„Josef Ackermann ist der schlechteste Vorsitzende, den ich je getroffen habe.“ Mit diesem harten Urteil beginnt nicht irgendein Schreiben. Es ist der Abschiedsbrief von Pierre Wauthier, der mit dieser Zeile eröffnet wird, bis 2013 Finanzchef der Zurich Versicherung. Am Ende weiß sich der Manager keinen Ausweg mehr. Im Sommer 2013 erhängt sich Wauthier in seinem Haus am Zuger See.

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Wauthiers Abschiedsbrief ist Teil der ARD-Doku

Der Abschiedsbrief ist Teil einer ARD-Reportage, die am Mittwoch ausgestrahlt wird – und sich der Zukunft der Arbeit widmet. Wie wollen und können wir in Zukunft arbeiten? Diese Frage steht dabei im Mittelpunkt. Für Wauthier war die Antwort eine bittere. Weil er nicht mehr weiterarbeiten konnte wie bisher, wollte er zuletzt auch nicht mehr leben – mit all dem Druck, den vielen Terminen, mit kaum Zeit für die Familie.

In der Woche vor seinem Suizid habe Wauthier 16 Meetings in zwei Tagen gehabt, berichtet die ARD. Folge des neuen Drucks, den Josef Ackermann auf die Vorstandsetage der Zurich ausgeübt habe. 2012 war der frühere Deutsche-Bank-Chef zum Verwaltungsrats-Präsidenten der Zurich ernannt worden. Und er zieht neue Seiten auf.

Pierre Wauthier beklagt seiner Frau gegenüber, dass Ackermann der Versicherung die Philosophie einer Bank überstülpen wolle. Ackermann habe mit der Tradition ruhiger, höflicher Meetings gebrochen, so bestätigen auch frühere Kollegen. Nun heißt es: mehr Druck, mehr Aggression, mehr Tempo. Mitunter seien Mitarbeiter in den Meetings regelrecht bloßgestellt worden. Es soll zu Situationen gekommen sein, in denen sich Wauthier völlig allein gegenüber Ackermann agieren sieht, ohne dass ihn sein direkter Chef, CEO Martin Senn, geschützt habe.

Traumberuf entwickelt sich zum Albtraum

In dieser Zeit verließen viele hochrangige Kollegen Wauthiers die Zurich. Der Finanzchef aber bleibt. Zeit seines Lebens habe der Manager auf diesen Posten hingearbeitet, heißt es in der Doku, für Wauthier sei es ein Traumberuf gewesen. Der sich zum Albtraum entwickelte.

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Im Sommer 2013 streiten sich Ackermann und Wauthier, wie der Konzern die Zahlen des Halbjahresberichtes präsentieren soll. Elf Tage später ist Wauthier tot. Der perfektionistische und sensible Manager, Vater zweier Kinder, kommt mit dem neuen Arbeitsklima nicht mehr klar und nimmt sich das Leben. Die Schweizer Finanzaufsicht FINMA ordnet nach dem Tod eine Untersuchung an, ob "ungebührlicher Druck" auf den Manager ausgeübt wurde: und kann die Vorwürfe nicht bestätigen. Im Mai 2016 erschießt sich auch Wauthiers früherer Vorgesetzter Martin Senn.

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