Beim Kauf eines Flachbildfernsehers oder Smartphones schnell noch eine Elektro-Versicherung abschließen? Direkt an der Kasse und ohne Beratung? In vielen Discountern der Republik ist das Realität. Möglich machen diese Vertriebspraxis Ausnahmeregeln für Annexversicherungen: Versicherungen also, die zu Alltagsgegenständen und Dienstleistungen mitverkauft werden, etwa Handy- und Reiseversicherungen. Sie dürfen auch von Laien vermittelt werden, die keinerlei Expertise in Sachen Versicherungen nachweisen können. Eben einfach so an der Supermarkt-Kasse.

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IDD-Gesetzentwurf sieht weiterhin Privilegien für Laienvermittler vor

Der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg aber stößt diese Vertriebspraxis bitter auf. Sie fordert, dass bei der Umsetzung der EU-Vertriebsrichtlinie IDD auch die Privilegien für den Laienvertrieb gekappt werden. Denn während professionelle Versicherungsvermittler strenge Anforderungen in Sachen Qualifikation und Beratung erfüllen müssen, gelten diese für Laienvermittler nicht. Auch der jetzige Gesetzentwurf der Bundesregierung zur IDD-Umsetzung will an den Privilegien für Laien nichts ändern, kritisiert die Verbraucherzentrale in einer Pressemeldung.

Das Problem: Oft würden die Laien Versicherungen an den Kunden verkaufen, die gar nicht zu ihrem Bedarf passen, kritisiert Peter Grieble, Versicherungsexperte bei der Verbraucherzentrale BaWü. "Professionelle Versicherungsvermittler sind gesetzlich dazu verpflichtet, zu prüfen, ob die Versicherung zum Bedarf des Verbrauchers passt. Sie müssen Kunden beraten und in vielen Fällen Alternativen aufzeigen", erklärt Grieble. All dies falle beim Laienvertrieb weg. "Laien können Versicherungen nahezu nach Belieben unter die Leute bringen" – ohne Beratung und ohne Klärung des Kundenbedarfs.

Den Verbrauchern drohen böse Überraschungen

Den Verbrauchern drohen damit böse Überraschungen, wenn sie Leistungen bei der Versicherung einfordern und feststellen, dass diese gar nicht zahlen muss. Beispiel Handy-Versicherung: In vielen Policen ist grobe Fahrlässigkeit vom Schutz ausgeschlossen. Wenn die Kaffeetasse auf dem Schreibtisch umkippt und das Smartphone dabei Schaden nimmt, kann der Versicherer eine Zahlung verweigern. Das Gleiche gilt bei sportlichen Aktivitäten oder wenn der Besitzer sein Smartphone am Strand nutzt. Oft seien die Verträge solcher Policen intransparent gestaltet und enthalten viele Ausschlüsse, hatte bereits die europäische Versicherungs-Aufsichtsbehörde Eiopa kritisiert (der Versicherungsbote berichtete).

Finanziell besonders kritisch werde es bei teuren Ratenschutzversicherungen, bei denen für Verbraucher teils mehrere tausend Euro an zusätzlichen Kosten anfallen können, gibt die Verbraucherzentrale zu bedenken. "Es ist absurd, dass beispielsweise Finanzkonzerne Ratenschutzversicherungen als Laien verkaufen dürfen, obwohl es im selben Konzern auch eine Versicherungssparte gibt", sagt Grieble. Ein weiteres Problem seien die Fehlanreize durch hohe Provisionen, die Annex-Vermittler erhalten. Ein Extrem-Beispiel: Laut EIOPA macht die Provision bei Handyversicherungen im Schnitt 40 Prozent der Prämien aus!

"Begünstigungen für Laienvertrieb ersatzlos streichen"

Eine Lösung des Problems wäre einfach, kommentiert die Verbraucherzentrale. Grieble fordert: "Die begünstigenden Ausnahmen für den Laienvertrieb müssen ersatzlos aus § 34d der Gewerbeordnung gestrichen werden." Doch die Umsetzung der EU-Versicherungsvertriebslinie, die derzeit von der Bundesregierung erarbeitet wird, begünstige den Versicherungsvertrieb durch Laien nach wie vor.

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Immerhin sind die Ausnahmen für Annex-Vermittler laut dem jetzigen IDD-Gesetzentwurf der Bundesregierung stärker reguliert. Eine Versicherung darf auf Nebenbasis vermittelt werden, "wenn die Prämie bei zeitanteiliger Berechnung auf Jahresbasis einen Betrag von 600 Euro nicht übersteigt", heißt es im Text des IDD-Entwurfs. Für Verträge mit dreimonatiger Laufzeit dürfen die Verträge maximal 200 Euro kosten.

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