Am vergangenen Samstag betitelte der „Spiegel“ in seiner Printausgabe einen Beitrag zu einem Führungstraining des Versicherers: „Aufmarsch bei der Allianz“. Das Szenario: Die Allianz-Konkurrenten Generali und Zurich hätten sich gegen das Unternehmen verbündet. „Spiegel Online“ schrieb: „Ein Kampfjetpilot war über dem Gebiet der verbündeten Allianz-Konkurrenten Generali und Zurich abgestürzt und sollte gerettet werden.“

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Einigen Teilnehmern habe diese Art Training nicht gefallen. Auch werde die Allianz diese Art Training so „nicht noch einmal durchführen“, schreibt das Nachrichtenmagazin am Samstag weiter (hier geht es zu der Meldung von „Spiegel Online“). Übereinstimmend berichtet die „Süddeutsche Zeitung“ am Montag. Aber wie läuft ein Training von „The Afterburner“ ab? Wie es bei der Allianz war, wissen wir nicht. Aber wir wissen, wie das US-Unternehmen wirbt.

Webseite seriös – Video martialisch

Zunächst ein Blick auf die Internetseite von Afterburnergroup.com. Das im Jahr 1996 von dem Ex-Piloten der US-Airforce James D. Murphy (Rufname im Cockpit: „Murph“) gegründete Unternehmen stellt sich als typisches Trainingshaus dar mit all der üblichen Trainer-Rhetorik wie „Leadership“ und dem Angebot von „Powertools“: Auf der Webseite also kein Bild mit Militär, Kampfjets oder Soldaten. Seriös, clean. Sucht man die „Nachbrenner“ dagegen auf Youtube, dann findet man Image-Videos, die mit anderen Bildern aufwarten.

Die Youtube-Videos zeigen Kampfjets an Deck eines Flugzeugträgers und mit leuchtenden Nachbrenner-Düsen, daher der Unternehmensname. Luftkampfanimationen, bei denen die Jets Raketen abfeuern. Schnelle Schnitte, laute Rockmusik in dem Video „Intro the Afterburner“. Das ist ein gut zweiminütiges Video, am Anfang und Ende eingerahmt mit Kampfjets im Einsatz, in der Mitte mit Auszügen aus Auftritten von James Murphy, Autor des Buches: „Business is combat“: Geschäft ist Kampfeinsatz.

Black Ops!

Was man wissen muss und in einem weiteren Video der „Nachbrenner“ erfährt. Deren Trainer sind ehemalige Kampfpiloten der US-Airforce und Spezialeinsatzkräfte der NAVY-Seals sowie ehemalige „JSOC“-Elitesoldaten (Wikipedia) – auch solcher Art, die etwa Al Quaida-Führer Osama bin Laden im Jahr 2011 in einem verdeckten Einsatz (Black Operations, kurz: Black Ops) töteten. Mit diesem Begriff und dem Bild werben die Afterburner in ihrem Video „Black Ops...“ für ihre Dienste zur Teamentwicklung von Unternehmen.

Stress ohne Ankündigung. Luftalarm und Verluste

Wie die Trainings der Afterburner ablaufen, das zeigt deren Video „Afterburner Day Team Building & Leadership Development Seminar“ (siehe oben).

Aus dem Video berichtet (es gilt das dort gesprochene und gebellte englische Wort): Meistens starten die Trainings, bei denen die Afterburner auftreten, mit der normalen Routine eines Meetings im Unternehmen. Und dann: Ohne Ankündigung, wie bei einer Razzia, stürmen Soldaten in Kampfanzügen oder Pilotenmontur die Veranstaltung des Unternehmens (gern seilen sich auch Spezialkräfte von der Hallendecke ab), filmreif und durchaus einschüchternd. Lautes Geschrei wie in einer Kaserne.

Der Anführer der uniformierten Truppe erklärt den Anwesenden sodann, er habe einen Auftrag, den Führungskräfte beizubringen, wie sie schnelle, richtige Entscheidungen treffen. Die Teilnehmer werden dann verschiedene Gruppenräume getrieben. In zwei Minuten, zack zack, solle Jeder dort antreten, bereit mit Stift und Block. Dort wird den Führungskräften dann etwa (laut Videobeispiel) der Sechs-Punkte-Ablauf für schnelles Entscheiden („Decision Making“) erklärt oder besser gesagt eingebläut.

Während die Teams des Unternehmens sich die sechs Punkte einprägen versuchen, werden sie von einem Instruktor der Afterburner unterbrochen. Der erklärt den Leuten, ihr Unternehmen befinde sich im Krieg. Laut „Spiegel“ und dem Beispiel der Allianz war der „Gegner“ in dem dargestellten Szenario eine Koalition aus Generali und Zurich. Sodann erhalten die Teilnehmer in jeder Gruppe unterschiedliche Rollen und Informationen, die sie koordinieren müssen, um einen Einsatzplan zu erstellen. Ein militärisches Szenario pur.

Im Video „Afterburner Day...“ sagt etwa eine Mitarbeiterin des trainierten Unternehmens: „Ich habe Tarnkappenbomber FA 117 mit lasergesteuerten Bomben“. Ein anderer: „Ich habe fliegende Tanker, die deine Jets in der Luft betanken können“. Und so entsteht dann, je nach Auftrag, ein Szenario, in dem die Beteiligten schnell Entscheidungen treffen müssen. Wenn sie nicht wieder unterbrochen würden. Werden sie aber: Die Afterburner rennen plötzlich (wie in dem Video dargestellt) mit Megafonen durch die Schulungsräume und verkünden einen Luftangriff mit Scud-Raketen (das ist die Art Raketen, die der irakische Machthaber Saddam Hussein 1991 bei „Desert Storm“ zur Befreiung des besetzten Kuwait auf Israel schoß). Amerikanern muss man all diese Zusammenhänge nicht erklären, weil das Militär dort kulturell und alltagspraktisch wesentlich besser, mann kann sagen gesellschaftlich und thematisch integriert ist. Deutsche irritieren solche Inhalte und Motive eher, wie die vom „Spiegel“ kolportierte hausinterne Kritik an der Allianz-„Nachbrenner“-Trainingsaktion andeutet.

Raketenangriff. Verluste!

Reicht das? Nein. Die Afterburner eskalieren das von ihnen gesetzte Szenario an dem Trainingstag weiter: Nach dem Luftalarm, bei dem die Teilnehmer einschließlich mitgelieferter Schutzhelme unter dem Tisch Deckung suchen müssen, geben die Instruktoren Entwarnung. Sagen aber auch, es habe Verluste gegeben – vulgo Tote(?). Weswegen ein Teil der Teilnehmer mit halbierten Ressourcen weitermachen müsse. Nochmals zur Betonung: Es gilt das in dem Video zum Trainingstag gesprochene Wort.

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Ob diese martialischen Inhalte und Motive für Deutsche, ob Führungskraft oder nicht, kulturell passend sind, das liegt im Auge des Betrachters. Speziell Desjenigen, der ein solches Nachbrenner-Training (üb)erlebte. Welches Szenario im Falle Allianz gespielt(?) wurde, das ist nicht klar.

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