Eine finanzielle Absicherung gegen Berufsunfähigkeit ist wichtig, da sind sich Versicherungsbranche und Verbraucherschutz einig. Immerhin jeder vierte Bundesbürger muss vorzeitig seinen Beruf aufgeben, weil die Psyche nicht mehr mitspielt, der Rücken schmerzt oder ein anderes Leiden es unmöglich macht, den Beruf wie gewohnt auszuführen. So berichtet es die Rentenversicherung. Ein Aus im Job bedeutet ein sehr hohes Armutsrisiko, viele Betroffene sind auf staatliche Sozialleistungen angewiesen.

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Der gesetzliche BU-Schutz wurde aber erst 2001 für alle nach dem 01.01.1961 abgeschafft, damit die Bundesbürger mehr Eigenvorsorge betreiben. Dumm nur, dass viele Bürger davon vermeintlich ausgegrenzt sind. Eine zunehmende Risiko-Differenzierung nach Berufsgruppen bei den Versicherungen führt dazu, dass ganze Berufszweige kaum noch eine bezahlbare Absicherung finden, etwa Dachdecker, Gerüstbauer oder Pflegekräfte. Es sind genau jene Berufe, die einen Schutz am dringendsten bräuchten. Auch wer ein riskantes Hobby hat oder eine Vorerkrankung, muss mit saftigen Aufschlägen und Ausschlüssen rechnen.

Notar zahlt ab 35 Euro für BU-Schutz, Kraftfahrer ab 150 Euro

In einer heutigen Pressemeldung macht sich der auf BU spezialisierte Versicherungsmakler Gerd Kemnitz Gedanken, wie das Problem der fehlenden Versicherbarkeit gelöst werden kann. Das Problem der fehlenden Versicherbarkeit kennt er aus der eigenen Berufspraxis. Nach seinen Recherchen kann ein 30-jähriger Notar eine BU-Rente in Höhe von 1.000 € bis zum 67. Lebensjahr für monatlich ca. 35 € versichern, während ein Berufskraftfahrer hierfür über 150 € bezahlen müsste. „Die Versicherer nennen dies risikogerechte Beitragskalkulation. Man kann es aber durchaus auch als Rosinenpickerei betrachten“, so sein Kommentar.

Eine Rückkehr zur gesetzlichen BU-Schutz sei wenig wünschenswert, so Kemnitz. Die Gesellschaft altert, und schon jetzt sind höhere Sozialabgaben kaum politisch durchzusetzen. Aber wer private Eigenvorsorge treffen möchte, müsse hierzu auch die Möglichkeit bekommen. „Es hilft unsere Gesellschaft nichts, wenn sich nur Personen mit vermeintlich risikoarmer Berufstätigkeit finanziell gegen Berufsunfähigkeit absichern können und alle anderen auf staatliche Hilfen angewiesen bleiben.“ Er beobachtet, dass selbst zahlreiche Versicherungsvorstände die aktuelle Entwicklung mit Sorge betrachten.

Unijob-Tarife statt Berufsgruppendifferenzierung

Was aber kann der Ausweg sein? Nach Ansicht von Kemnitz muss die Berufsgruppendifferenzierung wieder rückgängig gemacht werden. Hierfür würden die Versicherer „Hilfe von außen“ benötigen, um Antiselektionseffekte zu vermeiden. Denn wenn ein Anbieter allein beginnt, größere Kollektive zu bilden, kann es passieren, dass ihnen ein Wettbewerbsnachteil daraus erwächst. Besonders viele risikoreiche Berufe würden in diese Tarife drängen, die Jungen und Gesunden jedoch zu einem anderen Anbieter abwandern, der aufgrund der Rosinenpickerei günstigere Prämien bietet.

Um dieses Problem zu lösen, könnten die Versicherer auch auf die Erfahrungen von Versicherungsmaklern zurückgreifen, empfiehlt Kemnitz. Zitat: „Versicherungsmakler haben Vorschläge – aber sie müssen erhört werden!“ Er schlägt ein Vorgehen ähnlich wie bei der Einführung der Unisex-Tarife vor, als die EU verbot, das Geschlecht des Versicherten bei der Risikokalkulation mit Aufschlägen zu "bestrafen". Mann und Frau sollten gleich hohe Prämien zahlen.

Wäre dies ein Modell für Berufsgruppen? „Wenn der Gesetzgeber beispielsweise vorschreibt, dass bei der Arbeitskraftabsicherung niemand auf Grund seines ausgeübten Berufs benachteiligt werden darf, könnten alle BU-Versicherer gleichzeitig Unijob-Tarife einführen. Die befürchteten Antiselektionseffekte blieben aus und die konkrete Prämiengestaltung könnte der Markt regeln. Schließlich wurden mit der Einführung der Unisex-Tarife schon mal für unterschiedliche Risiken gleiche Versicherungsprämien erzwungen“, schreibt Kemnitz.

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Doch bestünde in Unijob-Tarifen nicht die Gefahr, dass Versicherer mit vielen älteren Kunden teils deutliche Wettbewerbsnachteile erfahren? Oder Versicherer, die Vorerkrankungen bei der Aufnahme von Versicherten akzeptieren? Die Rosinenpickerei könnte andere Formen annehmen - Antiselektionseffekte nicht ausgeschlossen!

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