Die Deutschen haben eine Tugend verloren. Das Sparen für schlechte Zeiten. Was vor Jahrzehnten noch Teil der Erziehung war, ist verloren gegangen. Sparen ist nicht mehr Bestandteil des Zeitgeistes. Die Überbetonung der Vorsorgerolle des Staates, die mancher mit dem Niedergang der DDR als historisch erledigt geglaubt hatte, ist in voller Blüte wiedererstanden. Im Einheitsbrei der großen Koalitionen ist die Lebensweisheit „Selbstverantwortung vor Staatshilfe“ dem Untergang geweiht.

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Vertreter der Politik und einige Verbraucherschützen haben einen aktiven Beitrag dazu geleistet, dass die Notwendigkeit der privaten Altersvorsorge aus dem kollektiven Gedächtnis unserer Landsleute verschwunden ist. Niedrigzinsphase, besser wohl aus aktuellem Anlass „Nullzinsphase“ und kolportierte Minderleistungen von Renten- und Lebensversicherungen haben Vorsorgeprodukte zu einer Exotensparte gemacht.

Mehr Umsatz oder Drohung mit „Liebesentzug“

Zunehmend reagieren mittlere und kleinere Lebensversicherer in Deutschland nervös. Führungskräfte in der Ausschließlichkeit greifen zu Vertriebsmethoden, die man sonst nur Strukturvertrieben zuschreibt. Und Makler“betreuer“ werden immer häufiger bei Maklern unangemeldet vorstellig, um mal wieder „nach Umsatz zu fragen und einen Liebesentzug in Form des Wegfalls der Betreuung“ anzudrohen, wie in Maklergruppen bei Facebook berichtet wird.

Der @AssekuranzDoc

Der @AssekuranzDoc

Dr. Peter Schmidt ist Experte Personenversicherungen und Unternehmensberater im Bereich Versicherungen, Vertriebe und Makler mit langjähriger Erfahrung als Führungskraft und Vorstand bei deutschen Versicherern und twittert als @AssekuranzDoc.

Doch statt neuer Impulse von den Versicherern durch kundengerechte Produkte oder Impulse durch die Politik – Frau Nahles ist seit Monaten in Sachen betriebliche Altersversorgung in der Bringepflicht – kursieren nun laute Überlegungen zu einer „Deutschland-Rente“. Ob sich die Initiatoren von der neuen Welle des deutschen Patriotismus anstecken lassen haben oder nur auf einen nebulösen Gemeinschaftssinn mit dem Begriff eines nationalen Fonds zielen, sei zunächst mal nebensächlich.

Gutwillig mag man den Initiatoren zugestehen, dass mit der Idee der Deutschland-Rente die dringend notwendige Altersvorsorge wieder zum Leben erweckt werden soll. Aber schon einige weitere Details zeigen, dass sowohl die diskutierte Hauptrichtung als auch die angedachten Zielgruppen eher in eine neue Sackgasse führen als die Altersversorgung der Geringverdiener zu stärken.

Staatsfonds mit zweifelhafter Ausrichtung

Wenn man die vorliegenden Informationen zur „Deutschland-Rente“ zusammenfasst, dann ist von einem staatlich verwalteten (!) Staatsfonds die Rede, in den alle (!) Deutschen einzahlen sollen. Wenn dem so sein sollte, dann ist die Frage aufzuwerfen, warum eine neue Staatsbehörde die Verwaltung übernehmen soll wenn wir schon eine DRV (Deutsche Rentenversicherung) haben.

Irritierend auch, dass es dennoch wieder ein Widerspruchsrecht geben soll. Wer wird denn in der Konsequenz widersprechen? Entweder die, die das Geld für Vorsorge jetzt schon nicht haben oder diejenigen, die eine zusätzliche Rente aus einem Staatsfonds nicht brauchen. An erstere, an die bedürftigeren Menschen, soll sich aber der Staatsfonds nicht wenden. In erster Linie sei am Arbeitnehmer mit stabilen Anstellungen gedacht. Die Arbeitgeber sollen wieder dazu verdonnert werden, die Beiträge ihrer Arbeitnehmer an den Fonds zu überweisen.

Staatliche Verwaltung der „Deutschland-Rente“ und Dienstleistungen der Arbeitgeber dafür lassen nicht nur ein neues bürokratisches Monster erwarten, sondern stehen per se nicht für eine kostengünstige Anlage, Verwaltung und später Auszahlung der Gelder. Vergleiche mit den Staatsfonds in Schweden oder Norwegen verbieten sich, da diese Fonds im nicht unwesentlichen Teil durch Einzahlungen von Staatskonzernen aus gewinnen bei Öl und Gas resultieren und eben nicht von Millionen von Einzahlern, deren Konten verwaltet werden müssen.

