An diesem Mittwoch verschickte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhes (CSU) Ministerium die Einladungen zu einem Tag der offenen Tür seines Hauses Ende August – gute Miene und PR für die Gesundheitspolitik der Bundesregierung. Am selben Tag kam der Querschuss seiner bayerischen Amts- und Parteikollegin Melanie Huml aus München. Zum einen fordert Huml (CSU) stellvertretend für ihr Bundesland eine Art Pflegerabatt beim Einkommen für elternunterhaltspflichtige erwachsene Kinder. Zum anderen konterkariert die bayerische Gesundheitspolitikerin den bestehenden Kompromiss zur Finanzierung des Gesundheitsfonds.

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Elternunterhalt: 100.000-Euro-Papiertiger?

Zunächst zum Elternunterhalt: Huml will Angehörige von Pflegebedürftigen beim Elternunterhalt nicht finanziell überfordern. Die Gesundheitsministerin Bayerns verlangt, dass sich Angehörige von Pflegebedürftigen künftig erst ab einem Jahreseinkommen von mehr als 100.000 Euro an den Pflegekosten beteiligen müssen“. Ob der Betrag das Brutto- oder das Nettoeinkommen meint, sagt die bayerische Staatsministerin Huml nicht.

Eheleute mit einem pflegebedürftigen Senior müssen heute bei 100.000 Euro Nettoeinkommen und typischen, dem Lebensstandard angemessenen Wohnkosten, mit etwa 1.500 Euro monatlich zum Elternunterhalt beitragen. Der Versicherungsbote hat auf Elternunterhalt.org gerechnet (dort können Betroffene selbst ihre Werte ermitteln):

Screenshot Elternunterhalt.org

Im Beispiel oben ist noch keine „zusätzliche Altersversorgung“ im Sinne des Rechnungsschema inbegriffen. Zahlte das Muster-Ehepaar bei ansonsten gleichen Eingangswerten zusätzlich (und anrechenbar) pro Jahr 3.500 Euro in eine Privatrente, Riester- oder ähnliche Verträge ein, wäre die „Leistungsfähigkeit“ (also der zu zahlende Elternunterhalt) monatlich allenfalls 58 Euro. Zahlten die Eheleute jährlich nur weniger Hundert Euro mehr in ihre Zusatzrente, wären sie elternunterhaltsfrei. Screenshot Elternunterhalt.org

Die Rechenbeispiele zeigen, das auch besser verdienende Familien dann keinen Elternunterhalt schulden, wenn sie normal privat vorsorgen. Im Beispiel oben sind 3.500 Euro Beitrag in eine Privatrente nur 3,5 Prozent von Jahresnetto, also durchaus lebensnah. Ähnliche Ergebnisse zeigen sich bei Einkommen deutlich unter 100.000 Euro netto/Jahr. Arithmetisch betrachtet ist Humls beziehungsweise des Freistaates Bayern aufgestellte Forderung, Pflege-Angehörige zu schonen, ein Papiertiger.

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Auch mit der zweiten Forderung aus München, bayerische Beitragszahler der gesetzlichen Krankenkassen zu entlasten, zeigt der Freistaat: Vorwahlkampf? Staatsministerin Huml fordert für die bayerischen, in dem Land überwiegend gut verdienenden Versicherten einen regionalen Ausgleichsfaktor. Auf Deutsch: Die Bayern zahlen aus Sicht der Bayern zu viel in den Gesundheitsfonds ein. Derzeit würden die Leistungsausgaben der Krankenkassen in einer „Hochlohn- und Hochpreisregion wie Bayern von den Zuweisungen des Gesundheitsfonds nicht abgedeckt“, sagt Staatsministerin Huml weiter. Auf Deutsch: Die Bayern bekommen zu wenig Geld aus dem Fonds.

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