Wenn Gamer wie hypnotisiert auf ihr Smartphone schauen und auf der Suche nach Pokémon durch die Straßen der Großstädte hetzen, dann kann schon mal was passieren. Rund 10 Millionen Menschen spielen weltweit „Pokémon Go“, und tatsächlich berichten die Medien von ersten Unfällen bei der Jagd nach kleinen Monstern.

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In Wien beispielsweise fuhr eine Fahrradfahrerin auf der Ringstraße gegen einen Baum, während sie auf ihr Handy schaute, so berichtet der österreichische „Standard“. Das Ergebnis: ein Schlüsselbeinbruch. Und im australischen Perth verursachten Spieler gar eine Massenkarambolage: eine Gruppe Spieler war mit Segways auf Monsterjagd unterwegs und geriet versehentlich auf eine viel befahrene Straße. Mehrere Autos mussten ausweichen und es kam zu Auffahrunfällen.

Pokémon-Versicherung: Unfallschutz für ein Jahr, doch sehr begrenzt

Nun springen auch die Barmenia und der Online-Makler Knip auf den Hype auf und bieten Tollpatschen auf Monsterjagd eine spezielle Pokémon-Versicherung an. Diese entpuppt sich als Lockangebot für junge Versicherungsnehmer. Wie das FinTech auf seinem Blog berichtet, gibt es die Police gratis für alle Neukunden von Knip im Aktionszeitraum vom 29. Juli 2016 bis zum 15. August 2016. Oder eben für 35 Euro Jahresbeitrag käuflich über die App zu erwerben.

Aber die Versicherung für Gamer hat Tücken, wie eine Recherche von Versicherungsbote ergab. Im Grunde verbirgt sich dahinter eine Unfallversicherung, deren Laufzeit zunächst auf 12 Monate begrenzt ist. Das Positive: die Versicherung sichert rund um die Uhr gegen Unfallschäden ab und nicht nur, wenn sich der Betroffene beim Daddeln auf Pokémon-Jagd befindet. Der Schutz gilt sogar weltweit. Doch negativ fällt auf, dass die vereinbarte Versicherungssumme viel zu niedrig ist.

Nur 30.000 Euro Versicherungsschutz bei Vollinvalidität

Ganze 30.000 Euro leistet die Pokémon-Versicherung bei Vollinvalidität, wenn der Betroffene also so schwer geschädigt ist, dass mehrere Gliedmaßen oder wichtige Körperfunktionen komplett oder teilweise ausfallen. Eine solche Vollinvalidität ist aber laut Deutscher Unfallversicherung äußerst selten. Weit häufiger treten teilweise Schädigungen des Körpers auf, so dass der Versicherte mit weiteren Leistungskürzungen rechnen muss, abhängig von der Gliedertaxe im Vertrag.

Ein Beispiel: Verliert der Pokémon-Spieler einen kompletten Arm ab Rumpf und erleidet keine weiteren Beeinträchtigungen, so stehen ihm laut den Vertragsbedingungen der Barmenia nur 21.000 Euro zu. Beim vollständigen Verlust eines Beines bis unterhalb des Knies sogar nur 15.000 Euro. Diese Summen sind nicht annähernd ausreichend, um die Kosten einer Invalidität aufzufangen – von einer vollwertigen Unfallversicherung kann folglich keine Rede sein. Die Vereinbarung einer Progression ist ebenfalls nicht vorgesehen. Auch die Leistung im Todesfall fällt mit 10.000 Euro sehr gering aus.

Vereinbarte Unfall-Summe sollte in der Regel höher sein

Wie hoch die Invaliditätssumme bei einer Unfallversicherung mindestens ausfallen sollte, darüber gibt es verschiedene Auffassungen. Das hängt auch vom Alter und der individuellen Lebenssituation der Person ab, etwa ob sie Haupternährer einer Familie ist, bereits andere Absicherungen wie eine Berufsunfähigkeitsversicherung besitzt und so weiter. Die Empfehlungen reichen vom sechsfachen des Jahresbruttos bis hin zu einer Summe von 500.000 Euro.

Darüber hinaus empfiehlt zum Beispiel die Stiftung Warentest die Vereinbarung einer hohen Progression. Die Progression sorgt dafür, dass bei einer schweren Beeinträchtigung des Körpers die ausgezahlte Summe prozentual steigt, abhängig vom Grad der Schädigung. Wenn ein Versicherungsnehmer zum Beispiel eine Versicherungssumme von 100.000 Euro bei zugleich 500er Progression abschließt, kann er bei 100 Prozent Invalidität den fünffachen Betrag (500.000 Euro) erreichen.

Einsteigerprodukt: ja, optimale Absicherung: nein!

Fazit: Die Pokémon-Versicherung, korrekt -wohl aus Copyright-Gründen- "Trainer-Versicherung", ist eine clevere Marketing-Idee, um die Fans von Pikachu, Rattikarl und Co. für das Thema Versicherung zu interessieren. Knip nutzt auf seiner Webseite die Chance, der vermeintlich jungen Zielgruppe überhaupt die Idee einer privaten Unfallversicherung nahezubringen, inklusive Funktionsweise einer Gliedertaxe, wie hoch die Unfallgefahr in der Freizeit ist und andere Fakten.

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Aber: Knip klärt nicht darüber auf, dass eine Unfallversicherung die individuelle Situation des Versicherten berücksichtigen sollte - auch bei der Höhe der vereinbarten Leistung. Zudem wird eine viel zu niedrige Invaliditätssumme als ausreichend angepriesen. Explizit ist auf dem Blog des Unternehmens die Rede davon, Spieler könnten sich mit der Police "optimal gegen Unfälle absichern", was eher nicht der Fall ist. Als Makler müsste Knip eigentlich haften, wenn sich Kunden schlecht beraten fühlen und eine zu niedrige Absicherung wählen.

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