen Tagen aktuell in Niedersachsen und leider inzwischen fast jedes Jahr aufs Neue irgendwo: Es kann tatsächlich jeden treffen.

Wenn die Waschmaschine, Omas alte Kommode oder die Skiausrüstung der Familie durch vollgelaufene Keller zu Schaden kommen, ist das oft schade, aber finanziell noch verkraftbar. Da reicht vielleicht die klassische Hausratversicherung ohne den erweiterten Elementarschutz. Auch wer im 5. Stock wohnt und gar kein Keller hat wird wohl darauf verzichten können. Es gilt also abzuwägen.

Dennoch sollte das Thema tatsächlich mit jedem Kunden besprochen werden – dann kann er sich entscheiden.

In welchen Risikozonen kann es passieren, dass ich gar keinen Versicherer finde?

Da wollen wir mal dem GDV glauben: Fast jedes Haus ist heute bereits versicherbar. Tatsächlich ist die Durchdringung aber noch viel zu niedrig, die Menschen verzichten vielerorts auf die Elementarversicherung, obwohl ein Schutz darstellbar wäre. Oft liegt es an der Unkenntnis oder der Risikounterschätzung. Wir werden nicht müde, in jeder unserer Beratung zum Thema Wohngebäudeversicherung auch das Thema Elementarschäden mit anzusprechen. Das ist sicher auch Aufgabe der Makler, hier ihre Kunden zu sensibilisieren.

Im Freistaat Bayern soll es ab 2019 keine staatliche Unterstützung im Schadensfall für Hauseigentümer geben, wenn sie sich hätten versichern können, es aber aus welchen Gründen auch immer unterlassen haben. Auch der Verbraucher ist also in der Pflicht, sich zu informieren und gegebenenfalls auch sich und sein Eigentum zu versichern.

Wenn ich in der höchsten Risikozone, vier, wohne, dann sind die Konditionen oft sehr unattraktiv. Finden Sie das gerechtfertigt? Welche Argumente sprechen für eine höhere Prämie?

Das Haus am See oder die Wohnung am Fluss sind eben mit einem höheren Risiko verbunden. Das Gros der Gebäude ist jedoch schon heute versicherbar – und trotzdem hat nicht jedes versicherbare Haus auch eine Elementarschadenversicherung. Das liegt nicht immer an der hohen Prämie.

Mit jedem vollgelaufenen Keller kommt auch immer die Forderung nach einer Pflichtversicherung. Es gibt viele gute Argumente für eine Pflichtversicherung, die sich durchaus hören lassen. Es gibt aber auch viele Bedenken, nicht zuletzt auch verfassungsrechtliche. Eine solche Pflichtversicherung bedeutete einen starken Eingriff in die Vertragsautonomie. Die bekannten Pflichtversicherungen in anderen Bereichen haben jeweils einen anderen Hintergrund, hier steht die Fürsorgepflicht des Staates oder der Schutz eines Dritten im Vordergrund. Die Elementarschadenversicherung schützt hingegen ‚nur‘ das Privatvermögen der Hauseigentümer.

Neben der verfassungsrechtlichen Problematik ergeben sich weitere Fragestellungen, die für mich nicht befriedigend geklärt sind und vorab geklärt werden müssten. Das geht bei der Zahlungsunwilligkeit und -unfähigkeit vieler Hausbesitzer los, geht über die fragliche Akzeptanz in der Breite der Bevölkerung und hört bei Abwälzung auf den Mieter noch nicht auf.

Es sollten daher zunächst die bestehenden Möglichkeiten ausgeschöpft werden, eine Pflichtversicherung sollte nur ultima ratio sein. Auch eine staatliche Unterstützung oder Anreize für Eigentümer sind denkbar, beispielsweise durch Kreditprogramme für die Umsetzung baulicher Präventionsmaßnahmen oder eine stärkere steuerliche Förderung.

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Die Fragen stelle Jenny Müller

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