Was wollen die Initiatoren der „Deutschland-Rente“ den Einzahlern als Ergebnis versprechen? Kapitalerhalt? Garantiezinsen? Lebenslange Rente? Was passiert, wenn der Einzahler früh verstirbt? Oder: Wird der Fonds zur Notkasse des Staates, wenn er einmal knapp bei Kasse ist?

Die Maschen des Norwegermusters lösen sich auf

Viele Deutsche finden Strickwaren mit Norwegermuster toll. Kommt daher auch die Sympathie für skandinavische Wohltaten für das Volk? Aber das immer wieder gelobte Muster der Norweger-Fonds hat seinen Glanz verloren. Denn es gehört auch zu den Wahrheiten der skandinavischen Staatsfonds, dass das Tabu der Entnahmen aus dem Fonds bei finanzieller Notlage des Staates zum Beginn des Jahres bereits mit einer hohen Entnahme gebrochen wurde.

Dazu kommen die Auswirkungen der neuen Ölkrise mit dem Preisverfall beim schwarzen Gold. Nach Medienberichten sollen rund 30.000 Jobs im Rohstoffsektor weggefallen sein und von Vollbeschäftigung ist in Norwegen auch keine Rede mehr. Innerhalb von drei Jahren ist die norwegische Krone auf einen Wert von 70% gefallen.

Spannend dürfte es für die Beurteilung von Staatsfonds deshalb auch sein, wie sich die Anlageergebnisse des Staatsfonds entwickelt haben. Immobilien haben gut performt, haben aber nur einen geringen Anteil am Fonds. Das größte Paket, die Aktien, haben immerhin 4 Prozent Rendite gebracht. Der Rest, also Staatsanleihen, hat gerade einmal eine schwarze Null gebracht. Das kennen wir ja aus Deutschland auch. Solche Ergebnisse dürften für Versachlichung oder gar Ernüchterungen für Fans eines Staatsfonds führen.

Pro & Contra zur „Deutschland-Rente“

Im GDV-Magazin POSITIONEN werden Pro & Contra diskutiert. Für die Pro-Fraktion wird der hessische Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir zitiert. Er hebt neben der Notwendigkeit zur Altersvorsorge hervor, dass es eines Standardproduktes bedürfe, was einfach, kostengünstig und transparent sei und was vor allem vertrieben werde, ohne dass dem Anbieter Profitinteressen unterstellt würden. Und dieser Anbieter solle der Staat sein, der das Vertrauen der Bürger genießt. Aha!

Für die Seite der Versicherer wird Allianz-Vorstand Andreas Wimmer für die Contra-Seite zitiert. Wimmer plädiert dafür, dass die vorhandenen Produkte und Instrumente genutzt werden sollen. Er verweist auf die millionenfach bereits genutzten Direktversicherungen. Für Arbeitnehmer mit niedrigen Einkommen sollte nach seiner Meinung die Förderung erhöht und eine Anrechnung auf die Grundsicherung ermöglicht werden. Nicht zu verdenken, dass ein Vertreter der Assekuranz wieder auf eine Verbesserung der Riesterförderung hinweist. 15 Jahre Stillstand sind hier wirklich genug.

Resümee:

Eine Debatte um neue Impulse gegen die Altersarmut ist richtig, wenn diese dazu beiträgt, die Menschen in Deutschland nicht weiter zur verunsichern. Es gilt, mit schlüssigen Konzepten den Sparwillen anzufachen und klare Perspektiven dafür zu setzen, was mit den Auszahlungen einer Riester-Rente oder auch einem Deutschland-Fonds wird, wenn die Sparer von Altersarmut betroffen sind.

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Wer den Sparwillen der Menschen dadurch bestraft, dass er diese „Notgroschen“ streicht, wenn der Fall einer Sozialversorgung durch Hartz IV droht, der wird die Einkommensschwachen unter uns kaum zum Sparen bringen. Zu einem funktionierenden Solidarsystem gehört aber auch, dass die Starken den Schwachen, die nicht selbst vorsorgen können, Unterstützung gewähren. Erweisen wir uns diesen Menschen solidarisch. Für mich gehört deshalb ein neues bürokratisches Monster nicht zu den Alternativen. Gut gemeint ist eben manchmal auch daneben.